Claudia Rapp: Holy Bishops in Late Antiquity. The Nature of Christian Leadership in an Age of Transition, Oakland: University of California Press 2005, xii + 346 S., ISBN 978-0-520-24296-8, GBP 32,50
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Claudia Rapp wendet sich mit ihrem Buch gegen einen in der Moderne weit verbreiteten Forschungsansatz, bei der Betrachtung der Rolle des Bischofs einen Gegensatz zwischen weltlicher und religiöser Sphäre zu sehen und beide Bereiche voneinander zu trennen. Damit einhergehend setzt sie sich kritisch mit der These auseinander, dass die Regierungsübernahme Kaiser Konstantins einen abrupten Wandel im Selbstverständnis des Bischofsamtes bedeutet habe. Rapps These besteht nun darin nachzuweisen, dass sowohl die weltliche als auch die religiöse Sphäre von Anfang an eine untrennbare Einheit darstellten, wobei diese im Laufe der Jahrhunderte natürlich einer kontinuierlichen Entwicklung unterworfen war. Die Texte, die sie für ihre Untersuchung ausgewertet hat, stammen aus dem 3. bis 6. Jahrhundert n. Chr., aus dem Westen und Osten des Römischen Reiches. Die Untersuchung stellt ein ambitioniertes Unterfangen dar, für das die Verfasserin aber bestens gerüstet ist, da sie sich schon seit über 15 Jahren im weitesten Sinne mit Hagiographien und den Kirchenvätern aus spätantik-byzantinischer Zeit beschäftigt hat.
Anstelle einer Trennung der bischöflichen Amtsgewalt in einen weltlichen und religiösen Bereich schlägt Rapp ein neues Modell vor: Der Bischof verfügt über eine spirituelle, eine asketische und eine pragmatische Autorität, wobei der asketischen Autorität die größte Bedeutung zukommt, da sie eine Art Bindeglied zwischen den anderen beiden darstellt. Vorbildlich-asketisches Handeln ist einerseits die Voraussetzung dafür, dass man das göttliche Pneuma erhält, und dient andererseits als Legitimation, öffentlich für eine andere Gruppe handeln zu können (16-18).
Im ersten Teil ihres Buches (23-152) werden diese drei 'Autoritäten' zunächst auf der Grundlage von Äußerungen der Kirchenväter kapitelweise abgehandelt. Dabei wird aus der Untersuchung immer wieder deutlich, dass schon aus frühen Zeugnissen hervorgeht, wie eng diese drei Kategorien miteinander zusammenhängen, so z.B. wenn die Exegeten von 1. Timotheos 3.1-7 betonen, dass pragmatische Autorität des Bischofs auf asketischer Autorität basieren müsse (32ff.) oder dass bei den Gebeten für das Vergeben von Sünden spirituelle und asketische Autorität zusammenkommen (92ff.). Integriert in die Untersuchung wird dabei in durchaus fruchtbarer Weise die Rolle des "heiligen Mannes" (holy man).
Der zweite Teil der Untersuchung (153-289) wechselt dagegen den Fokus, weg von den theoretischen Grundlagen hin zum Alltag des Bischofs in der Stadt. Und auch hier wird der Bischof nicht isoliert für sich, sondern im Spannungsfeld zwischen den "heiligen Männern" auf der einen und prominenten Bürgern auf der anderen Seite betrachtet. So kommt Rapp gerade vor der Folie dieser beiden anderen Gruppierungen zu dem Ergebnis, dass z.B. der Einsatz finanzieller Mittel (223ff.) oder das Eintreten vor dem Herrscher (260ff.) als konkrete Ausformungen pragmatischer Autorität in der Person des Bischofs durch seine asketische Autorität begründet werden.
