Holger Löttel: Um Ehre und Anerkennung. Englandbilder im amerikanischen Süden und die Außenpolitik der Konföderation (= Transatlantische Historische Studien; Bd. 36), Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2009, 468 S., ISBN 978-3-515-09334-7, EUR 55,00
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Nichts hat das Bild der amerikanischen Südstaaten im Blick der breiten Öffentlichkeit so sehr geprägt wie der auf Margaret Mitchells Klassiker basierende Film "Vom Winde verweht". Auch wenn der Film den alten Süden romantisch verklärt und den Southern Gentleman und die Southern Belle überhöht, sind die Konföderation, Ehre und Freiheit eng miteinander verknüpft. Dies war auch bereits Zeitgenossen, nicht immer positiv, aufgefallen. Mark Twain schreibt 1883: "There [in the South], the genuine and wholesome civilization of the nineteenth century is curiously confused and commingled with the Walter Scott Middle-Age sham civilization; and so you have practical, common-sense, progressive ideas, and progressive works; mixed up with the duel, the inflated speech, and the jejune romanticism of an absurd past that is dead, and out of charity ought to be buried." [1] Twain nennt auch die Wurzel des von ihm ausgemachten Übels: der Blick nach England und die Lektüre britischer Literatur. Dass es sich hierbei nicht nur um die Sicht eines humoristischen Autors handelt, zeigt nun Holger Löttel in den Transatlantischen Historischen Studien. Mit "Um Ehre und Anerkennung" legt der Autor eine gelungene Analyse der Vorstellungen von Ehre, Freiheit und Sklaverei in den Südstaaten sowie deren Englandbild vor. Er zeigt, ähnlich wie Robert E. Bonner [2], dass sich die Pflanzeraristokratie des Südens eine eigene Vorstellungswelt schuf, die oft mit der Realität kaum mehr etwas zu tun hatte.
Der vorliegende Band gliedert sich thematisch in zwei Schwerpunkte: die Kultur- und Politikgeschichte des Südens sowie dessen Beziehungen zu Großbritannien. Löttel stellt seine Untersuchung hierzu auf eine breite Quellenanalyse, wobei er besonderes Augenmerk auf die Heterogenität der Sezessionisten legt. Mit Thomas Jefferson, den Abgeordneten William C. Rives und James Henry Hammond, dem Geistlichen James Thornwell und nicht zuletzt dem Präsidenten der Konföderierten Staaten von Amerika, Jefferson Davis, rückt er prägende Akteure des Südens in den Mittelpunk. So zeichnet er den Weg der Sklaverei von einem "necessary evil" zu einem "postive good" ebenso nach, wie die anglophoben (Virginia) und anglophilen (South Carolina) Strömungen in der Gesellschaft der Südstaaten. Einerseits orientierte man sich im Süden an der englischen Elite, andererseits pflegte man tiefe Ressentiments. Thomas Jefferson war der Meinung, "that an American coming to Europe for education loses in his knowledge, in his morals, in his health, in his habits, and in his happiness" (33). 1781 kritisierte Thomas Jefferson in seinen "Notes on the State of Virginia" den "unglücklichen Einfluss", den die Sklaverei auf die Gesellschaft habe. Löttel zeigt, wie es Jefferson bereits in einer Urfassung der Unabhängigkeitserklärung gelungen war, "von der Sklaverei zu reden und von den Sklavenhaltern zu schweigen, die Schuld der Briten am Sklavenhandel anzuprangern und zugleich jene zu ignorieren, die Sklaven zur Arbeit auf ihren Plantagen erwarben." (55)
Ehre als das verbindende Element (41) zeigte sich auch, so der Autor, 1836 als Andrew Stevenson mit Großbritannien über schiffbrüchige Sklaven verhandelte und Englands beharren auf das Völkerrecht als Angriff auf den südstaatlichen Freiheits- und Ehrbegriff sah (102f.). James H. Hammond verknüpfte im selben Jahr den Ehrbegriff indirekt mit der Sklaverei: "Slavery does indeed create an aristocracy - an aristocracy of talents, of virtue, of generosity, and courage. In a slave country every freeman is an aristocrat" (130). Wie Löttel zeigt, ging Hammond soweit, die Gesellschaft im Süden als die einzig zukunftsfähige im atlantischen Raum zu sehen: "Nicht der organisch gewachsene, traditionsbewusste Süden war eine Abnormalität, sondern die egalitären und abolitionistischen Sozialentwürfe Englands und Neuenglands" (141). Diese Utopie eines allen überlegenen Südens schlug sich schließlich im Glauben an "King Cotton", gegen den niemand es wagen würde einen Krieg zu führen, nieder. Dieser Glaube führte mit zur Fehleinschätzung der englischen Reaktionen auf die Sezession, und zeigte, dass das Englandbild der Sezessionisten mindestens ebenso verzerrt war, wie ihre Selbstwahrnehmung. England war weitaus weniger auf die konföderierten Baumwollexporte angewiesen, und maß der Sklaverei weitaus größeres Gewicht bei, als man es im Süden erkennen wollte. Jefferson Davis "nationale Sprache" mit der er "die Dialektik zwischen Sklaverei und Freiheit im republikanischen Denken bekräftigte" (286), konnte letztlich nur den Süden selbst überzeugen.
Holger Löttel legt mit "Um Ehre und Anerkennung" ein überzeugendes, detailreiches und fundiertes Werk vor, dem es gelingt die Vereinbarkeit von scheinbaren Widersprüchen wie Freiheit und Sklaverei sowie Anglophobie und Anglophilie mit der besonderen politischen und kulturellen Entwicklung der Südstaaten und ihrem eigenen Ehrbegriff zu erklären. "Um Ehre und Anerkennung" trägt viel zum besseren Verständnis der von Mark Twain so scharf kritisierten Gesellschaft bei, und ist uneingeschränkt zu empfehlen.
Anmerkungen:
[1] Mark Twain: Life on the Mississippi [1883], New York: Signet Classic, 2001, 241.
[2] Robert E. Bonner: Mastering America. Southern Slaveholders and the Crisis of American Nationhood, Cambridge 2009. Vgl. hierzu meine Rezension in sehepunkte 10 (2010), Nr. 7/8, URL: http://sehepunkte.de/2010/07/17048.html
John Andreas Fuchs