Rezension über:

Karl Galinsky: Augustus. Introduction to the Life of an Emperor, Cambridge: Cambridge University Press 2012, XXIV + 200 S., 3 Kt., 22 s/w-Abb., ISBN 978-0-521-74442-3, GBP 17,99
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Rezension von:
Wolfgang Havener
EXC 16 Kulturelle Grundlagen von Integration / FB Geschichte & Soziologie, Universität Konstanz
Redaktionelle Betreuung:
Matthias Haake
Empfohlene Zitierweise:
Wolfgang Havener: Rezension von: Karl Galinsky: Augustus. Introduction to the Life of an Emperor, Cambridge: Cambridge University Press 2012, in: sehepunkte 13 (2013), Nr. 6 [15.06.2013], URL: https://www.sehepunkte.de
/2013/06/22999.html


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Karl Galinsky: Augustus

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Augustus dürfte sich freuen: Auch knapp 2000 Jahre nach seinem Tod ist das wissenschaftliche Interesse an seiner Person, das bereits Generationen von Althistorikern geprägt hat, ungebrochen. Nahezu jährlich erscheinen neue Biographien [1] und auch an einführenden Werken zu Leben und Zeit des ersten römischen princeps herrscht wahrlich kein Mangel. Für den deutschsprachigen Raum sind dabei noch immer die Arbeiten von Werner Eck und Klaus Bringmann / Thomas Schäfer zu nennen. [2] Dennoch hat Karl Galinsky den Versuch unternommen, "a concise and informative introduction" (xxiv) zu verfassen, die dazu anregen soll, sich weiter mit Augustus zu beschäftigen. Dies ist ihm ohne Zweifel gelungen: Galinsky bietet dem Leser eine Fülle von Themen und eine fundierte, quellenbasierte und eingängig geschriebene Analyse des augusteischen Prinzipats, die sich als Einstiegslektüre durchaus eignet. Herausgekommen ist eine Mischform aus den Werken von Eck und Bringmann / Schäfer, sowohl hinsichtlich des Umfangs wie auch der Machart.

Am auffälligsten dürften dabei die vom Autor in seinem Vorwort extra hervorgehobenen "boxes" sein, deren Ziel es sei "to illustrate how we know what we know" (xxiv). Die Kästen umfassen sowohl übersetzte Quellentexte mit kurzen Deutungen und Literaturhinweisen wie auch kleinere Exkurse, beispielsweise zum Pantheon oder zur Gemma Augustea. Anders als im Buch von Bringmann / Schäfer werden die Quellen dadurch gleichsam in den Fließtext eingebunden, was den Zugriff prinzipiell erleichtert. Zugleich ergibt sich durch diese Methode jedoch das Problem, die ausgewählten Quellentexte auch inhaltlich unmittelbar mit dem Fließtext zu verknüpfen, was Galinsky zumeist gut gelingt. An der ein oder anderen Stelle jedoch scheinen die Quellen eher illustrativen Wert zu haben und man würde sich wünschen, etwas mehr über Hintergründe und Funktion der ausgewählten Texte zu erfahren: Als Beispiel sei hier die Charakterisierung des Munatius Plancus (51f.) bei Velleius angeführt, die im Fließtext lediglich mit den Worten abgefangen wird: "Had he stuck to such talents [nämlich Antonius und Kleopatra beim Gastmahl zu unterhalten] - few, if any, former consuls possessed them - he might have secured a more lasting place at Antony's and Cleopatra's court." (50) Ähnliches gilt für das Rezept einer Medizin gegen nervöse Unruhe, das Livia zugeschrieben wird (114f.), oder einen Kasten mit der Überschrift "What did Cleopatra look like?" (57f.) Es spricht selbstverständlich nichts dagegen, dem Leser auch diese Art des Zugangs zu Augustus und seiner Zeit zu präsentieren - das Erkenntnisinteresse muss dabei jedoch ein anderes sein als beispielsweise bei den Schlusssätzen der Res Gestae, die ebenfalls einen eigenen Kasten erhalten haben. Dessen ungeachtet sind die ausgewählten Quellentexte jedoch einschlägig und tragen dazu bei, die Aussagen im Fließtext verständlicher und nachvollziehbarer zu machen.

