Johannes Soreth: Expositio paraenetica in Regulam Carmelitarum. Ein Kommentar zur Karmelregel. Übersetzt und erläutert von Leo Groothuis (= Schriften des Forschungsinstituts der deutschen Provinz der Karmeliten; Bd. 1), Münster: Aschendorff 2018, XII + 199 S., eine s/w-Abb., ISBN 978-3-402-12135-1, EUR 29,90
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"Indeed, the knowledge about the history of the order was mainly carried form the Order's members themselves ...", schreibt Coralie Zermatten einleitend zu dem 2017 erschienenen Sammelband zum geschichtlichen Selbstverständnis und Geschichtsbewusstsein im mittelalterlichen Karmelitenorden. [1] Bis heute hat diese Feststellung nichts von ihrer Gültigkeit verloren, denn die maßgebliche Forschung über die Geschichte des Karmelitenordens, die seit einigen Jahren erfreulich an Fahrt aufgenommen hat, geht von Ordensangehörigen selber aus, wie spätestens 2012 mit dem Erscheinen des monumentalen "Monasticon Carmelitanum" [2] deutlich geworden sein dürfte. Wie die hier vorzustellende Publikation so erschien auch dieser von drei Karmeliten gemeinsam herausgegebene Sammelband im Aschendorff Verlag, Edeltraut Klueting, TOCarm, seinerzeitige Initiatorin und Motor des Unternehmens, ist die Gründung des Forschungsinstituts der Deutschen Provinz der Karmeliten im Mai 2016 wesentlich zu verdanken, zu dessen erklärten Zielen die "wissenschaftliche Erforschung von Geschichte, Spiritualität, Charisma, Kultur und Bildung" des Ordens gehören. [3] Die Etablierung einer eigenen Schriftenreihe war also nur ein folgerichtiger Schritt, und die hier angezeigte Übersetzung der Expositio paraenetica Johannes Soreths bildet ihren ersten Band.
Soreth, Generalprior der Karmeliten seit 1451, legte seine Erläuterungen zur Ordensregel um 1455 vor und wurde damit einer der Kommentatoren der formula vitae, die den am Berg Karmel lebenden Eremiten zu Beginn des 13. Jahrhunderts durch Patriarch Albert übergeben worden war. Untrennbar miteinander verwoben, verstehen sich Person und Werk vor dem Hintergrund der spätmittelalterlichen Reform- und Frömmigkeitsbewegungen. Seinen Orden zu erneuern und auf die ursprüngliche Strenge der eremitischen Lebensform zurückzuführen, war das zentrale Anliegen des Karmeliten, der seine Ordensreform auf den Regelkommentar, intensive Visitationstätigkeit und das Reformdekret von 1456 stützte.
Als Instrument seiner Anstrengungen für die Erneuerung im Sinne der spirituellen Rückbesinnung wurde Soreths Kommentarwerk zu einem Schlüsseltext im spätmittelalterlichen Ordensleben. Der seit 1625 mit der editio princeps durch Leo a S. Ioanne als Expositio paraenetica eingeführte Text war bisher ausschließlich in lateinischer Sprache zugänglich. Erst 2016 legte Bryan Deschamp mit seiner brillanten Edition die Grundlage für alle künftige Auseinandersetzung mit dem Werk Soreths. [4] So konnte auch der 1940 geborene Leo Groothuis, 1971 mit einer Arbeit über die Pastoral in den katholischen Niederlanden promoviert und seit langer Zeit in der Mainzer Ordensniederlassung ansässige Karmelit, an Deschamps kritische Edition anknüpfen und sie zum Ausgangs- und Bezugspunkt seiner erstmaligen Übertragung ins Deutsche machen. Das Bemerkenswerteste an der hier vorgelegten Leistung ist aus Sicht der Rezensentin der brillant gelungene Spagat zwischen Bereitstellung eines gut lesbaren Textes auch für eine weiter gefasste Zielgruppe und Einhaltung eines hohen wissenschaftlichen Standards. Im umfangreichen, aber nicht erschlagenden Anmerkungsapparat erhält der interessierte Laie sachliche Hintergrundinformation - zu theologischen, religionsgeschichtlichen, spirituellen und ordensbezogenen Fragestellungen, terminologischen Aspekten, geographischen Angaben oder biographischen Details.
