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Thomas Schlemmer / Martina Steber, Institut für Zeitgeschichte München - Berlin: Haus der Bayerischen Geschichte, Museum. Die Dauerausstellung. Einführung, in: sehepunkte 21 (2021), Nr. 10 [15.10.2021], URL: https://www.sehepunkte.de
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Haus der Bayerischen Geschichte, Museum. Die Dauerausstellung

Einführung

Von Thomas Schlemmer / Martina Steber, Institut für Zeitgeschichte München - Berlin

Am 5. Juni 2019 wurde ein Traum wahr, den viele staatsbewusste Bayern jahrzehntelang träumten: Das Museum der Bayerischen Geschichte in Regensburg öffnete seine Pforten. Die Überlegungen für dieses Projekt, dessen Umsetzung stolze 88 Millionen Euro kosten sollte, reichen bis in die frühen 1960er Jahre zurück [1]. Seinerzeit waren es - man glaubt es kaum - die Sozialdemokraten um den ehemaligen Ministerpräsidenten Wilhelm Hoegner (1945/46 und 1954-1957), die die Vision eines bayerischen Geschichtsmuseums auf die Tagesordnung setzten. Das Unternehmen verlief allerdings im Sande, weil sich weder die Politik noch die Historiografie darüber einig werden konnte, wie die Geschichte Bayerns vom frühen Mittelalter bis in die Gegenwart gleichsam auf die Bühne zu bringen sei.

Ende 2008 war es Ministerpräsident Horst Seehofer, der die Idee, Bayern sei museumswürdig, in seiner ersten Regierungserklärung aufgriff. Dieses Mal war die Zeit dafür gekommen, und das lag vor allem an drei Gründen: Zum einen hatte sich die bayerische Gesellschaft seit den 1990er Jahren zunehmend verändert; die Stichworte Migration, Pluralisierung und Individualisierung mögen an dieser Stelle genügen. Zudem hatte die forcierte Modernisierungspolitik Edmund Stoibers starke Friktionen erzeugt. Dadurch wurde, zum zweiten, die Frage nach der bayerischen Identität virulent, die sich insbesondere durch die bewusste Geschichtspolitik der 1960er und 1970er Jahre etabliert und konsolidiert hatte. Mit der Identitätsfrage stellte sich für die CSU aber, zum dritten, auch die Machtfrage, hatte die Partei doch als scheinbar einzig legitime Interessenvertretung Bayerns nach jahrzehntelangen absoluten Mehrheiten das Abonnement auf die Alleinregierung verloren.

Was lag in dieser Situation näher, als das ideell-emotionale Fundament zu stärken und damit auch den Nimbus der letzten deutschen Regionalpartei zu wahren? Dabei bot sich der Rückgriff auf zwei Narrative an, die 1962 bereits der Münchner Landeshistoriker Max Spindler formuliert hatte: der Staat als die "bedeutendste Leistung des bayerischen Volkes" und dessen zivilisatorische Sendung bei der "Umwandlung der Wildlandschaft in die Kulturlandschaft" [2]. Nicht von ungefähr bedienten sich die staatsbayerischen Identitätskonstrukteure der Geschichte, um gegenwärtige Verwerfungen abzufedern: Seit der bayerisch-nationalen Integrationspolitik Ludwigs I. und Maximilians II. war diese Form der legitimatorischen Selbstvergewisserung im modernen Bayern tief verankert. Auch die Bezüge auf den Heimatbegriff als Identitätsanker sowie die Vorstellung von den Stämmen als Ausdruck der Dialektik von Vielfalt und Einheit stehen in dieser Kontinuität. In Spindlers vielzitiertem Diktum vom "immerwährende[n] Bund zwischen Stamm und Staat" fand die Verschmelzung von tribalistischer Überzeugung und staatlicher Kontinuitätskonstruktion ihre wissenschaftliche Legitimation [3].

