Rezension über:

Johanna Aberle: Das Geheime Ministerialarchiv in Berlin (1838-1874). Zum Schicksal der Registraturen des Generaldirektoriums in Preußen nach 1806 (= Veröffentlichungen aus den Archiven Preußischer Kulturbesitz - Forschungen; Bd. 22), Berlin: Duncker & Humblot 2025, 317 S., ISBN 978-3-428-19403-2, EUR 89,90
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Rezension von:
Reinhold Zilch
Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin
Redaktionelle Betreuung:
Peter Helmberger
Empfohlene Zitierweise:
Reinhold Zilch: Rezension von: Johanna Aberle: Das Geheime Ministerialarchiv in Berlin (1838-1874). Zum Schicksal der Registraturen des Generaldirektoriums in Preußen nach 1806, Berlin: Duncker & Humblot 2025, in: sehepunkte 25 (2025), Nr. 10 [15.10.2025], URL: https://www.sehepunkte.de
/2025/10/40464.html


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Johanna Aberle: Das Geheime Ministerialarchiv in Berlin (1838-1874)

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Die hier vorzustellende Monographie von 2025 beruht auf der schon 2001 an der Humboldt-Universität zu Berlin angenommenen Dissertation von Johanna Aberle. Sie beschreibt erstmals in der Forschungsliteratur detailliert das "Schicksal der Registraturen des Generaldirektoriums in Preußen" mit Ausblicken auf eine Gesamtgeschichte der preußischen Archive. Die studierte Archivarin und Historikerin legt eine durch die Materialfülle beeindruckende Arbeit vor. Der knappen Einleitung (15-22) mit Skizzen zu den Schwerpunkten der Studie, zur Quellenlage sowie Vorgehensweise schließt sich eine Übersicht zu den Registraturen des Generaldirektoriums an (23-71), in der Struktur und Aufgaben der Behörde sowie die quantitative und qualitative Entwicklung ihrer Registraturen beschrieben werden. Im nächsten Kapitel geht es vor allem um den Übergang von den Altregistraturen zum Geheimen Ministerialarchiv (72-146) mit der Bildung und dem organisatorischen Ausbau eines Archivs bis 1837, um die massenhaften Kassationen und um die Erschließung des Restbestandes. Außerdem werden als Sonderbestände die Akten des geistlichen Departements, das sogenannten französische Ministerialarchiv und das schlesische Provinzialarchiv behandelt.

Unter der Überschrift "Das Geheime Ministerialarchiv sowie sein Verhältnis zum Geheimen Staatsarchiv und zu den Zentralbehörden" (147-230) wird das weitere Schicksal der zunehmend nur noch historischen Wert besitzenden Akten bis 1874 beschrieben. Große Aufmerksamkeit widmet die Autorin zu Recht dem Wirken des 1833 eingestellten Archivars und Historikers Adolf Friedrich Johann Riedel bei der Organisation eines sowohl den Ansprüchen der Ministerialbürokratie als auch den Bedürfnissen der Wissenschaft, insonderheit der Preußen-Geschichtsschreibung, genügenden Archivs. Ihren Abschluss findet die Monographie mit Ausführungen zur "Überlieferung des Generaldirektoralbestandes bis heute" (231-248) sowie eine knappe Zusammenfassung (249-251). Elf Anlagen (266-310) bieten dem Leser Strukturübersichten und sorgfältige Editionen von Schlüsseldokumenten- wertvolles Material, das die Ausführungen von Aberle wesentlich ergänzt.

Das Studium der vorliegenden Monographie vermittelt eine genaue Kenntnis von den großen Verlusten an Akten des Generaldirektoriums, vor allem durch die amtlichen Kassationen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Aberle verweist aber auch auf (zufällig?) den Aufräumaktionen entgangene Bände, was den Wert des Buchs erhöht. Angesichts der mehr als zwei Jahrzehnte seit der Abfassung der Dissertation verwundert es aber, warum die Autorin zwar davon spricht, dass "zu erwarten" sei, dass sich "möglicherweise eine Gegenüberlieferung" in den Beständen der "Kriegs- und Domänenkammern erhalten" habe, entsprechende Nachweise aber schuldig bleibt, sondern nur feststellt, dass dies "noch zu prüfen" (65) sei.

Ebenso bleibt festzustellen, dass die Bibliographie (256-265) um Titel bis zum Erscheinungsjahr 2019 und einige spätere Internet-Links ergänzt wurde, es aber nicht ersichtlich ist, welch Neuwert die Einarbeitung dieses Materials erbracht hat. Verwunderung löst ferner die Bezugnahme auf Angaben im Internet-Forum "ahnenforschung.net" als Vergleichsmaterial zu den Jahresgehältern von Archiv-Registratoren mit anderen Beamtengruppen und bürgerlichen Berufen aus. Aberle nennt hier Daten eines Familienforschers, der diese ohne weitere Quellennachweise publiziert hatte (58, Anm. 127).

Ein Letztes: Bei der weitgehend kommentarlosen Auflistung der Namen der "prominentesten Nutzer" der Archivalien ab 1843 wird auch für 1868 ein Karl Hilse genannt, der einen Benutzungsantrag zur Geschichte des preußischen Finanzsystems gestellt hatte, der zwei Jahre nach seiner Promotion ein junger Beamter im Königlich Statistischen Bureau war. Während bei anderen Persönlichkeiten wie Magnus Friedrich von Bassewitz oder Georg Pertz wenigstens ergänzend zu der biographischen Kurznotiz auch jene Hauptwerke genannt werden, die aus den Akten geschöpft wurden - leider ohne Hinweis darauf, welche Bedeutung das für die Abfassung hatte - erfährt man bei Hilse nur, dass dies "wahrscheinlich der Philosoph und Publizist Carl Hilse (1838-1912) " gewesen sei, "Verfasser von Büchern zu Straßenbahnen" (220, Anm. 273). Angesichts dessen, dass es sich um einen führenden deutschen Juristen handelt, der an der Berliner Technischen Hochschule lange Jahre über gewerbliche Gesetzgebung sowie Wege- und Eisenbahnbaurecht lehrte, verwundert dies. Als solcher hat Hilse eben auch bahnbrechend das spezielle Rechtsgebiet des Eisenbahn- und Straßenbahnwesens entwickelt.

Reinhold Zilch