Patrick Mullins: St. Andrew Corsini, Carmelite (c. 1302-72). A Documentary Biography Part I (= Institutum Carmelitanum. Textus et Studia Historica Carmelitana; Vol. 56), Roma: Edizioni Carmelitane 2024, 396 S., zahlr. s/w-Abb., ISBN 978-88-7288-232-0, EUR 42,00
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Patrick Mullins: St. Andrew Corsini, Carmelite (c. 1302-72). A Documentary Biography Part II (= Institutum Carmelitanum. Textus et Studia Historica Carmelitana; 56/2), Roma: Edizioni Carmelitane 2024, 464 S., zahlr. s/w-Abb., ISBN 978-88-7288-236-8, EUR 47,00
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Johannes Soreth: Expositio paraenetica in Regulam Carmelitarum. Ein Kommentar zur Karmelregel. Übersetzt und erläutert von Leo Groothuis, Münster: Aschendorff 2018
Julia Becker / Julia Burkhardt (Hgg.): Kreative Impulse und Innovationsleistungen religiöser Gemeinschaften im mittelalterlichen Europa, Regensburg: Schnell & Steiner 2021
Joachim Smet: Die Karmeliten. Geschichte des Karmelitenordens Band 1: Von ca. 1200 bis zum Konzil von Trient, Münster: Aschendorff 2023
Der Karmelit Patrick Mullins aus der irischen Ordensprovinz legte 2012 seine Dissertation über den Regelgeber, Albert von Jerusalem, vor, der sich u.a. weitere Studien zu dem Patriarchen und den Anfängen des Ordens anschlossen. [1]
Seine neueste "Documentary Biography" hat Andrea(s) Corsini (ca. 1302-1372) zum Gegenstand. Sein Leben und Wirken fällt in die Zeit der spätmittelalterlichen Expansion des Ordens im 14. Jahrhundert. 1316 trat er dem Orden bei und studierte nach der Priesterweihe an der Sorbonne und in Avignon. In seiner Heimatstadt Florenz war er als Lektor tätig, wurde 1348 zum Provinzial der Provinz Toskana und im Folgejahr zum Bischof von Fiesole ernannt. Sein Wirken während der Pestepidemien zeichnete sich durch unerschrockenen Einsatz für die Bedürftigen und großes seelsorgerliches Engagement aus. Als Bischof war er darauf bedacht, Sittenverfall, Korruption und Pfründenmissbrauch entgegenzuwirken und führte regelmäßig Visitationen durch. Sein strenges, aber immer vermittelndes und mitfühlendes Wirken und seine Befähigung als Friedensstifter verschafften ihm hohe Anerkennung. Corsini wurde 1374 in der Florentiner Familienkapelle der Corsini in Santa Maria del Carmine beigesetzt und 1435 seliggesprochen. Seit 1629 wird er als Heiliger verehrt.
In der Einführung zum zweibändigen Werk (I, 7-34) geht Mullins auf die Quellenlage seit dem Spätmittelalter ein und gibt einen Forschungsüberblick zu Corsini. Die ältesten erhaltenen Biografien wurden seit Mitte des 15. Jahrhunderts von dem Karmeliten Peter Andrea del Castagno und von einem Anonymus verfasst; beide handschriftliche Vorlagen aus der Vaticana und der Bibliothek des Augustinerchorherren-Stifts Groenendaal sind ediert. Mullins bezieht sich in seiner Arbeit auf den 2007 mit einer italienischen Übersetzung veröffentlichten lateinischen Text [2] und weist darüber hinaus auf seine noch nicht erschienene Übersetzung dieser Edition hin. [3]
Mullins zeichnet die biografischen Stationen Corsinis in elf Kapiteln chronologisch nach - von seiner Familie, den Jugendjahren, der Studienzeit über seine karmelitanische Frühprägung, die Tätigkeit als Lektor, die Ordination, das Provinzialat, das seelsorgerliche und karitative Wirken und die Zeit als Bischof bis hin zu Tod und Begräbnis. Jeder Abschnitt beginnt dabei mit den zentralen Passagen aus den beiden frühesten Quellen, die er in englischer Übersetzung einander gegenüberstellt; auch die Aussagen in den erhaltenen zwei Bänden von Corsinis "Memoriale" fließen in die Auswertung mit ein. Die letzten Kapitel 12-16 im zweiten Band widmen sich Nachwirken, Heiligsprechung und Verehrung Corsinis.
Im Zentrum stehen die jeweiligen Quellenbelege, die der Autor kommentiert, kontextualisiert, analysiert und problematisiert - mit dem Ziel, die strittigen Punkte zur Vita des Heiligen, seines Umfelds und seines Wirkens einer Klärung zuzuführen. Dazu zählen etwa Fragen zum Jahr seiner Geburt und seiner Bischofswahl, der Identität seiner Mutter oder der adligen Herkunft seiner Familie. Offensichtliche Widersprüche zwischen den Erinnerungen seines Bruders Matteo und den Aussagen der spätmittelalterlichen Biografien werden dargelegt und diskutiert, wobei die Frage der Belastbarkeit dieser Zeugnisse auf den Prüfstand gestellt wird.
