Ulrich Lappenküper: Die deutsch-französischen Beziehungen 1949-1963. Von der "Erbfeindschaft" zur "Entente élémentaire". I: 1949-1958; II: 1958-1963 (= Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte; Bd. 49), München: Oldenbourg 2001, VII + 1991 S., ISBN 978-3-486-56522-5, EUR 258,00
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Manfred Steinkühler: Der deutsch-französische Vertrag von 1963. Entstehung, diplomatische Anwendung und politische Bedeutung in den Jahren 1958 bis 1969 (= Zeitgeschichtliche Forschungen; Bd. 14), Berlin: Duncker & Humblot 2002, 212 S., ISBN 978-3-428-10767-4, EUR 18,00
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Dirk Petter: Auf dem Weg zur Normalität. Konflikt und Verständigung in den deutsch-französischen Beziehungen der 1970er Jahre, München: Oldenbourg 2014
Carine Germond: Partenaires de raison? Le couple France-Allemagne et l'unification de l'Europe (1963-1969), München: Oldenbourg 2014
Corine Defrance / Ulrich Pfeil: Eine Nachkriegsgeschichte in Europa. 1945 bis 1963, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2011
Claudia Hiepel: Willy Brandt und Georges Pompidou. Deutsch-französische Europapolitik zwischen Aufbruch und Krise, München: Oldenbourg 2012
Michael Wirth: Die deutsch-französischen Beziehungen während der Kanzlerschaft von Helmut Schmidt (1974-1982). "Bonne entente" oder öffentlichkeitswirksame Zweckbeziehung?, Berlin: Wissenschaftlicher Verlag Berlin 2007
Lothar Gall / Ulrich Lappenküper (Hgg.): Bismarcks Mitarbeiter, Paderborn: Ferdinand Schöningh 2009
Holger Afflerbach / Ulrich Lappenküper: 1918 - das Ende des Bismarck-Reiches?, Paderborn: Ferdinand Schöningh 2021
Ulrich Lappenküper: Die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland 1949 bis 1990, München: Oldenbourg 2008
Knapp 2000 Seiten umfasst der monumentale Band von Ulrich Lappenküper zu den deutsch-französischen Beziehungen von 1949-1963, eine "erstmals aus Primärquellen gearbeitete übergreifende Darstellung" (16) dieses schwierigen Prozesses aus gleichgewichtiger deutscher und französischer Perspektive. Im Mittelpunkt stehen dabei die politischen Beziehungen der beiden Staaten, die Ziele und Motive der Staatsmänner, Diplomaten und Beamten in Bonn und Paris bei ihrer jeweiligen Außen- und Europapolitik.
Das Werk einfach nur "quellengesättigt" zu nennen, erscheint fast noch untertrieben: Umfangreiche Recherchen in den Archiven der beiden Außenministerien, die Nachlässe von deutschen und französischen Politikern und Diplomaten in verschiedenen Archiven, die Dokumentensammlung "Die Bundesrepublik Deutschland und Frankreich: Dokumente 1949-1963, von denen der Autor den ersten Band (Außenpolitik und Diplomatie) bearbeitet hat [1], bilden - neben anderen gedruckten Quellen - die Grundlage dieser zweibändigen Monografie.
Im Aufbau verschränkt Lappenküper chronologische und thematische Elemente, was einen einfachen Zugriff auf die verschiedenen Themen ermöglicht. In einem einleitenden Kapitel beschreibt er kurz die Zeit von 1944 bis 1949 und zeichnet den aktuellen Forschungsstand über die Frage der Kontinuität und Diskontinuität der französischen Deutschlandpolitik nach. Immer wieder setzt er sich dabei von Hüser und dessen These der "doppelten Deutschlandpolitik" [2] ab, der zufolge die französische Deutschlandpolitik bereits ab 1945 auf Integration angelegt war.
