Stephan Conermann: Islamische Welten: Forschungen zum Mamlukenreich (1250-1517) IV. Einführung, in: sehepunkte 16 (2016), Nr. 7/8 [15.07.2016], URL: https://www.sehepunkte.de
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Von Stephan Conermann
In dem vierten Forum zur Mamlukenzeit [1] finden Sie Rezensionen zu acht sehr spannenden Neuerscheinungen, die wieder einmal zeigen, wie stark dieses Forschungsfeld in den letzten Jahren gewachsen ist. Aufgrund der Quellenlage konzentrieren sich die Mamlukolog/inn/en in erster Linie auf den urbanen Bereich, insbesondere natürlich auf die beiden Metropolen Kairo und Damaskus.
Interessant ist daher der Versuch, einmal eine Geschichte Ägyptens vom 7. bis zum 15. Jahrhunderts konsequent entlang des Nils zu schreiben. [Williams zu Cooper] Aber auch die breite Masse des "normalen" Volkes bietet einen sehr ergiebigen Untersuchungsgegenstand, wenn man die auf uns gekommenen Texte auf entsprechende Fragestellungen hin liest. (Conermann zu Elbendary) Dies gilt ebenso für eine Publikation, in deren Mittelpunkt zahlreiche Formen von mamlukenzeitlicher Kriminalität stehen, wobei sich die Vorstellungen von Verbrechen, Bestrafung und Gerechtigkeit vielfach von unseren post-aufklärerischen Konzepten unterscheiden. [Banister zu Petry] Apropos lesen: Mit dem Katalog der Damaszener-Ashrafiyya-Bibliothek aus dem Ende des 13. Jahrhunderts ist nun ein einmaliges Dokument erschlossen worden, das uns anhand der über 2000 Bücher zeigt, wer was gelesen hat und wie so eine offensichtlich durchschnittliche Lokalbibliothek - möglichst nutzerfreundlich - geordnet und aufgebaut war. [Conermann zu Hirschler]
Ein wichtiger Gelehrter, nämlich Ibn Ḥaǧar al-ʿAsqalānī (gest. 1449), wird gleich in zwei Büchern prominent behandelt. Zum einen liegt nun eine ansprechende Biographie vor (Gharaibeh zu Jaques), zum anderen wurde ein von ihm angefertigte kleine Abhandlung zu einer ganz bestimmten Jerusalemer Stiftung zusammen mit zwei anderen, thematisch verwandten Texten ediert. (Amitai zu Frenkel) Den Kern der Herrschaftselite bildeten die sogenannten "Mamluken", d.h. die aus Mittelasien stammenden Sklaven, die dann in Kairo ausgebildet und freigelassen wurden. Jeder Emir und noch mehr jeder Sultan versuchte, seine Machtbasis durch den Ankauf neuer Mamluken zu stärken, wobei diese um eine zentrale Figur gruppierten Personen in der Regel einen eigenen Korpsgeist und eine eigene Identität entwickelten. Vor diesem Hintergrund ist es sehr spannend, sich einmal anhand von 170 Biogrammen die Geschichte und die Funktion einer bestimmten Gruppe [hier: die Mamluken des Sultans al-Malik al-Manṣūr Qalāwūn (reg. 1279-1290)] anzusehen. (Mauder zu Mazor). Und wie war es um das bestellt, was wir gemeinhin als "Religion" bezeichnen? Eine genaue Analyse von drei Spielarten des Sufismus verdeutlicht, dass wir es hier nicht mit etwas zu tun haben, was dem "eigentlichen" Islam im Grunde widerspricht, sondern mit einer von allen Bevölkerungsgruppen ausgehandelten, geteilten und gelebten Form islamischer Religiosität. (Conermann zu Hofer)
Man sieht: Die Mamlukenforschung ist in voller Bewegung!
Anmerkung:
[1] Vgl. die bisher publizierten FOREN in: sehepunkte 13 (2013), Nr. 4; 14 (2014), Nr. 9; 15 (2015), Nr. 7.