Das Haus der bayerischen Geschichte (HdbG) unter der Leitung von Richard Loibl nahm den Impuls auf, legte wenige Monate später einen Konzeptentwurf vor und erhielt 2009 den Auftrag, das projektierte Museum zu verwirklichen. Seine Heimat fand das neue Haus in einem nicht unumstrittenen Neubau am Regensburger Donaumarkt. Der Ausstellungsbereich für die Dauerausstellung im ersten Obergeschoss, um die es hier vor allem gehen soll, bietet eine Nutzfläche von mehr als 2450 qm; damit steht etwa die doppelte Fläche zur Verfügung, die für eine der großen, vom Haus der bayerischen Geschichte kuratierten Landesausstellungen kalkuliert wird. Dazu kommen weitere Räumlichkeiten für Sonderausstellungen, museums- und medien-pädagogische Zwecke sowie der "Schauraum" im Erdgeschoss. Dort führt ein Film mit dem Kabarettisten und Fernsehmoderator Christoph Süß unterhaltend in die großen Linien der bayerischen Geschichte seit der Römerzeit ein, so dass die Besucherinnen und Besucher nicht gleichsam mit der Tür ins Haus der mit Napoleon beginnenden Dauerausstellung fallen. Dieser szenisch-humoristische Einstieg verweist bereits auf das Selbstverständnis einer Einrichtung, die sich nicht primär als Museum im klassischen Sinne versteht, sondern in die Linie "moderne[r] Geschichtshäuser" einreiht [4]. Ziel ist es, "das Werden des modernen, heutigen Bayern" nachvollziehbar zu machen, "soweit möglich" zu erklären und "attraktiv" zu präsentieren. Um es vorwegzunehmen: Ersteres und Letzteres ist den Kuratorinnen und Kuratoren der Dauerausstellung zum Teil eindrucksvoll gelungen, die Erklärung lässt freilich stellenweise zu wünschen übrig.

Die Dauerausstellung umfasst den Zeitraum zwischen 1800 und der Gegenwart - mit einem Ausblick in die Zukunft. Ausgangspunkt ist der Freistaat von heute, dessen charakteristische Eigenarten und Besonderheiten in Szene gesetzt werden sollen. Dreh- und Angelpunkt ist der "Wandel bayerischer Staatlichkeit" im politischen, sozialen, ökonomischen und kulturellen Kontext mit einem besonderen Augenmerk auf Aspekten der Demokratiegeschichte. Als Gliederungsprinzip dient ein reichlich mechanistisches und nicht schlüssig begründetes Generationenmodell, das die Dauerausstellung, beginnend mit dem Jahr 1800, in neun Abschnitte à 25 Jahre einteilt. Der Versuch, gängige Zäsuren zu überwölben und damit zu verflüssigen, gelingt nicht wirklich, weil die dahinterliegenden Kontinuitäten nur selten konsequent sichtbar gemacht werden. Als gestalterisches Prinzip haben die Verantwortlichen sogenannte Bühnen gewählt, auf denen vielfach bemerkenswerte Leitexponate präsentiert und durch ihre Kombination mit anderen Ausstellungsstücken in einen interpretatorischen Dialog gebracht werden. Quer dazu liegen acht sogenannte Kulturkabinette, die zeitlich auch weiter in die Vergangenheit zurückreichende Themenkomplexe jenseits der Chronologie wie Dialekt, Kultur oder Region adressieren.

Dieses FORUM konzentriert sich vor allem auf die Dauerausstellung und ihre analogen Elemente; die multimedialen Komponenten wären eine eigene Darstellung wert, die diesen Rahmen sprengen würde. Zwei Beiträge nehmen dabei das 19., zwei das 20. Jahrhundert in den Blick, wobei sie den in der Geschichtswissenschaft gängigen Periodisierungen folgen; einer gilt den museumspädagogischen und gestalterischen Gesichtspunkten. Dabei geht es vor allem um folgende Fragen: Wie wird Bayern erzählt und welches Bayern wird erzählt? Welche Idee von bayerischer Identität wird vermittelt? Welche Akteure werden vorgestellt - und welche nicht? Welche internationalen und transnationalen Bezüge Bayerns werden sichtbar, welche verschwinden? Detailkritik ist dabei eher zweitrangig, vielmehr geht es darum, die Dauerausstellung an ihren eigenen Prämissen und am Stand der Forschung zu messen.

Anmerkungen:
[1] Ein selbstbewusster Überblick findet sich bei Richard Loibl, Wie Bayern zu neuen Museen und Geschichtshäusern kam, in: Renate Höpfinger (Hg.): 75 "Enthüllungen über eine Partei". Was Sie über die CSU wissen sollten, Augsburg 2020, 151-154.
[2] Zit. nach Thomas Mergel: Staatlichkeit und Landesbewußtsein. Politische Symbole und Staatsrepräsentation in Bayern und Nordrhein-Westfalen 1945 bis 1975, in: Thomas Schlemmer / Hans Woller (Hgg.): Politik und Kultur im föderativen Staat 1949 bis 1973, München 2004, 281-347, hier 336.
[3] Max Spindler: Die Grundlagen der Kulturentwicklung in Bayern, in: ders.: Erbe und Verpflichtung. Aufsätze und Vorträge zur bayerischen Geschichte, hg. von Andreas Kraus, München 1966, 3-23, hier 13.
[4] HDBG-Magazin Nr. 3/2019: Museumsgeschichte, 36; die folgenden Zitate finden sich ebenda, 37 und 38.

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