Rezension über:

Eleni Marantou: Exploring the Sacred Landscape of the Ancient Peloponnese. Cults and sacred places, Oxford: Archaeopress 2024, XII + 288 S., ISBN 978-1-8032-7771-4, GBP 48,00
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Rezension von:
Soi Agelidis
Institut für archäologische Wissenschaften, Ruhr-Universität Bochum
Redaktionelle Betreuung:
Matthias Haake
Empfohlene Zitierweise:
Soi Agelidis: Rezension von: Eleni Marantou: Exploring the Sacred Landscape of the Ancient Peloponnese. Cults and sacred places, Oxford: Archaeopress 2024, in: sehepunkte 25 (2025), Nr. 11 [15.11.2025], URL: https://www.sehepunkte.de
/2025/11/39526.html


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Eleni Marantou: Exploring the Sacred Landscape of the Ancient Peloponnese

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Das vorliegende Buch entstand aus der 2013 an der Universität Korfu eingereichten Dissertation der Autorin, welche inhaltlich erweitert und mit der neueren Literatur versehen wurde. Gegenstand sind Kulte und heilige Orte der geometrischen bis hellenistischen Zeit auf der Peloponnes, wobei hier eine Eingrenzung auf Arkadien, Elis, Messenien und Lakonien erfolgt, um die Menge der berücksichtigten Heiligtümer zu reduzieren (ix). Erklärtes Ziel der Arbeit ist einerseits eine vollständige Auflistung von heiligen Orten, andererseits ein Fokus auf religiöse Merkmale mit einem besonderen Interesse an der chthonischen Natur der Gottheiten (vii). Die primäre Idee für die Untersuchung ist, die Ursprünge des religiösen Systems auf der Peloponnes zu erkennen und die Gründe zu identifizieren, warum dieses sich in einer spezifischen Weise entwickelt hat (ix).

Im ersten Teil werden, nach den Landschaften Arkadien (3-46), Elis (47-67), Messenien (68-87) und Lakonien (88-112) geordnet, Kultorte vorgestellt. Dabei werden sowohl archäologisch fassbare als auch lediglich aus literarischen Quellen bekannte Heiligtümer berücksichtigt. Für jede Landschaft werden zunächst der mythologische und historische Hintergrund kurz skizziert. Die darauffolgende Auflistung von Kultorten enthält jeweils den Namen des Ortes und des Heiligtums, seine Datierung - sofern möglich -, antike Schriftquellen und moderne Forschungsliteratur sowie eine kurze Beschreibung von Funden und Befunden. Zunächst werden ausgegrabene, dann durch Streufunde lokalisierte, schließlich aus literarischen Quellen bekannte Kultorte behandelt. Die Abfolge innerhalb dieser Abschnitte ist jedoch beliebig: Weder sind sie alphabetisch nach Ortsnamen oder Kulteigentümer*in noch nach den eigenen Nummern geordnet, was es schwierig bis unmöglich macht, Abschnitte zu einzelnen konkreten Beispielen zu finden.

Im zweiten Teil der Arbeit werden dezidierte Fragen behandelt. In Kapitel 5 (115-135) geht es um spezielle Merkmale der Heiligtümer, genauer um Eigenheiten der Kultbauten (115-118), Rituale in Kultorten, die in Verbindung mit chthonischen Kulten stehen, und olympischen Kulten mit gemischten Merkmalen (118-124) sowie Funktionen der chthonischen Natur in Heiligtümern (124-135). In Kapitel 6 (136-184) befasst sich die Autorin mit den verehrten Gottheiten und unterscheidet dabei chthonische, zweitrangige und lokale, Personifikationen von Naturelementen, heroische und mythologische Gestalten, chthonische Gottheiten, die sich zu Olympischen entwickelt haben, ältere Gottheiten, die später mit Olympischen assimiliert wurden, sowie olympische Gottheiten. In Kapitel 7 (185-224) folgt eine Analyse des religiösen, ökonomischen und sozialen Kontextes. Die allgemeinen Beobachtungen (212-217), eine vergleichende Vorlage der wichtigsten Kultorte der Peloponnes (217-222) und ein Epilog (222-224) werden ebenfalls dem 7. Kapitel zugeordnet. Übersichtstafeln mit Auflistungen der Heiligtümer (225-241), Verteilungskarten in unterschiedlichen Maßstäben (242-249) und eine Bibliographie (250-288) runden das Werk ab.

