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Daniela Richterova: Watching the Jackals. Prague's Covert Liaisons with Cold War Terrorists and Revolutionaries, Washington, DC: Georgetown University Press 2025, XII + 352 S., 39 s/w-Abb., ISBN 978-1-64712-514-1, USD 39,95
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Rezension von:
Thomas Riegler
Wien
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Thomas Riegler: Rezension von: Daniela Richterova: Watching the Jackals. Prague's Covert Liaisons with Cold War Terrorists and Revolutionaries, Washington, DC: Georgetown University Press 2025, in: sehepunkte 25 (2025), Nr. 9 [15.09.2025], URL: https://www.sehepunkte.de
/2025/09/39390.html


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Daniela Richterova: Watching the Jackals

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Die Beziehung zwischen den Ostblockstaaten und dem internationalen Terrorismus der 1970er und 1980er Jahre war und ist ein wichtiges Thema der Terrorism Studies. Das Buch "The Terror Network" (1981) der US-amerikanischen Journalistin Claire Sterling prägte langfristig die Sichtweise, wonach Moskau die Befehlszentrale einer weitverzweigten terroristischen Internationale war, die die liberalen Demokratien angriff. Diese monolithische Interpretation fand im ausgehenden Kalten Krieg viel Resonanz und wurde erst aufgrund von Aktenfunden in den postkommunistischen Staaten allmählich relativiert.

Mit der hier zu besprechenden Monografie von Daniela Richterova liegt nun eine Studie vor, die sich ganz auf das wenig bekannte Beispiel der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik (ČSSR) fokussiert. Basierend auf umfangreicher Primärquellenrecherche und Zeitzeugeninterviews liefert Richterova eine gut lesbare Darstellung, die die komplexe Beziehung zwischen dem kommunistischen Regime und verschiedenen nichtstaatlichen Akteuren anschaulich darlegt.

Seit dem Ende der 1950er Jahre hatte die ČSSR vor allem afrikanische Unabhängigkeitsbewegungen mit Waffen- und Sprengstofflieferungen sowie Ausbildungsmaßnahmen unterstützt. Das Prager Regime war innerhalb des Ostblocks der wichtigste Partner der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR), wenn es darum ging, die "revolutionäre Dritte Welt" zu fördern. Symbolhaft war der dreimonatige Aufenthalt des Guerillaführers Ernesto "Che" Guevara in der ČSSR im Jahr 1966 nach einer Mission im Kongo. Auch im Zuge des Transits zur bolivianischen Guerilla im selben Jahr legte Guevara einen Zwischenstopp in Prag ein. Aber schon diese Frühphase war laut Richterova gekennzeichnet von zweitweisem Kontrollverlust und Risiken infolge von unvorhersehbaren Konsequenzen oder der Enthüllung von Prags subversiver Rolle.

Mitte der 1970er Jahre stieg dann die Fatah, die dominierende Kraft innerhalb der Palästinensischen Befreiungsbewegung (PLO), zum Hauptpartner auf. 1976 wurde in Prag ein PLO-Büro eingerichtet, das eine zentrale Rolle bei der Abstimmung spielte. Während man seitens der ČSSR primär an Informationen über den Mittleren Osten interessiert war, profitierte die PLO vom Training für ihre Nachrichtendienstoffiziere sowie durch diplomatische und materielle Unterstützung. Wie eng das Verhältnis war, zeigte sich 1982, als die PLO zum Rückzug aus Beirut nach Tunis gezwungen wurde. Der PLO-Geheimdienst deponierte sein Archiv in der ČSSR-Botschaft. Als der Resident des Komitees für Staatssicherheit (KGB) davon erfuhr, ließ er die Boxen umgehend öffnen und das Material kopieren. Prag wies sein Personal an, dasselbe zu tun, wie Richterova erläutert.

Auf Interesse stießen Planungen der PLO für Aktionen gegen tschechoslowakische Dissidenten im Ausland. 1981 stand eine Operation gegen den in Rom lebenden Jiří Pelikan kurz vor dem Start, als Prag kalte Füße bekam und sich zum Abbruch entschloss. Auch ein Kidnapping des im französischen Exil befindlichen Jan Tesar wurde verworfen. Von vornherein sperrte sich Prag gegen Versuche, Partnerschaften mit terroristischen Gruppen wie der Japanischen Roten Armee oder den Roten Brigaden einzufädeln. Nur in Sachen Waffenhandel stachen wirtschaftliche Überlegungen alle politischen Bedenken aus. Die ČSSR-Waffenschmieden zählten zu den wichtigsten Arsenalen für den Nachschub der PLO, unterstreicht Richterova.