Die im Text der Expositio aufgeführten Bibelstellen werden in der Übersetzung kursiviert kenntlich gemacht und in den Fußnoten exakt angegeben. Dass hier bei der Übertragung von Zitaten die Einheitsübersetzung gewählt wurde, "um den heutigen Lesern entgegenzukommen" (34), merkt Groothuis eingangs an und unterstreicht damit einmal mehr die Zielgruppe der Edition. Textvarianten in den beiden handschriftlichen Überlieferungen des Regelkommentars finden Erwähnung im kritischen Apparat (etwa 44, Anm. 18). Für die von Soreth namentlich aufgeführten auctoritates liefert Groothuis die Belegschriften (etwa 104, Anm. 122) mit Erklärungen zu den entsprechenden Passagen. (etwa 53, Anm. 33-34) Die zuverlässige Nennung von Quellen und Sekundärliteratur für alle editorischen Ausführungen unterstreicht den für ihn selbstverständlichen hohen Anspruch. Dass ganz vereinzelt auf Wikipedia-Artikel mit nicht rezentem Zugriffsdatum verwiesen wird, ist demgegenüber zu vernachlässigen (etwa 84, Anm. 96) Durchgängig gilt, dass die souveräne Leistung des exzellenten Altphilologen Groothuis in Übersetzung und bei sprachlichen Erläuterungen spürbar ist (etwa 129, Anm. 163).
Dankbar und anerkennend nimmt der Leser die drei Register "Bibelstellen", "Namen" und "Sachen" im Anhang zur Kenntnis. Bei den biblischen Büchern hätte man sich den Hinweis auf die gängigen Abkürzungen, wie sie auch in den Anmerkungen angewendet wurden, gewünscht; bei der Ansetzung der Namen wäre eine Information zum gewählten Namensformat in Abweichung von der Gemeinsamen Normdatei (GND) aufschlussreich gewesen - Petitessen, die das so positive Gesamturteil nicht trüben.
Die ersten 33 Seiten des 199 Seiten umfassenden Bandes sind zwei einleitenden Beiträgen gewidmet. Edeltraud Klueting führt in Person und Werk Johannes Soreths ein und stellt ihn mit seinem akademischen Werdegang, seinen Stationen im Orden und den wesentlichen Elementen seines Reformwerks innerhalb der Niederdeutschen Provinz dar. Bryan Deschamps schließt sich mit Ausführungen zu Soreths Expositio im Kontext seines Reformwirkens an. Hierbei fasst der australische Karmelit, der bereits 1973 über Soreths Kommentar promovierte, einen Vortrag von 2005 zusammen. Solide Quellenbelege und reichliche Literaturangaben leiten in beiden Fällen höchst zuverlässig durch den Text.
Das fadengeheftete Buch mit festem Einband und einladendem Cover (Übergabe der Ordensregel durch Patriarch Albert in einem Ausschnittsmotiv aus der Karmelitenkirche zu Siena) nimmt man gerne zur Hand. Auch unter typographischen Aspekten darf die Präsentation durch den Aschendorff Verlag als uneingeschränkt gelungen bewertet werden. Dazu tragen die lesefreundliche Schrifttype, der ästhetische Satzspiegel und eine übersichtliche Strukturierung der vorangestellten 24 Regeln und ihrer Auslegung bei. Gratulation an Verlag, Herausgeber, Mitwirkende und den Übersetzer! Das zu sehr moderatem Preis erhältliche Ergebnis sollte in vielen Bibliotheken vorgehalten werden.
Anmerkungen:
[1] Jens Röhrkasten / Coralie Zermatten (eds.): Historiography and Identity. Responses to Medieval Carmelite Culture (Vita regularis. Ordnungen und Deutungen religiösen Lebens im Mittelalter Abhandlungen; 68), Wien 2017, 4.
[2] Edeltraud Klueting / Stephan Panzer / Andreas H. Scholten (Hgg.): Monasticon Carmelitanum. Die Klöster des Karmelitenordens (O.Carm.) in Deutschland von den Anfängen bis zur Gegenwart (Monastica Carmelitana; 2), Münster 2012.
[3] https://karmeliten.de/angebote/angebote.2/index.html (aufgerufen am 9.12.2018).
[4] Bryan Deschamp (ed.): Iohannes Soreth. Expositio paraenetica in Regulam Carmelitarum (Corpus Christianorum. Continuatio Mediaevalis; 259), Turnhout 2016.
Annelen Ottermann