Gleichwohl waren die genannten Autoritäten im Amt des Bischofs nicht immer in gleicher Weise wichtig und damit sichtbar. Denn im Laufe der Jahrhunderte veränderte sich sehr wohl das Selbstverständnis und der Aufgabenbereich der Bischöfe, "from Model Christians to Model Citizens" (275). Vom 4. Jahrhundert n. Chr. an bildeten sie eine eigene Klasse innerhalb der städtischen Eliten mit ganz spezifischen administrativen Funktionen. Die pragmatische Autorität wurde folglich immer wichtiger, die asketische und spirituelle trat dagegen in den Hintergrund.
Und doch verschwanden diese beiden Arten der Autorität nie aus dem Bewusstsein der zeitgenössischen Bevölkerung. In einem Epilog (290-302) geht Rapp in knappen Worten auf die bio- bzw. hagiographische Darstellung von Bischöfen ein. Dabei zeigt sich noch einmal abschließend, dass in den Texten neben ihren Aktionen und Funktionen (pragmatische Autorität) auch ihre spirituelle und asketische Autorität in verschiedenen Ausformungen zur Sprache kommen. An dieser Stelle schließt die Autorin für uns also den Kreis, dass das Bischofsamt trotz aller Wandlungen und Entwicklungen nur verstanden werden kann vor der Einheit von pragmatischer, spiritueller und asketischer Autorität, d.h. vor der Einheit von religiöser und weltlicher Sphäre.
Dieser knappe Überblick dürfte gezeigt haben, dass die vorliegende Studie durchaus umfassend und komplex angelegt ist. Die Verfasserin beeindruckt mit einer Fülle von Belegen und ihrer Kenntnis des Sachverhaltes. Doch diese Stärke, das sei hier angemerkt, ist gleichzeitig auch eine Schwäche des Buches, zumindest was seine Verständlich- und damit auch seine Benutzbarkeit angeht. Zwei Punkte seien hier genannt: Zum einen fehlt dem Rezensenten bisweilen der rote Faden in der Argumentation. Die einzelnen Kapitel machen mitunter vielmehr den Eindruck unabhängiger Einzeluntersuchungen. Zum anderen erfordert die Lektüre aufgrund der Bandbreite der Untersuchung ein nicht geringes Vorwissen beim Leser. Es wäre daher vielleicht zu überlegen gewesen, in der Einleitung etwas ausführlicher und zudem noch detaillierter den neuen Ansatz einschließlich der drei Autoritäts-Kategorien, die in dieser Zusammenstellung wohl auf die Autorin zurückgehen, vorzustellen.
Des Weiteren ist sich der Rezensent dessen bewusst, dass bei einem derart umfassenden Ansatz nicht jede Veröffentlichung zum Thema Bischöfe in der Antike Berücksichtigung finden kann. [1] Zumindest aber im Forschungsüberblick (11) war die Untersuchung von Susanne Baumgart über die Ursprünge der Stadtherrschaft der gallischen Bischöfe durchaus erwartet worden, da sie gerade thematisch enge Anknüpfungspunkte bietet. [2]
Diese Monita berühren aber natürlich nicht die Substanz der Untersuchung. Denn zweifellos ist es ihr Verdienst, ein neues Modell für das Verständnis episkopaler Macht in der Spätantike vorgestellt zu haben. Dass die These bereits kurz nach Erscheinen des Buches auf großes Interesse in der Forschungslandschaft gestoßen ist, zeigt nicht zuletzt seine Wahl durch die H-Soz-u-Kult-Jury "Das Historische Buch 2006" in der Kategorie Alte Geschichte auf Platz 4. Es ist davon auszugehen, dass "Holy Bishops in Late Antiquity" auch darüber hinaus der Forschung wertvolle Anregungen und Impulse geben und im Weiteren fruchtbare Diskussionen anregen wird.
Anmerkungen:
[1] Vgl. auch die Rez. von Richard Klein, in: Gnomon 79 (2007), 571f.
[2] Susanne Baumgart: Die Bischofsherrschaft im Gallien des 5. Jahrhunderts. Eine Untersuchung zu den Gründen und Anfängen weltlicher Herrschaft der Kirche, München 1995.
Oliver Overwien