Donald Quataert: The Ottoman Empire 1700-1922, Second edition, Cambridge: Cambridge University Press 2005, xxii + 212 S., ISBN 978-0-521-54782-6, GBP 14,99
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Ein Blick in die Schulbücher europäischer Staaten zeigt, dass dem Osmanischen Reich im Geschichtsunterricht meist wenig Platz eingeräumt wird. Dieses Defizit ist deshalb umso erstaunlicher, als die große Mehrheit der Kinder mit "Migrationshintergrund" aus Ländern stammt, deren Territorien einst zum Imperium der Sultane gehört hatten. In den wenigen Passagen über die Geschichte dieser Großmacht werden häufig stereotype Vorstellungen erkennbar, die sich nicht zuletzt in der Bezeichnung des Osmanischen Reiches als "Türkei" und die seiner Führungs- und Trägerschicht als "Türken" niederschlagen.[1]
Vor diesem Hintergrund gewinnen Darstellungen über die Geschichte dieses Imperiums eine besondere Bedeutung, die sich an Schüler und "undergraduate students" wenden. Insbesondere an die letztgenannte Zielgruppe ist die von Suraiya Faroqhi im Jahre 1999 vorgelegte Einführung in die osmanische Geschichte adressiert [2], in der zentrale Fragestellungen und die wichtigsten Quellengattungen zur osmanischen Geschichte vorgestellt werden.
Eine andere Konzeption wählte Donald Quataert, dessen Studie in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert ist. Sie erschien in der Reihe New Approaches to European History, wodurch die von der neueren historischen Forschung betonte enge Einbindung des Osmanischen Reiches in die frühneuzeitliche europäische Staatenwelt unterstrichen wird. [3] Der zunehmend komparative Blick auf die osmanische Geschichte und deren Verortung sowohl in die europäische als auch in die globale Geschichte bilden ein wichtiges Moment in Quataerts Darstellung, dem sogar ein eigenes Kapitel (The Ottomans and their wider world, 75-89) gewidmet ist. Ohne die Anfänge und den Aufstieg des Osmanischen Reiches zur Weltmacht zu vernachlässigen (13-36), konzentriert sich der Autor insbesondere auf den Zeitraum von 1700-1922 (37-74). Die Geschichtsschreibung folgte lange Zeit dem Aufstiegs- und Niedergangsmodell, um die Geschichte von Imperien zu beschreiben und entsprechend dieser Konzeption wurden die Jahre zwischen 1683 und 1923 als eine Epoche des Verfalls betrachtet. Die neuere Imperienforschung weicht zusehends von diesem rise and fall Paradigma ab und bemüht andere Ansätze wie beispielsweise das Zyklenmodell [4], die eine genauere Darstellung der Geschichte von Reichen ermöglichen. Auch Donald Quataert folgt dieser Entwicklung und zeigt die unterschiedlichen politischen, wirtschaftlichen, sozialen und militärischen Transformationsprozesse auf, die das Osmanische Reich im Verlauf seiner Geschichte durchlief und die ihm trotz territorialer Verluste seit dem späten 17. Jahrhundert immer wieder Phasen der Konsolidierung ermöglichten. Dies verdeutlicht die thematische Breite der Darstellung, die sich eben nicht nur auf die militärischen und politischen Entwicklungen beschränkt. In gesonderten Kapiteln (Ottoman society and popular culture, 142-173; Inter-communal co-operation and conflict, 174-194) ermöglicht sie Schülern und Studierenden Einblicke in die osmanische Gesellschaft, in deren Realität die LeserInnen den Gegensatz zu vorherrschenden Stereotypen gut erkennen können. Insbesondere in Bezug auf gegenwärtige politische Prozesse in den Territorien, die einst zum Imperium der Osmanen gehört hatten, stellt sich die Frage nach der Wirkungsmächtigkeit osmanischer Geschichte, auf die auch Donald Quataert in einem abschließenden Kapitel (Legacies of the Ottoman Empire, 195-202) Bezug nimmt und die ebenso zu den zahlreichen Gründen zu zählen ist, warum die Geschichte dieses Reiches (Why study Ottoman history?, 1-13) studiert werden sollte.
Die Darstellung zeichnet sich durch einen hohen Grad an Benutzerfreundlichkeit aus, wozu neben einem ausführlichen Index (203-212) vor allem die Gestaltung der einzelnen Kapitel beiträgt. Sie beginnen jeweils mit einer kurzen Einführung und enden mit einer Bibliographie, in der die für die behandelte Fragestellung wichtigsten englischsprachigen Titel aufgeführt sind. Für die Leserinnen und Leser sind außerdem eine Genealogie der osmanischen Dynastie und eine Chronologie der osmanischen Geschichte von 1260 bis 1923 wichtige Informationsquellen.
Diese sowohl inhaltlich als auch konzeptionell überzeugende Darstellung wird eine unverzichtbare Lektüre im Schul- und Universitätsstudium werden und hoffentlich einen wichtigen Impuls für eine angemessene Berücksichtigung der osmanischen Geschichte geben.
Anmerkungen:
[1] Andreas Helmedach: Pulverfass, Powder Keg, Baril de Poudre? Südosteuropa im europäischen Geschichtsbuch/South Eastern Europe in European History Textbooks. Hannover 2007, 311-312.
[2] Suraiya Faroqhi, Approaching Ottoman History. An Introduction to the Sources. Cambridge 1999.
[3] Suraiya Faroqhi, The Ottoman Empire and the World around it. Cambridge 2004 beschreibt die vielfältigen Verbindungen.
[4] Siehe dazu Herfried Münkler, Imperien. Die Logik der Weltherrschaft - vom Alten Rom bis zu den Vereinigten Staaten. Berlin 2005.
Markus Koller