Rezension über:

Nigel Aston / William Gibson (eds.): The Anglican Episcopate 1689-1800, Cardiff: University of Wales Press 2023, XIV + 375 S., ISBN 978-1-78683-976-3, GBP 70,00
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Rezension von:
Georg Eckert
Bergische Universität Wuppertal
Redaktionelle Betreuung:
Sebastian Becker
Empfohlene Zitierweise:
Georg Eckert: Rezension von: Nigel Aston / William Gibson (eds.): The Anglican Episcopate 1689-1800, Cardiff: University of Wales Press 2023, in: sehepunkte 25 (2025), Nr. 10 [15.10.2025], URL: https://www.sehepunkte.de
/2025/10/38287.html


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Nigel Aston / William Gibson (eds.): The Anglican Episcopate 1689-1800

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Die Geschichte der Anglikanischen Kirche im 18. Jahrhundert hat in der Forschung selten besondere Aufmerksamkeit erfahren, erst recht nicht diejenige der oftmals attackierten High Church. Inwiefern eine andere Herangehensweise lohnt, belegt der hier zu besprechende Sammelband über anglikanische Bischöfe, der zugleich von anglikanischem Bischofstum und von anglikanischem Bischofstun handelt. Er dokumentiert eine Tagung, deren Durchführung die Corona-Pandemie seinerzeit verhindert hat - offenkundig sogar zum Nutzen von Erkenntnissen, die nebst generellen Befunden in ihrer instruktiven Fülle von Einzelfällen schon fast prosopographische Annäherungen bieten. Außerdem geben die hier versammelten Studien effektvolle, indes nie effekthascherische Hinweise darauf, welche Aufschlüsse eine kulturgeschichtliche Annäherung an die Protagonisten verspricht - bisweilen in angedeuteter Analogie zu Fürsten der Reichskirche, die mit den anglikanischen ein wichtiges Moment verband: Waren erstere auf dem Reichstag vertreten, so wirkten letztere, ebenfalls ex officio, im britischen Oberhaus mit. Sie waren "social leaders" (3 f.), so konstatiert die Einleitung der beiden Herausgeber, die ihrerseits die "role of the bishops" ins Zentrum des Bandes rückt und dabei keine substantiellen Unterschiede des Episkopats zum 17. respektive 19. Jahrhundert postuliert (18); eine "changing position of bishops" (5) notiert sie gleichwohl.

Der erste von vier systematisch geordneten Buchteilen thematisiert "Politics of Church and State". Nigel Aston wendet sich politischen Zusammenhängen zu, indem er die Bistümer als "key trophies in the patronage stakes" (30) präsentiert; für eine Bischofsernennung waren Beziehungen zum König und anderen Patronen wie Ministern entscheidend - am Ende zählte eine doppelte "loyalty to the monarchy" (46), unabhängig davon, ob Bischöfe einem "clerical dynasticism" entstammten (37) oder sich ihre Patrone selbst suchen mussten. Mit der ersten Ernennung waren diese Prozesse keineswegs abgeschlossen, wenn rund zwei Drittel der Bischöfe mindestens eine Weiterberufung erlebten (42). Wie die 166 Lord Bishops, die ex officio über Sitz und Stimme im Oberhaus verfügten, sich zwischen 1689 und 1800 politisch positionierten (spezielle Situationen und Strategien der Erzbischöfe spart der Band allerdings aus), erkundet Ruth Paley und attestiert dabei einerseits eine enge Anbindung an parteipolitische Gegensätze, andererseits Versuche einer dezidiert auf die Anglikanische Kirche fokussierten Politik: als Lobbyismus in eigener Sache durch Bischöfe, die als "crucial political hinge between central government and the localities" dienten (69). Ebenfalls auf die politische Bedeutung der Bischöfe, die auf ihre Weise die politisch-soziale Ordnung zu stabilisieren suchten, konzentriert sich Grayson Ditchfield. Seine Studie behandelt das Verhältnis der Bischöfe zu denjenigen, denen sie ihre Ernennung verdankten: teils mittelbar, zeitweise bestimmten Akteure wie der Duke Newcastle die Personalpolitik der Anglikanischen Kirche, teils unmittelbar, nahm doch insbesondere George III. sich der Besetzungsfragen derart persönlich an, dass "the monarchy and the Anglican episcopate became more closely aligned than at any time during the eighteenth century" (93) - die Bischöfe verstanden sich am Ende des Jahrhunderts als eigentliche Wahrer der sozialen Ordnung (95).