Seinen eigentlichen Untersuchungszeitraum unterteilt Lappenküper dann in drei Abschnitte: 1949-1955: "Sicherheit durch Integration", 1955-1958: "Phase der konstruktiven Annäherung" und 1958-1963: "Adenauer und de Gaulle". Innerhalb dieser Abschnitte ist der Aufbau dann thematisch, was zwar teilweise zu Wiederholungen führt, gleichzeitig aber sicherstellt, dass ein Thema immer bis zum Ende behandelt wird. Das erleichtert das Suchen von Informationen zu einzelnen Themenbereichen. Einzig störend sind in diesem Zusammenhang die biografischen Einschübe zu den einzelnen Politikern und Diplomaten, die über den Band verteilt auftauchen. Für den Lesefluss wäre es besser gewesen, diese in einem gesonderten Anhang an das Ende des Buches zu stellen.
Im Abschnitt 1949-1955 werden zunächst das Besatzungsstatut, dann der Schumanplan, die Saar und das Problem der deutschen Wiederbewaffnung behandelt. Dabei bestätigt Lappenküper die von der historischen Forschung begonnene Entmystifizierung der europapolitischen Initiativen (245). Es wird deutlich, dass das leitende Motiv der verantwortlichen Politiker in Paris und Bonn nicht unbedingt die Aussöhnung war, sondern machtpolitische Gewissheiten: die Durchsetzung der restriktiven Deutschlandpolitik aus einem Sicherheitsbedürfnis heraus sowie der Erhalt der - eigentlich längst verlorenen - Großmachtrolle auf der französischen und die handfesten nationalen Ziele Adenauers (Souveränität, Westbindung) auf der deutschen Seite.
In der von der Forschung als "Phase der konstruktiven Zusammenarbeit" [3] bezeichneten Zeit von 1955 bis 1958 fallen die verschiedenen internationalen Konferenzen zur "deutschen Frage", die "relance européenne" mit der Konferenz von Messina 1955 bis zum Abschluss der Römischen Verträge 1958 über den Gemeinsamen Europäischen Markt und Euratom sowie die Beilegung des Saarproblems, der "latenten Hypothek" (1076) auf den deutsch-französischen Beziehungen. Lappenküper stellt Frankreichs Deutschlandpolitik in dieser Zeit - überwölbt vom Ost-West-Konflikt - als weiterhin mehrdimensional dar. Adenauer, nach innen die deutsche Einheit verfechtend, hielt nach wie vor an der europäischen Einigung fest (968). Gelegenheit, dem französischen Partner gegenüber die "bonne entente" zu beweisen, hatte er während der Suez-Krise im Herbst 1956, als er sich trotz der Rufe, ein Kanzler müsse in Krisenzeiten im eigenen Land bleiben, nicht von einem Besuch in Paris abhalten ließ.
Der dritte Abschnitt über die Jahre 1958-1963 wird durch die beiden ihre jeweilige nationale Politik bestimmenden Staatsmänner Adenauer und de Gaulle beherrscht. Deutschlandproblem, Vertiefung der Europapolitik, Nato-Reform und schließlich Scheitern des deutsch-französischen Zweibundes sind hier die Themen. Die "entente personelle" zwischen den beiden großen Männern, so zeigt es Lappenküper, beruhte auf Kalkül. Adenauers Politik war in dieser Phase weniger von Europaidealismus oder Frankophilie als von der Sorge vor amerikanischem Isolationismus und Angst vor sowjetischen Verlockungen geleitet. De Gaulle, der auf die Unabhängigkeit Frankreichs drängte, schwebte eine organisierte Zusammenarbeit der europäischen Staaten und der Aufbau eines Europas der "Dritten Kraft" vor. Eine nuklear ausgerüstete Streitmacht für Frankreich gehörte in diesem Zusammenhang zu den Hauptanliegen des Generals.
