Guido Braun: Von der politischen zur kulturellen Hegemonie Frankreichs 1648-1789 (= WBG Deutsch-Französische Geschichte; Bd. 4), Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2008, 288 S., ISBN 978-3-534-14702-1, EUR 69,90
Buch im KVK suchen
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Axel Gotthard: Der Dreißigjährige Krieg. Eine Einführung, Stuttgart: UTB 2016
Herfried Münkler: Der Wandel des Krieges. Von der Symmetrie zur Asymmetrie, Weilerswist: Velbrück 2006
Klaus Malettke / Ullrich Hanke (Hgg.): Zur Perzeption des Deutschen Reiches im Frankreich des 17. Jahrhunderts. Théodore Godefroy: Description de l'Alemagne, Münster / Hamburg / Berlin / London: LIT 2002
Guido Braun / Antje Oschmann / Konrad Repgen (Bearb.): Die Friedensverträge mit Frankreich und Schweden. Teilband 2: Materialien zur Rezeption, Münster: Aschendorff 2007
Guido Braun: La connaissance du Saint-Empire en France du baroque aux Lumières 1643-1756, München: Oldenbourg 2010
Guido Braun (Hg.): Assecuratio pacis. Französische Konzeptionen von Friedenssicherung und Friedensgarantie 1648-1815, Münster: Aschendorff 2011
Der Band ist der vierte innerhalb der auf elf Bände angelegten Deutsch-Französischen Geschichte, die im Namen des Deutschen Historischen Instituts herausgegeben wird und vom Frankenreich bis in die Gegenwart reicht. Dieser vierte Band behandelt wichtige Etappen der beiderseitigen Beziehungen in den rund 140 Jahren zwischen Westfälischem Frieden und Französischer Revolution. Damit deckt er exakt den gleichen Zeitraum ab wie Bertrand Auerbachs große, nach wie vor bedeutende Darstellung von 1912. [1] Beim Vergleich beider Werke wird ein Problem deutlich: Konnte Auerbach seine politisch-diplomatisch und verfassungsrechtlich ausgerichtete Studie noch auf 485 Seiten ausbreiten, so stehen Guido Braun zur Präsentation seines Gegenstands unter den diversen zwischenzeitlich entwickelten Fragestellungen, bedingt durch die Vorgaben der Reihe, gerade etwas mehr als die Hälfte an Seiten zur Verfügung. Dass dies für den Autor selbst unbefriedigend ist, lässt er einleitend erkennen, wenn er das Unterfangen um seiner Kürze willen ein "Abenteuer" nennt (9) und darauf verweist, den ursprünglichen Entwurf des Buches um zwei Fünftel gekürzt zu haben (13).
Im Aufbau der einzelnen Bände unterliegen die Autoren der Deutsch-Französischen Geschichte gleichen Vorgaben, und so ist dieser Band wie die anderen aufgeteilt: in einen Überblick, in Fragen und Perspektiven und eine rund 40-seitige Bibliographie. Der Überblick der deutsch-französischen Beziehungen zwischen 1648 und 1789 präsentiert sich konventionell, an den politisch-diplomatischen Ereignissen, namentlich Kriegen und Bündnissen, entlang erarbeitet. Dass man die vorgegebene Gliederung auch anders umsetzen kann, zeigt der zeitgleich erschienene Folgeband der Reihe von Bernhard Struck und Claire Gantet, der die Epoche der deutsch-französischen Geschichte zwischen 1789 und 1815 nicht von der Politik, sondern vom Raum, vom Nationenbegriff und von der Gesellschaft her schreibt. [2] Im Überblicks-Teil bei Braun kommen dagegen gesellschaftliche Gruppen in ihren transnationalen Verflechtungen nur dort vor, wo sie, wie im Fall der Auswanderung der Hugenotten nach der Aufhebung des Edikts von Nantes 1685, unmittelbares Objekt obrigkeitlichen Handelns waren. Wie schon der Titel des Bandes erkennen lässt, ist der Überblick der Geschichte der Beziehungen aus der Perspektive einer wachsenden französischen Expansion unter Ludwig XIV. bis zum allmählichen politischen Rückzug Frankreichs aus dem Reich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts geschrieben. Der Überblick ist eine solide, aber sehr knappe Darstellung auf der Basis aktueller Forschung.