Der "Performance" gilt der zweite Buchteil, an dessen Beginn sich Colin Haydon der pastoralen Aktivitäten der Bischöfe annimmt und fragt: "How successful, overall, in their pastoral endeavours" (124) sie gewesen sein mögen, im "work of a bishop" (106), der sich um die Ordination von Geistlichen, um die Visitation der Gemeinden und um die Einhaltung der Orthodoxie vor Ort zu kümmern hatte. Das bedeutete Reisen ins Land, die manche Bischöfe mit enormem Fleiß unternahmen; zentrale Vorgaben wussten sie dabei an lokale Umstände anzupassen (116) - zu einer Zeit, in der mit der Toleranzakte des Jahres 1689 das anglikanische Monopol geendet hatte; mithin eine Konzentration aufs Pastorale eine naheliegende Reaktion bedeutete (124). Hernach untersucht William Gibson, wie Bischöfe als Mitglieder des Oberhauses, als lokale Landbesitzer und als Verwaltungsmänner ihrer Kirche per Konflikt oder per Konsens agierten: indem sie ihren politischen Einfluss geltend machten, mit überschaubarem Erfolg, wenn sie sich zu offenkundig einer Partei verpflichteten, aber doch mit einiger Wirkung, indem sie über die "trump card" (149) verfügten, dass sich keine Regierung gegen eine geschlossene Bischofsfront zu stellen wagte. Schließlich analysiert Daniel Reed jene Patronage, die Bischöfe selbst praktizierten. In ihren Diözesen agierten die Klienten des Königs ihrerseits als Patrone, die Ämter zu vergeben hatten, indes hierbei darauf achten mussten, den jeweiligen "patronage bargain" (168) nicht zu offensichtlich zu betreiben.

Den dritten, für viele Leser wohl anregendsten Teil des Sammelbandes über "Culture" eröffnet ein Aufsatz über Frauen und Familien der Bischöfe; "the direct influence of the wives on the bishop's works is difficult to gauge" (191), so stellen Nigel Aston und William Gibson fest und weisen auf unterschiedliche Modi der Mitwirkung hin, die allerdings keinen Rückschluss auf ein etwaiges "concept of episcopal wives" (196) gewähren. Ebenso wenig eine kohärente Gruppe zeigt Robert Ingrams Betrachtung des "intellectual life", wohl aber "a few illustrative episodes" (204), nämlich Interventionen von Bischöfen wie Edward Stillingfleet oder Thomas Secker in größere Debatten. Sodann zeichnet Matthew Craske ein höchst anschauliches Bild bischöflicher Kunstpatronage: "a few bishops discovered a fresh scope to reform" (242), indem sie sich etwa der moralreformerischen Aufgabe des "making worship beautiful" (244) verpflichtet wussten; von der Förderung einzelner Künstler wie Benjamin West über die bischofsstolze "majesty" (258) von St. Paul's Cathedral in London bis hin zur Etablierung der Royal Academy.

Der letzte Buchteil liegt "Beyond England". Bischöfe in Wales, so schildert es John Morgan-Guy, ließen sich durchaus auf ihre fremd anmutende Umgebung und hinderliche Umstände ein; dass Bischöfe angesichts der anglikanischen Minderheitenlage in Irland teils produktive Gelehrsamkeit abrangen, verdeutlicht Toby Barnard; wie der schottische Episkopat sich aus seinen anfangs entschieden jakobitischen Bindungen löste, legt Rowan Strong dar, ehe Ted Campbell das Engagement anglikanischer Bischöfe jenseits der britischen Inseln nachvollzieht.

Am Ende des Bandes hat Ruth Paley die Einkünfte der Bistümer, die eine Spannbreite von 450 bis 7000 Pfund erkennen lässt, tabellenförmig zusammengestellt; für weniger Kundige hätte eine Liste der Amtsinhaber, die dafür indirekt im Personen- und Sachindex zu finden sind, eine wertvolle Ergänzung des vorgelegten Sammelbandes gebildet, dessen "incisive expert assessment" (18) inmitten aufschlussreicher Erkenntnisse im Individuellen wie im Kollektiven über die analysierte Personengruppe zu weiteren kulturgeschichtlichen Untersuchungen ermuntert - auch als strukturellen Vergleich innerhalb der Anglikanischen Kirche zu unterschiedlichen Zeiten sowie über konfessionelle Grenzen hinaus, um spezifische episkopale Profile noch besser zu erkennen.

Georg Eckert