Abschließend fasst Mullins wichtige Schritte und Ergebnisse seiner Studie zusammen; in der recht weit ausholenden "Conclusion" (II, 367-410) kommt es immer wieder zu Redundanzen gegenüber den vorausgegangenen Kapiteln und vereinzelt sogar zur wortwörtlichen Wiederholung ganzer Passagen und Anmerkungen. Eine deutliche Straffung wäre hier ohne Informationsverlust möglich gewesen und hätte zu mehr Klarheit geführt.
Mullins ist seit Gründung 2006 Direktor des Carmelite Institute of Britain and Ireland (CIBI), das Studierende weltweit über analoge und digitale Medien mit Informationen zur Spiritualität und Geschichte der Karmeliten versorgt. Seine Untersuchungen erschienen innerhalb der Reihe Textus et Studia Historica Carmelitana. Herausgeber sind die Edizioni Carmelitane, der in Rom ansässige Verlag der Generalkurie des Karmeliterordens und dessen wissenschaftlicher Forschungs- und Bildungszweig, das Institutum Carmelitanum. Dem Charakter von Studienmaterialien und Quellenbänden entsprechend, wird bei den Bänden, die durchweg als leichte Softcover erscheinen, weniger Wert auf Buchästhetik gelegt. Dies gilt auch für das vorgestellte Werk; bei dem sich reihentypisch die Abbildungen auf kleinformatige Schwarzweiß-Darstellungen beschränken. Ob dies in jedem Fall hilfreich und zielführend ist, darf angezweifelt werden. Wo das Bild thematisch im Mittelpunkt einer Untersuchung steht, muss sich dies auch in Größe, Farbigkeit und Aufnahmequalität der Abbildungen ausdrücken, damit es zur visuellen Unterstützung taugt; Bildausschnitte im Quasi-Briefmarkenformat dagegen erfüllen nur eine Alibifunktion. Leider ist genau das der Standard bei allen Abbildungen; besonders offensichtlich wird das Ungenügen im Kapitel 16, das ausgerechnet die Ikonographie zu Andreas Corsini zum Gegenstand hat (II, 352-366) oder bei unvollständigen, unscharfen und deutlich zu kleinen Handschriftenseiten (so auf I, 227, 234; II, 42). Die Bildunterschriften entsprechen nicht wissenschaftlichen Standards und sind so kaum zitierfähig.
So verdienstvoll das in beiden Teilbänden enthaltene kombinierte Personen-, Orts- und Sachregister ist, so problematisch ist doch dessen Nutzung, da die Namensansetzungen einem kaum nachvollziehbaren System folgen, das das Auffinden der Personen etwa unter bürgerlichen oder religiösen (Vor- und Nach-)namen, Geburts- oder Wirkungsorten, Ordenszugehörigkeit, Funktionen in vielen Fällen erschwert oder zu einem aufwändigen Ratespiel werden lässt. Deutlich einfacher wären hier normierte Ansetzungsformen gemäß einem einschlägigen Regelwerk, gegebenenfalls mit Verweisungen, gewesen!
Auch die in beiden Bänden enthaltene "Bibliography", ein kombiniertes Verzeichnis von historischen Werken seit dem 16. Jahrhundert und moderner Forschungsliteratur, lässt hinsichtlich der Sorgfalt bei Rechtschreibung, Zitierweise und Doppelaufführung von Titeln in Teil 1 und 2 Wünsche und Fragen offen. Sowohl Register als aus Literaturverzeichnis hätte man sinnvollerweise zusammen an Band 2 gesetzt. Nicht stringent durchdacht ist die Seiten- und Kapitelzählung für beide Teile: Während die Kapitel (I, 1-8; II, 9-16) durchlaufen, setzt die Seitenzahl zweimal an (I, 464 S.; II, 396 S.).
In summa einige bedauerliche formale und gestalterische Mängel, nicht ganz marginal, zumal im Hinblick auf die Zielgruppe!
Trotz dieser Einschränkungen bleibt das Gesamturteil über Mullins vorgelegte Leistung positiv: An dieser umfangreichen Materialsammlung und der klaren, souveränen Analyse, die mit Akribie, enormer Quellenkenntnis und großer Vertrautheit mit der Forschungsliteratur bis zur jüngsten Gegenwart erarbeitet wurde, kommt künftig niemand vorbei, der sich mit der Geschichte des Karmelitenordens im Spätmittelalter und der Persönlichkeit Andreas Corsinis beschäftigt. Sie gehört deshalb in jede wissenschaftliche Bibliothek.
Anmerkungen:
[1] Patrick Mullins: St. Albert of Jerusalem and the roots of Carmelite spirituality (= Textus et studia historica Carmelitana 34), Rom 2012.
Patrick Mullins: The Carmelites and St. Albert of Jerusalem. Origins and identity (= Textus et studia historica Carmelitana 39), Rom 2015.
Patrick Mullins: The life of St. Albert of Jerusalem. A documentary biography (= Textus et studia historica Carmelitana 42, 1/2), Rom 2016.
[2] Giovanni Ciappelli: Edificazione e politica nella nascita (tardiva) di un culto. La Vita di S. Andrea Corsini, in: Tra edificazione e piacere della lettura: Le Vite dei santi in età medievale, a cura di Antonella Degl'Innocenti/Fulvio Ferrari, Trient 1998, 31-52.
[3] Irritierend mutet die dazu von ihm gemachte, wenig hilfreiche Anmerkung zu Beginn seiner Einführung an: "Give the reference here to the edition I have translated, when it is published!!". (Anm. 1, I, 7)
Annelen Ottermann