Rezension über:

Pau Srodecki / Norbert Kersken (eds.): The Defence of the Faith. Crusading on the Frontiers of Latin Christendom in the Late Middle Ages (= Outremer. Studies in the Crusades and the Latin East; Vol. 15), Turnhout: Brepols 2024, 407 S., 26 s/w-Abb., ISBN 978-2-503-58882-7, EUR 95,00
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Rezension von:
Anti Selart
University of Tartu
Redaktionelle Betreuung:
Ralf Lützelschwab
Empfohlene Zitierweise:
Anti Selart: Rezension von: Pau Srodecki / Norbert Kersken (eds.): The Defence of the Faith. Crusading on the Frontiers of Latin Christendom in the Late Middle Ages, Turnhout: Brepols 2024, in: sehepunkte 25 (2025), Nr. 7/8 [15.07.2025], URL: https://www.sehepunkte.de
/2025/07/39189.html


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Pau Srodecki / Norbert Kersken (eds.): The Defence of the Faith

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Der Sammelband enthält Beiträge, ursprünglich präsentiert auf einer Marburger Tagung (2017), die sich mit der Geschichte der Kreuzzüge an der Peripherie des "christlichen Westens" beschäftigte und von den beiden Herausgebern des Bandes organisiert wurde. Wie im ersten Teil des Konferenzbandes ("The Expansion of the Faith", 2022) sind auch hier die Beiträge thematisch gegliedert, nicht nach zeitlicher oder geografischer Ordnung. Insgesamt enthält das Buch 18 Beiträge (davon zwei in deutscher Sprache) und eine instruktive Einführung von Paul Srodecki, der sich auf die Forschungsgeschichte der Thematik konzentriert.

Der erste Teil umfasst den thematischen Bereich von "Campaigning and Recruiting". Norman Housley hebt darin die Bedeutung der Konzilien von Konstanz und Basel in der Kommunikation der zentralen und peripheren Teile Europas im 15. Jahrhundert hervor. Marianne P. Ritsema van Eck diskutiert die Rolle der Franziskaner-Observanten des Konvents vom Berg Zion zu Jerusalem in der Kreuzzugspropaganda des Spätmittelalters. Es handelte um die einzige katholische Organisation, die dank eines Vertrages (1333) zwischen König Robert von Neapel und Sultan al-Nāsir Muhammad von Ägypten nach 1291 noch im Heiligen Land tätig war. Im 15. Jahrhundert unterhielten die Minoriten aus Jerusalem enge Verbindungen mit den Herzögen von Burgund, deren Pläne für eine Rückgewinnung des Heiligen Landes sie beeinflussten. Maria Bonet Donato vergleicht die Rolle der geistlichen Ritterorden in Kastilien und Aragon. Während sie in Kastilien an der Grenze zum islamischen Emirat eingesetzt wurden, beteiligten sich die Hospitaliter von Aragon an der Verteidigung von Rhodos, besonders weil die katalanischen Kaufleute ihre Interessen im östlichen Mittelmeerraum geschützt sehen wollten. Die Union der beiden Königreiche brachte dann auch eine einheitlichere königliche Politik hinsichtlich der Ritterorden mit sich. Mihai-D. Grigore demonstriert, wie die orthodoxen Walachen Anfang des 16. Jahrhunderts als Teilnehmer des geplanten antiosmanischen Kreuzzuges wahrgenommen wurden, ungeachtet ihrer schismatischen Religion.

