Annette Katzer: Araber in deutschen Augen. Das Araberbild der Deutschen vom 16. bis zum 19. Jahrhundert, Paderborn: Ferdinand Schöningh 2008, 518 S., ISBN 978-3-506-76400-3, EUR 49,90
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Die vielseitige Wissenschaftlerin Annette Katzer befasst sich in ihrem umfassenden Werk mit dem Wandel des deutschen Araberbildes von der frühen Neuzeit bis zum 19.Jahrhundert. Ziel der Autorin ist es, die Fragen nach den Ursachen für die Herausbildung von Stereotypen gegenüber den Arabern zu beantworten. Zu diesem Zweck untersucht sie die Quellen, die als Grundlage für Kenntnisse der arabischen Welt dienten und die Art ihrer Verbreitung. Weitere Gesichtspunkte sind der gesamtpolitische Rezeptionskontext der Quellentexte und die Biografien der jeweiligen Verfasser. Dass das Araberbild der Deutschen in vierhundert Jahren einem starken Wandel unterworfen war, zeigt die Autorin in prägnanter Weise, indem sie Quellen aus dem 19. Jahrhundert hinzuzieht.
Obwohl das Werk von Katzer sich nicht als Beitrag zur Islamwissenschaft oder Arabistik versteht, ist es gerade in diesen Bereichen bedeutend für die Forschung. Die Studie verdeutlicht nämlich die soziokulturellen Ursachen, welche die Wahrnehmung des Fremden beeinflussen. Dies ergibt sich aus dem Bemühen der Autorin, Stereotype differenzierter darzustellen, indem sie ergänzend auf Quellentexte von anderen europäischen Reisenden zurückgreift und ihre Rezeption analysiert. Auf diese Weise öffnet Katzer einen bisher in der Orientalistik eher marginalisierten Quellenkorpus für weitere Untersuchungen, Pilger- und Forschungsberichte. Außerdem ist ihre Studie sozialwissenschaftlich von Bedeutung, da sie die Thematik der Stereotypisierung aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet. Schließlich kann das Werk insofern als Neuland angesehen werden, als es erstmals deutsche Quellen des 16. bis 19. Jahrhundert ins Zentrum stellt.
Im Wesentlichen verwendet die Autorin zwei Quellengattungen: Reiseberichte sowie Nachschlagewerke. Erstere stammen von deutschen Jerusalempilgern und Forschern, welche deren Araberbild durch die direkte Beobachtung geprägt ist. Bei den Nachschlagewerken handelt es sich um Lexika und Enzyklopädien, die auf der Basis von Reiseberichten entstanden, ohne dass ihre Autoren die Araber kannten. Ergänzend hat Katzer Berichte anderer europäischer Reisender hinzugezogen, die ins Deutsche übersetzt wurden.
Um ausreichend Quellentexte für die frühe Neuzeit zu haben, hat die Autorin einen breiten Zeitrahmen gewählt. Das 19. Jahrhundert stellt dazu eine Erweiterung dar, um anhand ausgewählter Werke den Wandel des Araberbildes zu verdeutlichen und einen direkten Vergleich zu ermöglichen. So analysiert Katzer die Auswirkungen von Aufklärung und Humanismus in der frühen Neuzeit einerseits und der industriellen Revolution im 19. Jahrhundert andererseits bei der Bildung von Stereotypen.
Insgesamt gliedert sich das Werk neben Einleitung und Schluss in zwei Hauptkapitel mit je vier Unterkapiteln, die jeweils demselben Gliederungsschema folgen. Zunächst widmet sich Katzer der Islamrezeption der Deutschen. Ein weiterer Punkt ist dann die Frage nach der kulturellen und sprachlichen Auseinandersetzung mit dem Arabischen. Drittens stellt die Autorin wichtige Reisende vor und analysiert deren Araberbild. Abschließend geht sie auf die Rezeptionsgeschichte dieses Bildes ein und prüft, welche Informationen die Verfasser von Kompendien als bedeutend ansahen.
Im jeweils dritten Unterkapitel zu den Reiseberichten geht die Autorin besonders differenziert vor. Nach der biografischen Vorstellung der einzelnen Autoren analysiert sie deren Berichte hinsichtlich verschiedener Aspekte wie Bezeichnungen, Kleidung, politische und gesellschaftliche Ordnung. Indem Katzer Reisenden aus verschiedenen Perioden das Wort erteilt, ermöglicht sie es dem Leser, Ursachen für Stereotypen oder Vorurteile nachzuvollziehen und deren Entwicklung zu verstehen. Dieses zentrale Anliegen ihrer Studie wird in doppelter Weise deutlich. Einmal innerhalb des ersten Hauptkapitels zur frühen Neuzeit durch die Hervorhebung des Forschungsreisenden Niebuhr gegenüber anderen Reisenden und erneut durch den Vergleich mit dem 19. Jahrhundert, also der beiden Hauptkapitel.
Auch im vierten Unterkapitel zu kompilatorischen Werken folgt Katzer dieser Methode. Sie stellt zunächst die verschiedenen Nachschlagewerke wie Lexika und Enzyklopädien vor, dann analysiert sie deren Entwicklung und Rezeptionskontext. Ziel der Autorin ist dabei herauszuarbeiten, was als wissenswert bezüglich der Araber angesehen wurde.
Insgesamt bietet Annette Katzer dem Leser einen umfassenden Einblick in die verschiedenen Facetten des deutschen Araberbildes vom 16. bis zum 19. Jahrhundert und die Gründe für Stereotypisierungen. Nachteilig auf den Lesefluss wirkt sich allerdings das häufige Zitieren von Originalquellen aus der frühen Neuzeit aus, deren Deutsch aus heutiger Sicht oft schwer verständlich ist. Gleiches gilt für die Verwendung fremdsprachiger Zitate im Fließtext. Positiv sind dagegen die jeweiligen Resümées an den Kapitelenden sowie die thematische und methodologische Kurzeinführung zu Beginn von Großabschnitten. Beides veranschaulicht dem Leser den Gesamtkontext.
Die Studie verdeutlicht die Entstehung und Entwicklung von Stereotypen und bekommt damit ein hohes Maß an Aktualität für das gegenwärtige Verhältnis von westlicher und islamischer Welt. Daher kann ihre Lektüre nur empfohlen werden.
Tonia Schüller