Rezension über:

Martina Bono: Alla ricerca della civilitas. Le relazioni tra princeps e aristocrazia nella Storia Romana di Cassio Dione (= Institut des Sciences et Techniques de l'Antiquité), Besançon: Presses Universitaires de Franche-Comté 2022, 633 S., ISBN 978-2-84867-922-8, EUR 45,00
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Rezension von:
Alexander Free
Seminar für Alte Geschichte, Albert-Ludwigs-Universität, Freiburg/Brsg.
Redaktionelle Betreuung:
Matthias Haake
Empfohlene Zitierweise:
Alexander Free: Rezension von: Martina Bono: Alla ricerca della civilitas. Le relazioni tra princeps e aristocrazia nella Storia Romana di Cassio Dione, Besançon: Presses Universitaires de Franche-Comté 2022, in: sehepunkte 25 (2025), Nr. 11 [15.11.2025], URL: https://www.sehepunkte.de
/2025/11/38103.html


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Martina Bono: Alla ricerca della civilitas

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Seitdem Adam Kemezis im Jahre 2014 mit seiner Monographie zu griechischen Erzählungen über das Imperium Romanum unter den Severern der Forschung zur Geschichtsschreibung der hohen Kaiserzeit neue Impulse verliehen hat, reißen die Studien zu Cassius Dio nicht mehr ab. [1] Martina Bono reiht sich nun mit einer Monographie zum Konzept der civilitas bei Cassius Dio in den Reigen dieser Untersuchungen ein und legt eine umfangreiche Interpretation des dionischen Geschichtswerkes vor. Sie sucht nach dem civilis princeps, d.h. nach dem senatsfreundlichen Bürgerkaiser, in den Ausführungen Dios und spürt damit zugleich der dem Werk zugrunde liegenden historiographischen Konzeption nach wie auch den zeitgenössischen Einflüssen auf den severischen Geschichtsschreiber (11).

Nach einem sorgfältigen Forschungsüberblick zum Begriff civilitas wendet sich Bono zunächst einer lexikalischen Einordnung dieses lateinischen Konzepts im griechischen Text Dios zu. Die Termini δημοτικός und δημοκρατικός identifiziert sie als dem lateinischen civilis entsprechend und bietet eine wörtliche Zusammenstellung aller Textpassagen, in denen diese und ihnen verwandte Begrifflichkeiten auftauchen. Mithilfe einiger republikanischer Beispiele wie Cn. Pompeius oder Iulius Caesar erläutert sie ferner ebenso die mit diesen Begriffen verbundene politische Ideologie wie anhand der ersten beiden Principes Augustus und Tiberius, die sie beide als civiles charakterisiert. Bono legt dar, wie ein civilis princeps ein Regierungssystem ermöglichen muss, in dem die Senatoren ein konstitutiver und integrierter Teil der Herrschaftsausübung sind. Damit setzt sie den Ton für ihre weitere Untersuchung, die sie im Folgekapitel anhand der Verfassungsdebatte in Buch 52 noch weiter akzentuiert.

Bono deutet die Verfassungsdebatte zu Recht als programmatisch für Dios Verständnis des römischen Prinzipats und weist ihr aus diesem Grund einen zentralen Platz in ihrer Studie zu. Paradigmatisch schält sie das Verhältnis zwischen Princeps und Senat, die Rechtspflege, den Umgang mit dem Herrscherkult, dem Spielewesen, das finanzielle Gebaren des Princeps sowie seine Beziehungen zum Militär als Untersuchungskategorien heraus. Entscheidend für das Modell eines "principato civile" erweise sich dabei letztendlich eine gelungene Mischverfassung aus Demokratie und Monarchie.

Mit dem Rüstzeug der lexikalischen, wie auch der politisch-ideologischen Analyse des Konzepts der civilitas wendet sich Bono daraufhin der konkreten Untersuchung jedes einzelnen römischen Herrschers zu. Bono beginnt mit einer Auseinandersetzung aller Principes von Caligula bis Marc Aurel, die sie der Reihe nach ausführlich bespricht. Wie bereits in den zwei vorangegangenen Kapiteln gewinnen ihre Ausführungen auch in diesem Abschnitt ihren Wert vor allem aus den sehr genauen Detailbeobachtungen. Der Durchgang durch die einzelnen Herrscher weist nämlich in den großen Linien nur wenige Überraschungen auf. [2] Dass Caligula oder Domitian das Ideal der civilitas nicht erfüllen, ist z.B. ebenso selbstverständlich wie Dios positive Sicht auf Marc Aurel. Bemerkenswert und für die Forschung gewinnbringend sind aber vielmehr Bonos Textanalysen. Im Fall des C. Iulius Caesar in Kapitel 1 beobachtet Bono etwa Dios Verwendung des hapax legomenon ἀδημοκράτητα, um ihn als incivilis zu beschreiben (47). Kaiser Claudius wird von Dio ferner geradezu als μέτριος charakterisiert, der sich exzessiven Ehrungen entziehe (132). Im späteren Verlauf der Studie setzt sich Bono dann z.B. ausführlich mit verschiedenen Übersetzungsvorschlägen eines Satzes in Buch 78 auseinander und stellt so eine direkte Verbindung zwischen Caracalla und Commodus her (338-340). Bonos Studie zeichnet sich immer wieder durch solch scharfsinnige Beobachtungen der Wortwahl und Textkomposition Dios aus.