Eine der Stärken des Buches macht die grundsätzlich gute Übersicht über die Heiligtümer der vier peloponnesischen Landschaften aus, welche der Text mit den begleitenden Tafeln und Karten bietet. In der Praxis wird jedoch dieser Vorzug verspielt, weil - wie bereits oben kurz angemerkt - die Reihenfolge der Auflistungen beliebig ist und in den Tafeln keine Korrespondenz zu den Textseiten angegeben wird. Schon bei einer vollständigen Lektüre des Buches bringt dies die Schwierigkeit mit sich, dass Rückverweise auf die Vorstellung der einzelnen Heiligtümer kaum verfolgt werden können. Ein Nachschlagen konkreter Orte ist erst recht nur mit intensivem Durchblättern möglich.

In der Analyse haben die behandelten Themen das Potenzial, die Fragestellung nach den Spezifika der Kulte in den verschiedenen Landschaften zu bedienen. Die Umsetzung ist indessen bedingt erfolgreich. Bereits die Aufstellung der Kriterien für die Untersuchung des Materials ist unscharf, und die verwendeten Kategorien sind nicht gleichwertig - das wird schon bei der Durchsicht der oben angegebenen Themen der einzelnen Abschnitte deutlich. Bei der vorgenommenen Fokussierung auf den chthonischen Charakter von Gottheiten fällt die inkonsequente Kategorisierung in Kapitel 6 als besonders problematisch auf, denn weder hier noch an anderer Stelle wird das chthonische Element definiert oder problematisiert. Dabei wird dieser Frage in der Erforschung der antiken griechischen Religion aus der Perspektive der Religionswissenschaft, der Klassischen Philologie und der Klassischen Archäologie seit Jahrzehnten intensiv diskutiert. Bezeichnenderweise fehlen in der Bibliographie etwa Arbeiten von Jenny Wallensten, [1] Renate Schlesier, [2] oder Scott Scullion [3]; jene von Gunnel Ekroth [4] werden an den entscheidenden Stellen nicht herangezogen. Die Verfasserin referiert häufig teils überholte Vorstellungen von den dunklen, bedrohlichen chthonischen Gottheiten und stützt sich dabei insbesondere auf Äußerungen von Burkert, Nilsson und Papachatzis (etwa 119. 158 f. 182). Diskutiert werden diese Urteile indessen nicht. Ganz punktuell ist eine zeitgemäße, kritische Auseinandersetzung mit jenem Bild zu erkennen - etwa wenn sie eine chthonische Demeter als "sanft, ohne Zorn" bezeichnet (159).

Einige Defizite des Buches sind einem unzureichenden Lektorat zuzuschreiben. So wird die Hierarchisierung der Kapitel weder durch ihre wechselnde Nummerierung noch durch die unterschiedlichen Schriftformen der Überschriften deutlich. Auch wäre eine nachvollziehbare Anordnung der behandelten Orte der Nutzbarkeit der Arbeit zuträglich gewesen.

Der vorliegende Band bietet eine schöne Übersicht über Heiligtümer und heilige Orte im Süden und Westen der Peloponnes mit instruktiven Angaben auch zu wenig bekannten bzw. beachteten Stätten. Das ist ein großer Verdienst der Arbeit. Die Forschungsfragen, welche in den Vordergrund gestellt werden, ordnen sich in den wissenschaftlichen Diskurs ein und geben konstruktive Anregungen, doch bleibt ihre Behandlung letztlich zu sehr an traditionellen Meinungen verhaftet. Aktuellere, wohl auch eigene, Positionen werden eher angedeutet, so etwa die positiven Aspekte von chthonischen Gottheiten und ihre Rolle als ganz persönliche Ansprechpartner*innen einzelner Individuen. Dieses wichtige Potenzial eröffnet sich lediglich bei sehr genauer Lektüre und Reflexion der Ausführungen.


Anmerkungen:

[1] J. Wallensten: Dedications from the Dead? The Strange Case of Hermes Chthonios, in: Greek Epigraphy and Religion, ed. by M. Mili / J. Wallenstein, Leiden 2021, 227-247.

[2] R. Schlesier: Olympian versus Chthonian Religion, SCl 11 (1991-1992), 38-51.

[3] S. Scullion: Olympian and Chthonian, ClAnt 13, 1994, 75-119; ders.: Heroic and Chthonian Sacrifice. New Evidence from Selinous, ZPE 132 (2000), 163-171.

[4] G. Ekroth: The sacrificial rituals of Greek hero-cults in the Archaic to the early Hellenistic periods, Liège 2002 (Kernos Suppl. 12); dies.: Heroes - Living or dead?, in: The Oxford Handbook of Ancient Greek religion, ed. by E. Eidinow / J. Kindt, Oxford 2015, 383-396.

Soi Agelidis