Markwart Herzog / Rolf Kießling / Bernd Roeck (Hgg.): Himmel auf Erden oder Teufelsbauwurm? Wirtschaftliche und soziale Grundlagen des süddeutschen Klosterbarock (= Irseer Schriften. Studien zur schwäbischen Kulturgeschichte. N.F.; Bd. 1), Konstanz: UVK 2002, 352 S., ISBN 978-3-89669-994-7, EUR 39,00
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Bernd Roeck: Der Morgen der Welt. Geschichte der Renaissance, München: C.H.Beck 2017
Rolf Kießling / Frank Konersmann / Werner Troßbach: Grundzüge der Agrargeschichte. Band 1: Vom Spätmittelalter bis zum Dreißigjährigen Krieg (1350-1650), Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2016
In ihrer Einleitung zu dem aus einer Tagung im September 1999 im Kloster Irsee hervorgegangenen Sammelband weisen die Herausgeber darauf hin, dass "bereits ein kursorischer Blick auf die Forschungslandschaft zeigt, wie wenig wir über die Voraussetzungen und Folgen des 'Baubooms' des Barock wissen" (17). Diesem Missverhältnis zwischen unbestrittener Bedeutung und intensiver Erforschung des süddeutschen Klosterbarock aus genuin kunsthistorischer Perspektive und sehr lückenhafter Kenntnis seiner wirtschafts- und geistesgeschichtlichen Grundlagen suchen die insgesamt vierzehn Beiträge zu begegnen.
Innerhalb des ersten Themenschwerpunktes "Forschungslinien und propädeutische Klärungen" entwirft Bernd Roeck einen konzentrierten Überblick über die grundlegenden Fragen im Zusammenhang mit der Kunstförderung und Bauaktivität frühneuzeitlicher Eliten: etwa nach den Motiven der Auftraggeber im konkreten Fall, über einen allgemeinen Wunsch nach "Selbstdarstellung" hinaus; nach Finanzierungsformen; nach dem Verhältnis von wirtschaftlicher und Bau-Konjunktur und nicht zuletzt nach den wirtschaftlichen und sozialen Folgen intensiver Bauaktivität für frühneuzeitliche Gemeinwesen. Handelte es sich um wirksame Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, die womöglich sogar bewusst antizyklisch eingesetzt wurden, oder vielmehr um eine zusätzliche Bedrückung der Unterschichten? Gerade im Hinblick auf dieses grundsätzliche Problem ist ein synthetisierendes Erklärungsmodell noch nicht in Sicht: "Welche gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen der Großbau aber hatte, wie er sich auf die jeweilige Zahlungsbilanz auswirkte, sind noch völlig offene Fragen" (35).
Ein sehr kurzer Beitrag von Rainer Gömmel weist am Beispiel der Bautätigkeit der Reichsstadt Nürnberg zwischen 1500 und 1800 auf Probleme bei der quantifizierenden Auswertung von Quellen zur frühneuzeitlichen Wirtschaft hin, ohne dass der Zusammenhang mit dem übergeordneten Thema recht deutlich würde.
Den zweiten Themenschwerpunkt "Ökonomische Bedingungen - kulturgeschichtliche Dimensionen" leiten Ausführungen von Herbert Kniller über "Klosterökonomie der Barockzeit anhand donauösterreichischer Beispiele" ein, in denen der Autor die Struktur der Einkünfte untersucht und nachweisen kann, dass zumindest im Falle der Großklöster in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts "[...] ein erheblicher Teil des [Bau-]Aufwandes von einem bis zwei absatzorientierten Wirtschaftszweigen getragen werden konnte" (55), die Neubauten mithin nicht oder nur in zweiter Linie über Schuldenaufnahme oder wachsende Steuer- beziehungsweise Fronbelastungen finanziert wurden.
Rolf Kießlings und Anke Sczesnys Untersuchung über "Ländliche Gewerbestruktur und 'Proto-Industrialisierung' im Umfeld der Großbauten" arbeitet vor dem Hintergrund der relativ raschen demographischen und wirtschaftlichen Erholung der ländlichen Regionen Süddeutschlands nach dem Dreißigjährigen Krieg die Bedeutung des ländlichen Wirtschaftspotenzials - das eben nicht nur ein ausschließlich agrarisches war - für die Baufinanzierung heraus, während Franz Matsche aus kunsthistorischer Perspektive "Prachtbau und Prestigeanspruch in Festsälen süddeutscher Klöster im frühen 18. Jahrhundert" analysiert, dabei die Vorbildfunktion von Prager Kolonnadensälen plausibel machen kann und - nicht unbedingt überraschend, aber gewiss zutreffend - schließlich konstatiert: "Es ging um Prestigestreben [...] und bei denjenigen Klöstern, die solche Kolonnadensäle einrichteten, möglicherweise letztlich um die architektonische Evidenz ihrer tatsächlichen oder angestrebten Reichsunmittelbarkeit [...]" (117f.).
