Margrit Christine Schulze / Jürgen Kloosterhuis (Hgg.): »Was uns bunte Röcke sagen«. Neue Blicke auf den Bilderreichtum im Schloss Königs Wusterhausen, Berlin: Duncker & Humblot 2021, 211 S., 67 Farb-, 13 s/w-Abb., 2 Tbl., ISBN 978-3-428-18285-5, EUR 24,90
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Das ca. 30 km vom Berliner Stadtzentrum entfernte und zur Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg gehörende Schloss Königs Wusterhausen hat seit seiner im Jahre 2000 abgeschlossenen Restauration und anschließenden Neueröffnung als Museum einen gewissen Bekanntheitsgrad nicht nur unter den Preußen-Begeisterten erlangt. Denn generell dürfte dieses zur Berlin-Potsdamer Residenzlandschaft gehörende Jagdschloss für die Annäherung an die Persönlichkeit und den Regierungsstil König Friedrich Wilhelms I., des später als "Soldatenkönig" etikettierten Monarchen, in besonderer Weise geeignet erscheinen. Das Interesse an diesem Schloss wird man neben der für eine königliche Residenz als spartanisch zu bezeichnenden Ausstattung auch auf die - im Vergleich zu anderen Herrschaftsbauten - recht ungewöhnliche Gemäldesammlung zurückzuführen haben.
Der ehemalige Direktor des Geheimen Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz, Jürgen Kloosterhuis, hat bereits eine Vielzahl von Veröffentlichungen zur preußischen Militärgeschichte, vornehmlich des 18. Jahrhunderts, vorgelegt. Bekanntlich zeichneten sich die bisherigen Studien dieses Archivar-Historikers durch eine akribische Quellenauswertung aus - ein Vorzug, der auch den vorliegenden Band charakterisiert. Der Wert dieser Publikation liegt überdies in der gelungenen Verbindung zwischen der kunst-, militär- und kostümhistorischen Expertise. Am Gelingen dieses interdisziplinären Ansatzes hat die derzeitige Leiterin des Schlosses Königs Wusterhausen und als Kostümhistorikerin ausgewiesene Ko-Autorin Margrit Christine Schulze einen bedeutenden Anteil. Aus kunstgeschichtlicher Sicht gilt es zudem hervorzuheben, dass hier nun erstmals eine geschlossene Darstellung der im Schloss Königs Wusterhausen aufbewahrten Bilder vorliegt. Interpretationen zu einzelnen Gemälden und Bildergruppen hatte es von kunsthistorischer Seite auch in der Vergangenheit gegeben, hier wird nun aber erstmals eine systematische Vorstellung dieser Kunstwerke präsentiert.
In einem einführenden Teil geben die Autoren einen instruktiven Überblick zur Geschichte des Schlosses, seine Ausstattung und seine Nutzung durch Friedrich Wilhelm I. Dem schließt sich ein dokumentarischer Teil mit der in hervorragender Druckqualität besorgten Präsentation einer Auswahl der zum heutigen Bestand des Wusterhausener Schlosses zählenden Gemälde an. Dieser bildet die Grundlage für die nachfolgende ausführliche Beschreibung. Die Gliederung dieses analytischen Teils erfolgt sinnvoll entsprechend der auf den Gemälden zu findenden Themen in vier Bilder-Gruppen. Neben den Angehörigen der Hohenzollerndynastie bzw. von verwandten Hochadelsfamilien wurden die Bildmotive vor allem aus dem militärischen Metier und dem Umfeld der Jagd bezogen, in geringerem Maße handelte es sich um Landschaftsdarstellungen. Akribisch werden der eigentlichen Bildanalyse jeweils zunächst Angaben zu den Malern, zu Bildmaßen und -material, zu den "Hängeorten" der Gemälde und den nachweisbaren Belegstellen in der Literatur vorangestellt. Die Leserschaft erwartet dann eine hochreflektierte und insgesamt sehr abwägend vorgehende Interpretation der einzelnen Gemälde, die die Entstehungsbedingungen, die Gründe für die Motivauswahl und eine detaillierte Analyse der dargestellten Motive gleichermaßen beinhaltet. Und natürlich werden auch jene Werke ausführlich besprochen, die Friedrich Wilhelm I. selbst gemalt hatte und die bis heute eine besondere Aufmerksamkeit der Schlossbesucher genießen. Das frühere Urteil über die Versuche des Königs, in diesem Metier zu reüssieren, fielen bekanntlich recht scharf und abschätzig aus, allenfalls entschuldbar durch die den Malprozess begleitenden und ihn plagenden schmerzhaften Krankheiten.