Im zweiten Teil geht Braun dann auf Fragestellungen und Ansätze der aktuellen Forschung ein, die dem Fachhistoriker eher interessante Einblicke bieten können: die Frage nach der Benennung des Zeitalters, seit insbesondere der Begriff des 'Absolutismus' in die Kritik geraten ist, die deutsch-französischen Beziehungen in Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur, die Frage der beiderseitigen Sprache(n) und der gegenseitigen Wahrnehmung und schließlich nach der Einordnung der behandelten Epoche in Historiographie und Erinnerungskultur. Insbesondere die relativ neuen Forschungsansätze zur Sprachenverwendung und zu Übersetzungen, zur deutschen und französischen Presse oder zum französischen Deutschlandbild respektive zum deutschen Frankreichbild zeigen beeindruckend, wie anregend die deutsch-französischen Beziehungen unter neuen Fragestellungen geschrieben werden können, und dass alte Klischees wie die allgemeine Verbreitung der französischen Sprache in Deutschland nach dem Westfälischen Frieden durchaus zu hinterfragen sind.
Insgesamt handelt es sich um ein solides Handbuch, das besonders historisch interessierte Nicht-Historiker, aber auch junge Studierende der Geschichte ansprechen dürfte, die erfahrungsgemäß gerade für die Frühe Neuzeit kaum noch auf schulischem Wissen aufbauen können. Unter diesem Aspekt ist es ein tragfähiges Konzept, zunächst einen politischen Überblick zu bieten und dann erst an moderne, diesem Leserkreis oft noch gar nicht vertraute Fragestellungen heranzuführen. Leser mit einem breiteren Anspruch werden dagegen eher den zweiten Teil mit Gewinn rezipieren, auch wenn ob der Kürze Lücken unvermeidlich sind: So ist der Kulturbegriff selbst weitgehend höfisch orientiert, auch die bildende Kunst spielt kaum eine Rolle, obwohl gerade dieser Aspekt durch die große deutsch-französische Ausstellung "Französische Meisterwerke des 17. und 18. Jahrhunderts in deutschen Sammlungen" 2005/06 einer breiteren Öffentlichkeit noch besonders präsent sein dürfte. [3]
Das Handbuch wird abgerundet durch eine Zeittafel und ein Personenregister, leider gibt es kein Orts- und Sachregister, was angesichts der diversen nicht-personalen Fragestellungen angemessen wäre. Die Gesamtbewertung des Bandes ist letztlich eine Frage der Perspektive: Die Gedrängtheit der Darstellung kann, je nach Interesse, als zugleich größter Vorteil wie größter Nachteil bezeichnet werden.
Anmerkungen:
[1] Bertrand Auerbach: La France et le Saint Empire Romain Germanique (depuis la Paix de Westphalie jusqu'à la Révolution Française), (= Bibliothèque de l'Ecole des Hautes Études 196), Paris 1912 (Reprint: Genf / Paris 1976).
[2] Bernhard Struck / Claire Gantet: Revolution, Krieg und Verflechtung, 1789-1815 (= WBG Deutsch-Französische Geschichte, Bd. 5), Darmstadt 2008.
[3] Pierre Rosenberg: Poussin, Lorrain, Watteau, Fragonard... Französische Meisterwerke des 17. und 18. Jahrhunderts aus deutschen Sammlungen. Eine Ausstellung der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland (Bonn), der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen (München), der Stiftung Haus der Kunst (München), und der Réunion des Musées Nationaux (Paris) in Zusammenarbeit mit dem Musée du Louvre (Paris), Ostfildern 2005; ders./David Mandrella: Gesamtverzeichnis Französischer Gemälde des 17. und 18. Jahrhunderts in deutschen Sammlungen, Bonn/München 2005.
Anuschka Tischer