Tanz als kulturelle Ausdrucksform ist im Orient weitgehend beschränkt auf die Formen Sufi-Tanz und Bauchtanz. Die erste Form geht fließend über in eine Art von religiös inspirierter Ekstase-Technik, während die zweite Tanzform historisch eher dem Vergnügen mächtiger Herrscher und Haremseigentümer diente. Ernstzunehmende Tanzformen sind im arabisch-islamisch geprägten Kulturraum wenig vorhanden, unterentwickelt bis unterdrückt. Eine Ausnahme zeigt der neue Film "Pomegranates and Myrrh" von Najma Najjar. Hier spielt eine Tänzerin in ihrer Gruppe die Hauptrolle, ein zeitgenössischen Formen verbundener Choreograph und Tänzer die entscheidende Nebenrolle. In den besetzten palästinensischen Gebieten erscheint dies als völlige Ausnahme; die vorherrschenden Formen sind traditionelle Volkstänze, die vom älteren Tanzlehrer und insbesondere dem Neuankömmling aus Beirut mit zeitgenössischen Formen aufgepeppt werden sollen. Der Film wurde im arabischen Original mit englischen Untertiteln gezeigt.
Der Film spielt in der Umgebung von und in Ramallah unter säkularen christlichen Palästinensern. Es ist die Geschichte von Zaid, dem Olivenbauer, und Kamar, der jungen Tänzerin, die in der gemischten Tanzgruppe vor Ort traditionelle Volkstänze einübt. Es wird angekündigt, dass bald ein neuer Tanzlehrer aus Beirut kommen soll, aus einer der besten zeitgenössischen Truppen im arabischen Raum, um mit der Gruppe zu arbeiten - ungewöhnlich im arabischen Raum, erst recht in ländlicher Umgebung. Man erhofft sich von diesem neuen Tanzlehrer Anregung und Inspiration.
Kamar bereitet ihre Hochzeit mit Zaid vor. Beide freuen sich auf die Verbindung, obwohl Zaid als Olivenbauer als Ehefrau eigentlich eine zupackende Hand für die Plantagen benötigt. Man sieht es nicht so gern, dass eine Frau tanzen geht, während ihr Mann auf dem Acker arbeitet und die Ernte einholt. Kamar erhält von Zaids Vater ein kleines Fußkettchen aus Gold als Geschenk. Zaid ist ein aufgeschlossener Mann, der seiner Frau das Tanzen erlaubt und sie sogar ermuntert, es weiterhin zu tun - selbst, als er nach einem Einmarsch des israelischen Militärs gefangen genommen wird und im Knast landet. Das junge Paar leidet unter der Trennung, die Besuche im Gefängnis sind seelisch für alle Beteiligten anstrengend. Anrührend ist eine Szene, als die junge Ehefrau ihren Mann hinter Gittern bittet, sie doch zu küssen, worauf er sich einlässt - doch der Zungenkuss mit Eisenstäben dazwischen ruft sogleich die Ordnungshüter in Gestalt der Gefängniswärter auf den Plan, die diese Intimität sofort untersagen. Kamar beginnt, mit dem neuen Tanzlehrer neue Bewegungsformen zu erproben, wovon sie lange geträumt hat. Besonders wichtig sind die Übungen, sich fallen zu lassen - eine Vertrauensübung, die ihr nicht leicht fällt. Schließlich gelingt es ihr. Man kommt sich näher, Kamar gefällt dem Tanzlehrer, der Beirut und seine Truppe verließ, weil es die einzige Art war, als Tanzlehrer wieder in die Heimat und sein Land zurück zu kehren. Er hat alles verloren; nun fürchtet er, er könne auch Kamar verlieren, die ihm gefällt und mit der er gut arbeiten kann. Sie gibt ihm Halt und Hoffnung; das will er sich nicht wieder nehmen lassen. Kamar freut sich sehr über die unerwartete Freilassung ihres Mannes und bleibt bei ihm, tanzt aber weiter.
"Pomegranates and Myrrh" zeigt den Nahostkonflikt in unspektakulärer Weise, ebenso wie den Mut der Bevölkerung am Beispiel einer Frau - einer älteren, aber immer noch äußerst attraktiven Kaffeehaus-Besitzerin -, sich den schwer bewaffneten Soldaten nur mit Worten entgegen zu stellen, sie aufzufordern, ihre Gewehre abzulegen, man wolle Frieden und endlich in Ruhe arbeiten können! Sie weist die israelischen Soldaten heftig zurecht: Hier, in Ramallah, würde man Arabisch sprechen, nicht Hebräisch. Das Finale bildet, nach der unerwarteten, rechtzeitigen Freilassung von Zaid aus dem Gefängnis, eine erste Tanzaufführung des Ensembles unter der Leitung des neuen Tanzlehrers auf einer provisorischen Freiluftbühne mit dem Titel: "Granatäpfel und Myrrhe". Zaid kommt gerade rechtzeitig, um seine Frau auf der Bühne zu sehen, nachdem er in der Olivenölmühle ihr verlorenes Fußglöckchen auf dem Boden gefunden hat - das ihm bestätigt, das sie sich während seiner Zeit im Gefängnis um die Olivenernte gekümmert hat. Ein vergleichsweise ruhiger Film, der ohne offene Gewalt und Blutvergießen auskommt und dem Konflikt zwischen Palästinensern und Israelis die kreative, künstlerische Kulturarbeit entgegensetzt.