Weitgehend unbekanntes Terrain betritt Rebekka von Mallinckrodt ("Bruderschaften als Auftraggeber von Kunst und Architektur im süddeutsch-österreichischen Raum"), die anhand von vier Beispielen die Grenzen und bisher von der Forschung zumal für den deutschen Raum unterschätzten Möglichkeiten von bruderschaftlicher Kunstförderung ausleuchtet, nicht ohne auf die dabei unübersehbaren grundlegenden (Quellen-)Probleme zu verweisen.
Alois Schmidt betont die fundamentale Bedeutung der Studien Norbert Elias' für das Verständnis frühneuzeitlicher Kunstförderung, um sodann das zu tun, was Elias gerade zu überwinden suchte: die Beurteilung historischer Phänomene mit modernen Wertmaßstäben. So trennt denn Schmidt zwischen (angemessenem, weil im Dienste der religiösen Verkündigung stehendem) Prunk und (übertriebenem) Luxus; das Kloster Steingaden wird für seine "sorgsame Haushaltsführung" gelobt - "andere Konvente haben sich derartige vernünftige Zurückhaltung nicht auferlegt" (155). Was aber ist "vernünftig"? Die Chance, frühneuzeitliche Bautätigkeit in ihrer eigenen Begründungspragmatik zu verstehen, wird durch die Verkürzung auf diese Kategorie vergeben.
Uneingeschränkt überzeugend ist dagegen die Studie von Hans-Otto Mühleisen, die am Beispiel der Abtei Sankt Peter im Schwarzwald aufzeigt, wie politische Entwicklungen sich auf die Abtswahl und über diese bis auf den Bau der Klosterbibliothek auswirkten.
Eine quellengesättigte Untersuchung legt Georg Wieland vor, in der er ausführt, wie die überaus ambitionierten Bauvorhaben eine Klosterökonomie an den Rande des Kollaps führen - dem im übrigen auch die beiden Äbte Mauch und Helmling, Protagonisten der ehrgeizigen Pläne, in Gestalt von Schlaganfällen zum Opfer fielen, bevor ihr Nachfolger eine grundlegende Kurskorrektur vornahm. Ebenfalls der konkreten Finanzierung von Baumaßnahmen nach dem Einschnitt des Dreißigjährigen Krieges widmet sich die exzellente, klar strukturierte und dabei ebenso perspektivreiche wie tiefenscharfe Studie von Wolfgang Petz. Die überzeugend herausgearbeiteten Ergebnisse werden in einer Zusammenfassung (257f.) vorgestellt, die an Präzision und Dichte nichts zu wünschen übrig lässt.
Nicht überall kam der Bautätigkeit eine so überragende Bedeutung zu wie in Weißenau und phasenweise in Kempten, wie Konstantin Maier mit Blick auf das Kloster Ochsenhausen im 17. und 18. Jahrhundert konstatiert, wo eine gediegene, aber keineswegs extravagante Kunstförderung vor dem Hintergrund gesunder Finanzen fast idyllische Verhältnisse erkennen lässt; umfangreichere Neubauten gelang es auch in Rottenbuch durch geschicktes Wirtschaften zu finanzieren, ohne die Klosterökonomie in Schieflage zu bringen, wie Johann Pörnbacher aufzeigt.
Weniger nach den Quellen als nach den Kostenfaktoren und dem Verlauf der Investitionen fragen Klaus Schwager und Gabriele Dischinger im Hinblick auf eines der spektakulärsten Beispiele des süddeutschen Klosterbarocks; schließlich widmet sich Gabriele Dischinger einem Kloster, bei dem die Erforschung des wirtschaftlichen Entstehungshintergrundes durch den Verlust einschlägiger Quellen erschwert wird; doch gelingt es der Autorin immerhin, "[...] mit einiger Sicherheit das Motiv für die bauliche Erneuerung [zu] bestimmen, erfuhr Irsee doch mit dem Erreichen der vollen Landeshoheit 1692 eine staatsrechtliche Rangerhöhung, die nach architektonischer Manifestation verlangte" (336).
Hilfreiche Orts- und Namenregister schließen den Band ab, der ohne Zweifel einen wichtigen Beitrag zur Erforschung der so lange stiefmütterlich behandelten Erforschung von Zusammenhängen zwischen Wirtschafts- und Kunstgeschichte darstellt.
Arne Karsten