Im letzten Kapitel geht Bono schließlich auf Dios zeithistorische Bücher ein und behandelt nacheinander alle Herrscher von Commodus bis Alexander Severus. Herauszuheben sind etwa ihre Ausführungen zu Pertinax und Macrinus. So zeigt Bono, wie Pertinax laut Dio durchaus das Ideal eines civilis princeps erfülle, aber aufgrund seiner kurzen Regierungszeit einfach nicht lange genug auf sein Umfeld wirken konnte. Seine Herrschaft wird dennoch als wichtiger Knotenpunkt für die politische Ideologie der Jahre 193-197 gedeutet. Macrinus ist hingegen aufgrund seiner Herkunft aus dem ordo equester unfähig, den richtigen Umgang und die Mentalität der Senatoren zu begreifen. Als Ritter stellt er einen Widerspruch zu einem senatsfreundlichen Bürgerkaiser dar.

Gerade Bonos Ausführungen zu Cassius Dios zeithistorischen Büchern werfen indes die Frage auf, ob die Studie nicht einen anderen Aufbau verdient hätte. So beleuchtet Bono den großen Einfluss, den die Ereignisse von 193 bis 197 auf Dios Darstellung des Vierkaiserjahres haben und welch große Rolle Caracalla für die Reflexion des Geschichtsschreibers zum Verhältnis Princeps und Senat spielt. Die zeithistorischen Bücher weisen dadurch jene paradigmatische Perspektive auf den Prinzipat auf, die Bono der Verfassungsdebatte in Buch 52 beimisst. Sie hätten daher ebenso am Beginn der Studie stehen können, bedingen sie doch Dios theoretische Reflexionen in der Verfassungsdebatte. Dieser Einwand wie auch die Feststellung, dass die großen Linien von Bonos Studie zu den einzelnen Principes nur wenige Überraschungen aufweisen, können den Wert der Untersuchung aber nur geringfügig schmälern. Bonos Ausführungen zeugen nämlich von einer ungemein guten Kenntnis des griechischen Texts, den sie gekonnt in Relation zur übrigen literarischen Überlieferung, aber auch dem epigraphischen, numismatischen und papyrologischen Befund analysiert. Ihre Untersuchung ist quellengesättigt und zeugt von einer profunden Kenntnis nicht nur der Forschung zu Cassius Dio, sondern grundsätzlich zu allen Herrschern bis Alexander Severus. Es sind daher Bonos ausführliche Textinterpretationen, die für die weitere Forschung relevant sein werden. So ist das Buch gerade in den Detailbeobachtungen und den klar kommunizierten Forschungsansichten seiner Autorin ein großer Gewinn für die weitere Forschung zu Cassius Dio, aber auch grundsätzlich zu den verschiedenen Herrschern des römischen Prinzipats.


Anmerkungen:

[1] Zu nennen sind neben Adam M. Kemezis: Greek Narratives of the Roman Empire under the Severans. Cassius Dio, Philostratus and Herodian, Cambridge 2014; vor allem die zahlreichen Sammelbände und Monographien des sogenannten Cassius Dio Network in der Reihe Historiography of Rome and its Empire. Vgl. ferner Valérie Fromentin / Estelle Bertrand / Michèle Coltelloni-Trannoy u.a. (éds.): Cassius Dion. Nouvelles Lectures, Bordeaux 2016 (Scripta Antiqua; 94); sowie Verena Schulz: Deconstructing Imperial Representation. Tacitus, Cassius Dio, and Suetonius on Nero and Domitian, Leiden / Boston 2019 (Mnemosyne Suppl.; 427).

[2] Das gilt ferner auch für die lexikalische Analyse oder die republikanischen Beispiele. Vgl. z.B. Valerio Benedetti: Civilitas in der Antike. Entstehung und Entwicklung eines politischen Begriffs, Innsbruck 2015, S. 219-226 zur Gleichsetzung der Begriffe δημοτικός und δημοκρατικός mit civilis bei Cassius Dio oder Jesper M. Madsen: Like father like son: the differences in how Dio tells the story of Julius Caesar and his more successful son, in: Josiah Osgood / Christopher Baron (eds.): Cassius Dio and the Late Roman Republic, Leiden / Boston 2019 (Historiography of Rome and its Empire; 4), 259-281 zur Charakterisierung Caesars.

Alexander Free