Galinsky definiert seinen Gegenstand (ohne diese Herangehensweise explizit zu machen) anhand mehrerer Gegensatzpaare, die sowohl thematisch wie methodisch unterschiedlich gelagert sind. Es gelingt Galinsky dadurch, zahlreiche Felder der Augustusforschung prägnant auf den Punkt zu bringen und zugleich deutlich zu machen, dass sich der princeps selbst keineswegs auf einen einfachen Nenner bringen lässt. Immer wieder führt der Autor die Unterscheidung zwischen Tradition und Innovation an und macht deutlich, dass sich der augusteische Prinzipat auf verschiedensten Gebieten gerade durch die Verbindung dieser beiden Pole auszeichnet: Egal ob in Literatur, Kunst, Architektur oder Politik - immer wieder griff Augustus auf Elemente der römischen (oder griechischen) Tradition zurück und setzte gleichzeitig eigene Schwerpunkte.

Eine damit verbundene und für Galinsky zentrale Unterscheidung ist diejenige zwischen Pragmatismus und Vision des Augustus: "The point is that he was trying to do more than just stay in power or even bring back material prosperity. He was not [...] an ideologue, but he had a definite vision of where he wanted Rome to go." (83) Die Grundlage für diesen Ansatz Galinskys ist das Konzept der Mehrdeutigkeit, das bereits in seinem umfangreichen Werk Augustan Culture im Mittelpunkt stand [3] und das er nun auch auf die Bereiche der Politik und Gesellschaft ausweitet: So betont Galinsky, dass es bei der spezifisch augusteischen Art der Wiederherstellung der res publica nicht in erster Linie um formalrechtliche Fragestellungen gegangen sei, sondern um die Neudefinierung von Werten und um die Entwicklung einer "Constitution Plus" (70).

Grundsätzlich hat Galinsky natürlich vollkommen Recht, wenn er den Fokus auf die Ambiguität oder den experimentellen Charakter vieler Maßnahmen des ersten princeps richtet. Gerade in Hinsicht auf die Grundlagen der augusteischen Herrschaft ergeben sich aus dieser Konzeption jedoch einige Schwierigkeiten: So versucht Galinsky nachzuweisen, dass die Machtposition des Augustus auf zahlreichen verschiedenen Faktoren beruhte (71f.). Er distanziert sich dabei ausdrücklich von der Vorstellung, dass die Kontrolle über die Armee die Basis dieser Machtposition dargestellt habe. Hier muss sich Galinsky jedoch die Frage nach dem Verhältnis von Ursache und Wirkung gefallen lassen: Es ist natürlich korrekt, dass die Kontrolle über den militärischen Bereich sicher nicht die einzige Grundlage für die Stabilität der Stellung des Augustus war. Doch ebenso unzweifelhaft lässt sich konstatieren, dass es genau diese Kontrolle war, die dem princeps letztlich die nötigen Handlungsspielräume erst zur Verfügung stellte.

Eine letzte immer wieder durchscheinende Dichotomie ist die Frage nach "Pro und Contra", die insbesondere das abschließende Kapitel bestimmt (176-186). Ausgehend von Tacitus' Auflistung der guten und schlechten Aspekte der augusteischen Herrschaft plädiert Galinsky dafür, eine schlichte Gegenüberstellung von "Gut und Böse", vom Octavian der Bürgerkriege und dem Augustus des Goldenen Zeitalters, zu überwinden. Anstatt den Fokus nur auf die Frage zu legen, wie Augustus zur Macht gelangt sei und diese gesichert habe, komme es darauf an, das Werk des ersten princeps in seiner Gesamtheit zu analysieren.

Galinsky hat mit seiner Einführung ein Buch vorgelegt, das durchaus dazu einlädt, sich weiter mit Augustus und seiner Zeit zu befassen und das dem Leser die dafür notwendigen Grundlagen liefert. Es bietet insbesondere durch die Auswahlbibliographie am Ende einen Einblick in den englischsprachigen Forschungsstand zu diesem Thema und durch die Quellen zahlreiche Ansätze für eigene Gedanken. Zusammenfassend lässt sich daher festhalten, dass Galinskys Einführung eine gute Ergänzung zu den deutschen Standardwerken von Eck und Bringmann / Schäfer darstellt, ohne diese jedoch zu ersetzen.


Anmerkungen:

[1] Allein im Jahr 2010 erschienen drei umfangreiche Biographien entweder erstmals oder als Neudruck: J. Bleicken: Augustus. Eine Biographie, Reinbek 2010; W. Dahlheim: Augustus. Aufrührer, Herrscher, Heiland. Eine Biographie, München 2010; Z. Yavets: Kaiser Augustus. Eine Biographie, Reinbek 2010.

[2] Vgl. W. Eck: Augustus und seine Zeit. 4. Aufl., München 2006 sowie K. Bringmann / T. Schäfer: Augustus und die Begründung des römischen Kaisertums, Berlin 2002.

[3] K. Galinsky: Augustan Culture. In Interpretive Introduction, Princeton 1996.

Wolfgang Havener