"Dilettantisch in tormentis hingeschmierte Kopien!", lautete etwa ein schon aus dem 18. Jahrhundert stammendes und späterhin variantenreich kolportiertes Verdikt (15). Doch Kloosterhuis und Schulze konnten aufzeigen, dass diese Lesart sehr fraglich erscheint, vor allem, wenn man die Krankengeschichte und den Zeitrahmen der Entstehung dieser Bilder chronologisch zueinander in Beziehung setzt.
Der etwa 40 Seiten umfassende Anhang enthält einen Abdruck jener Inventare, die einen Überblick über die spätere Aufbewahrung der Gemälde - teilweise auch anhand der rekonstruierten Raumstruktur - geben: das Inventar des Prinzen Heinrich (1802), die in den zwischen 1800 und 1869 aufgestellten Inventaren des Schlosses Charlottenburg enthaltenen, aus Königs Wusterhausen stammenden Kunstwerke, die sogenannten Möbelkammer-Inventare des Berliner Schlosses (1816/1824), sowie das 1826 angefertigte Inventar über die sich in dem 1736 vom König erworbenen Jagdschloss Kossenblatt befindlichen Gemälde.
Jeder, der dieses Buch als Nachschlagewerk nutzen möchte, wird hier auf seine Kosten kommen. Denn auch wenn einige der hier vermittelten Informationen mitunter auch an anderer - mitunter aber recht entlegener - Stelle zu finden sind, werden eine Vielzahl neuer Einsichten vermittelt, die durchaus Überraschendes bereithalten. Jedoch scheuen sich die beiden Verfasser trotz der mit geradezu kriminalistischem Spürsinn zusammengetragenen Fakten nicht vor dem Eingeständnis, in manchen Fällen kein abschließend sicheres Urteil fällen zu können, so etwa zur Datierung des von Samuel Theodor Gericke geschaffenen Porträts des jungen Friedrich Wilhelm (I.) (57f.).
Die präsentierten Erkenntnisse belegen wieder einmal mehr, welchen Gewinn ein interdisziplinäres Herangehen bietet. So kann einerseits detailliertes Hintergrundwissen aus dem Lebensumfeld der Porträtierten die Bildinterpretation erleichtern, wie andererseits die Entschlüsselung der Bildmotive Rückschlüsse auf biographische Details oder allgemeinhistorische Entwicklungen zu geben vermag. So können zum Beispiel aus der Analyse der in der Mitte der 1720er Jahre entstandenen Porträts der Großgrenadiere des in Potsdam garnisonierenden "Königsregiments" Informationen über Neuerungen in der Uniform- und Waffenproduktion gewonnen werden (98).
So wird man dieses Buch nicht nur den an der altpreußischen Geschichte Interessierten inner- und außerhalb der Fachwelt empfehlen, sondern auch all jenen guten Gewissens in die Hand geben können, die sich als Besucher persönlich einen Eindruck davon verschaffen wollen, inwiefern das Schloss Königs Wusterhausen zu einem "Entrée ... in die Idealwelt" des Königs und zu einem "museumspolitisch durchdachten Erinnerungsort" gleichermaßen geworden ist (22).
Frank Göse