Während die ČSSR-Staatssicherheit (StB) innerhalb des PLO-Büros zahlreiche Quellen rekrutierte, wurde zu keinem Zeitpunkt mit westlichen Behörden kooperiert, um Terrorverdächtige festzunehmen. Dafür begann Prag ab Anfang der 1980er Jahre selbst, Schritte zu unternehmen, um allzu kompromittierende Besucher loszuwerden. Bestes Beispiel ist der PLO-Geheimdienstmitarbeiter Abu Daud, der in den Münchner Olympianaschlag von 1972 verwickelt gewesen war. Nachdem dieser achtmal in der ČSSR gewesen war und hier auch den Terroristen Ilich Ramirez Sanchez (genannt "der Schakal") 1979 zum Frühstück getroffen hatte, handelten die Verantwortlichen. Als Abu Daud trotz entsprechender Warnungen 1982 wieder im Intercontinental eincheckte, wurde er des Landes verwiesen.

Der "Schakal" wiederum hatte ab 1978 begonnen, vermehrt in die ČSSR-Hauptstadt zu reisen, um sich mit arabischen Diplomaten oder Waffenhändlern vernetzen. Als Sanchez 1979 in Prag gar eine Art "Gipfeltreffen" mit einem Dutzend anderer terroristischer Akteure abhielt, begann die StB innerhalb des Ostblocks den Informationsaustausch hinsichtlich der Reisebewegungen der Carlos-Gruppe zu koordinieren. 1986 wurde Sanchez kurzerhand ausgewiesen, als er mit seiner schwangeren Ehefrau und ausgestattet mit syrischen Diplomatenpässen in Prag gelandet war. Doch er reiste erst ab, als ihm die StB-Offiziere vorgaukelten, ein französisches Kommando sei auf dem Weg, um ihn zu liquidieren.

Als Sanchez 1994 im Sudan verhaftet wurde, hatten die französischen Agenten Überwachungsfotos dabei, die während der Aufenthalte in Prag gemacht worden waren. Überhaupt war viel Aufwand dafür verwendet worden, Zielpersonen wie den "Schakal" aufzuklären. So waren die Räumlichkeiten, in denen der erwähnte "Terror-Gipfel" stattfand, vorher verwanzt worden. Aber die Technik versagte zwischendurch, und die StB war vom Ergebnis enttäuscht. Die aufgenommenen Gespräche waren entweder nicht verständlich oder es war schwierig, das Gesagte zuzuordnen. Hier stießen nicht zuletzt die linguistischen Kapazitäten des Geheimdiensts an Grenzen, so Richterova.

Letztlich sei die ČSSR ein "ängstlicher Gastgeber" gewesen, für den die eigene innere Sicherheit stets am meisten zählte. Man fühlte sich bedroht von möglicher terroristischer Vergeltung oder davor, in innerpalästinensische Auseinandersetzungen hineingezogen zu werden. In den 1980er Jahren sorgte man sich zudem vor negativer Presse und vor deren Auswirkungen auf Devisengeschäfte.

Richterova kommt zum Schluss, dass die Interaktion zwischen PLO und ČSSR von einem Missverhältnis in Sachen Erwartungen, Zielen und modi operandi gekennzeichnet war. Die ČSSR sei stets vorsichtig geblieben und habe keinen besonderen Mehrwert in Sachen Intelligence erzielt. So habe sich nie eine eingespielte operationelle Partnerschaft entwickelt. Prag stand terroristischen Akteuren wie dem "Schakal" zumindest zeitweise als Rückzugs- und Transitort zu Verfügung. Alles in allem seien die Vorkommnisse aber weit von dem entfernt gewesen, was Sterling einst als "The Terror Network" umschrieben hatte. Richterovas Studie liefert dazu viele neue Erkenntnisse, und es bleibt zu hoffen, dass "Watching the Jackals" Anlass für weitere Forschungen zu osteuropäischen Staaten und ihrem jeweiligen spezifischen Zugang zu terroristischen Akteuren bietet.

Thomas Riegler