Den deutsch-französischen Freundschaftsvertrag von 1963, eine Vernunftehe, bezeichnet Lappenküper als Abschluss der "Erfolgsstory", obwohl das deutsch-französische Exklusivbündnis mit einer starken sicherheitspolitischen Komponente nicht zu Stande kam (1857). Doch besiegelte der Elysee-Vertrag die deutsch-französische Aussöhnung. Lappenküper wehrt sich dagegen, das Vertragswerk - obwohl ihm die Zähne gezogen wurden (1907) - in seiner Bedeutung als überflüssig herabzustufen.
Als "großen Wurf" (199) betitelt Manfred Steinkühler den Freundschaftsvertrag in seiner jüngst erschienenen Studie, die rein aus der deutschen Perspektive geschrieben wurde. Sein Buch ist in drei Teile untergliedert: Im ersten Kapitel "Ära Adenauer" beschreibt er den Weg zum Elysee-Vertrag ab der Regierungsübernahme de Gaulles 1958. Im zweiten Kapitel befasst er sich mit der Umsetzung des Vertrags durch die Regierung Erhard, im dritten Kapitel mit der Umsetzung durch die Große Koalition unter Kiesinger und Brand.
Steinkühler schiebt es vor allem den Adenauer nachfolgenden Bonner Politikern und Diplomaten in die Schuhe, den Vertrag nicht mit Leben gefüllt zu haben. Ihr mangelndes Interesse, ja ihre Frankreichfeindlichkeit sieht er dabei in einem engen Zusammenhang mit der NS-Vergangenheit der in Politik und Verwaltung wieder tätig gewordenen Eliten. Sein überwiegend auf gedruckten Memoiren basierendes Buch, aus denen er viel zu ausführlich zitiert, vermag weder inhaltlich noch wissenschaftlich oder sprachlich zu überzeugen.
Anders dagegen Lappenküper: Ihm gelingt es, "das vielschichtige und mitunter verwirrende Bild der deutsch-französischen Nachkriegsbeziehungen" (1858) anschaulich und übersichtlich darzustellen. Dazu trägt auch seine klare und schnörkellose Sprache bei, ein weiterer Grund, warum man das Buch gerne zur Hand nimmt. Das Lektorat hätte jedoch einige der zahlreichen "indes" streichen sowie vielleicht den Eintrag "U-Boot = Unterseeboot" aus dem Verzeichnis der Abkürzungen entfernen können ..., aber das sind Details, die das positive Gesamtbild nicht beeinflussen können.
Die Anlage des Buches mit dem Ziel, eine Gesamtdarstellung aus Primärquellen zu schreiben, erklärt Umfang und Ausführlichkeit des Werkes. Ihm also Detailverliebtheit und mangelnden Sinn für Synthesen vorzuwerfen, wäre verfehlt. Wiederholungen lassen sich durch den vermischt chronologisch-thematischen Aufbau nicht immer vermeiden, sorgen aber dafür, dass man sich gezielt, umfassend und tief zu einem Thema informieren, die Monografie als Handbuch benutzen kann. Ihr Wert für Studenten und Forscher ist in dieser Hinsicht kaum hoch genug zu veranschlagen. Zur schnellen Orientierung dient ein ausführliches Personenregister am Ende des zweiten Bandes.
Anmerkungen:
[1] Horst Möller / Klaus Hildebrand (Hgg.): Die Bundesrepublik Deutschland und Frankreich: Dokumente 1949-1963, 4 Bde., München 1997-1999.
[2] Dietmar Hüser: Frankreichs "doppelte Deutschlandpolitik". Dynamik aus der Defensive - Planen, Entscheiden, Umsetzen in gesellschaftlichen und wirtschaftlichen, innen- und außenpolitischen Krisenzeiten 1944-1950, Berlin 1996.
[3] Gilbert Ziebura: Die deutsch-französischen Beziehungen seit 1945. Mythen und Realitäten, überarb. u. aktual. Neuausgabe Stuttgart 1997.
Mareike König