Andreas Rödder: Die Bundesrepublik Deutschland 1969-1990 (= Oldenbourg Grundriss der Geschichte; Bd. 19 A), München: Oldenbourg 2004, XV + 330 S., ISBN 978-3-486-56697-0, EUR 24,80
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Der in der Reihe Oldenbourg Grundriß der Geschichte als Band 19A erschienene Überblick "Die Bundesrepublik Deutschland 1969-1990" knüpft dort an, wo der von Rudolf Morsey verfasste Vorgängerband endete: im Jahr 1969, als mit der sozialliberalen Regierung Brandt nicht nur die Große Koalition aus CDU und SPD ersetzt wurde, sondern auch ein neuer Stil Eingang in die Politik finden sollte. "Mehr Demokratie wagen" war die Leitidee, mit der Brandt antrat, und auch außenpolitisch wagte er sich mit den Ostverträgen weiter vor als jede Vorgängerregierung. Der Band schließt mit dem Ende der "alten Bundesrepublik" und dem Übergang in das "vereinigte Deutschland" 1990. Gegliedert ist er in der seit Jahrzehnten bekannten und bewährten Weise in Darstellung, Grundprobleme und Tendenzen der Forschung sowie Quellen und Literatur. Ergänzt werden diese Elemente neben der üblichen Zeittafel und einem Personen- und Sachregister durch eine Reihe nützlicher Statistiken, Tabellen und Karten sowie durch eine Auflistung von einigen zentralen Archiven zu bundesrepublikanischen Themen.
Trotz der einheitlichen Vorgaben sind die Bände in ihrer inhaltlichen Ausrichtung auch in der Vergangenheit immer durch eine persönliche "Handschrift" geprägt gewesen. Bestimmte Vorlieben für Themen und bestimmte wissenschaftliche Richtungen und Thesen waren ebenso zu erkennen wie die Abneigung gegenüber diesem oder jenem.
Rödder geht seine Darstellung in fünf Schritten an. Erstens mit einem Abschnitt, den er "Allgemeine Tendenzen" nennt und zu denen er die "Weltpolitik", "Europa", "Technologie", "Ökonomie", "Staat - Wirtschaft - Gesellschaft", "Verfassungsordnung und politisches System" sowie "Sozialstruktur" und "Sozialkultur" zählt. Ein zweiter Abschnitt beschäftigt sich mit der "Modernisierungseuphorie", die er als wichtigstes Merkmal der Regierungszeit Brandts 1969-1974 versteht. Hier wird über den "Machtwechsel" zur sozialliberalen Koalition, die "Ostpolitik" und die "inneren Reformen" und das "Krisenjahr 1973" berichtet. Ein drittes Kapitel unter der Überschrift "Krisenmanagement" beschäftigt sich dann mit der Kanzlerschaft Helmut Schmidts. Hier wird über den Weg bis zum "Kanzlerwechsel" 1982 berichtet: "Terrorismus", Schmidts "Wirtschaftsdiplomatie", die Probleme mit "NATO-Doppelbeschluß", Deutschlandpolitik "wirtschaftliche Probleme und das Ende der sozialliberalen Koalition". In einem vierten Abschnitt fallen die Jahre 1982 bis 1989 unter die Leitbegriffe "Neuorientierung und Kontinuität". Hier geht es um die "Wende", die Bündnis- und Deutschlandpolitik, die "ökonomische und soziale Entwicklung" sowie "Politik, Gesellschaft und Kultur". Ein abschließendes fünftes Kapitel thematisiert den Zusammenbruch des Ostblocks und die deutsche Wiedervereinigung. Die Behandlung der "Grundprobleme und Tendenzen der Forschung" folgt in großen Zügen dieser chronologischen Gliederung und greift einzelne Begriffe, Deutungskontroversen und Forschungsdesiderate auf.
Der Band stellt eine Fülle von Informationen zur letzten Phase der alten Bundesrepublik bereit und ist damit eine wertvolle Orientierungshilfe. Wieviel Arbeit der Autor mit der Zusammenstellung des Bandes hatte, hat er in einem längeren Vorwort detailliert erläutert. Der Band ist gelungen, auch wenn man sich im Interesse der Leser die Erklärungen für das Hineinnehmen und die Begründungen für das Weglassen, ebenso wie die Darstellung selbst manchmal weniger umständlich und teilweise sprachlich weniger gespreizt gewünscht hätte.
Besonders nützlich für jene, die sich in das Thema zum ersten Mal vertiefen oder sich in den schier unüberschaubaren Forschungsdebatten orientieren wollen, sind in der Oldenbourg-Reihe von jeher die Abschnitte über die "Grundprobleme und Tendenzen der Forschung". Hier ist nicht der Platz, die vom Autor für die Geschichte der Bundesrepublik zwischen 1969 und 1990 ausgewählten 46 Forschungsbereiche im Detail vorzustellen. Besonders herauszuheben ist aber grundsätzlich das Bemühen, neben den etablierten Themen der Außen- und Innenpolitik, die den Hauptteil der vorgestellten "Grundprobleme" ausmachen, auch die Aspekte Sozial-, Gesellschafts- und Kulturgeschichte mit aufzunehmen. In diesem Bereich finden sich dann auch wichtige oder brisante und längst noch nicht vollständig erforschte Themen wie die "Neuen Sozialen Bewegungen".
Ein kleiner Kritikpunkt soll dennoch nicht verschwiegen werden. Es gehört natürlich zu den Entscheidungen des Autors, welche Bereiche und welche Forschungsprobleme er vertiefend darstellen möchte. Jeder, der sich mit einem Spezialbereich beschäftigt, wird sicherlich das eine oder andere Werk finden (oder vielmehr nicht finden), das im wichtig erscheint. Allerdings gibt es mehrere Bereiche, die einfach fehlen oder aber sehr oberflächlich abgehandelt werden. Dazu gehört insbesondere der der deutsch-deutschen Geschichte. Zwar wird ausdrücklich erwähnt, dass "die deutsche Frage mit ihren spezifischen Problemen in Gesellschaft und Politik trotz aller faktischen Einrichtung in der Zweistaatlichkeit immer, wenn auch oftmals subkutan [!], präsent blieb". (110 f.) Auf welchen Feldern indes die Geschichte beider deutschen Staaten eine "asymmetrisch verflochtene Parallel- und Abgrenzungsgeschichte" (ebd.) blieb, tritt in der Darstellung und der Diskussion der Forschungsproblem aber eher zurück.
Bernd Stöver