Die zweite Gruppe der Beiträge ist dem Bereich "Chivalry and Nobility" gewidmet. Dalibor Janiš stellt fest, dass die Teilnahme der böhmischen und mährischen Ritter an den Kreuzzügen, besonders im baltischen Raum, ein Forschungsdesiderat ist. Der eher kurze Überblick betont die Rolle der Könige Ottokar II. und Johann von Luxemburg und deren Beziehungen zum Deutschen Orden, die die tschechischen Nobili als Kreuzfahrer nach Preußen führten. Eine ebenso fast vergessene Episode der europäischen Kreuzzugsgeschichte beleuchtet Darius Baronas: Im 15. Jahrhundert haben auch die litauischen Ritter - die ehemaligen heidnischen Gegner der Kreuzritter - an den Kreuzzügen, vor allem gegen die Osmanen, teilgenommen. Benjámin Borbás resümiert die Hilfeersuche des Deutschen Ordens beim englischen König nach der Niederlage von Tannenberg 1410. Dass er den Orden dabei als "dying institution" (141) bezeichnet, geht wohl zu weit - der Orden existiert ja bekanntlich bis heute.

Konzentriert vor allem auf das Balkangebiet schildert der nächste Abschnitt, wie das lateinische Europa im 15. Jahrhundert praktisch "From Expansion to Defence" übergegangen ist. Paul Srodecki behauptet, dass das europäische Türkenbild nach der Schlacht von Nikopolis 1396 entstanden sei, früher hätten die osmanischen Türken unter den islamischen Völkern keine eigenständige Wahrnehmung gehabt. Dabei entstanden schon damals die parallelen Darstellungen der Türken, sowohl als unmenschliche Barbaren und gleichzeitig auch als exotische, erstaunenswerte Großmacht. Attila Bárany zeigt, welche Rolle Ungarn Anfang des 15. Jahrhunderts in den antitürkischen Kreuzzugsplänen spielte. Statt großzügiger Expeditionen organisierte König Sigismund von Luxemburg im Rahmen der Kreuzzugsideologie in den Grenzgebieten des Balkan ein effektives Verteidigungssystem, das auf Burgen und Pufferstaaten basierte. Sigismund war also ein "modern crusader" (218), also kein Ritter, sondern Organisator und Logistiker. Nevyan Mitev und Emir O. Filipović heben hervor, wie im 15. Jahrhundert die orthodoxen Balkanvölker zusammen mit den Kreuzfahrern gegen die Osmanen kämpften. Rimvydas Petrauskas kehrt in seinem Aufsatz zur litauischen Teilnahme an den Kreuzfahrten zurück und schildert, wie das Großfürstentum sich im 15. und frühen 16. Jahrhundert als Schutzwall der Christen gegen die Tartaren bzw. Türken und Moskowiter stilisierte. Auch Adam Szweda konzentriert sich auf die Kampfrhetorik, die 1466-1525, als der Hochmeister des Deutschen Ordens als Vasall des Königs von Polen amtierte, in den Beziehungen zwischen dem Orden und dem Königreich verwendet wurde. Die polnische Seite benutzte das Kreuzzugsthema, um den Orden zur Teilnahme an den Kämpfen im Süden gegen das Osmanenreich zu zwingen, die Diplomatie des Ordens aber betonte seine Rolle als Schutzwall gegen die schismatischen Russen im Norden, um so die militärischen Einsätze in fernen Steppen zu vermeiden.

Der letzte Teil der Publikation widmet sich der Thematik von "Legitimation and Propaganda". Der Kreuzzug gegen Heiden und Schismatiker und die von ihnen ausgehende vermeintliche Gefahr diente im 14. Jahrhundert der Herrschaftslegitimation in der Rhetorik der polnischen Könige Władysław I. Ellenlang und Kasimirs des Großen (Andrzej Marzec). Gleichzeitig aber wurde von der polnischen Seite keine religiöse oder mit den Kreuzzügen gebundene Motivation hervorgehoben, als das Königreich Galizien-Wolhynien einverleibt und integriert wurde (Sven Jaros). Ebenso hat, wie von Sergej Polechov demonstriert, der Großfürst Vytautas von Litauen den Kreuzzugstopos diplomatisch instrumentalisiert, zu einer Zeit, als der größte Teil der Bevölkerung seines Reiches orthodox war. Paul Srodecki betont, gesamteuropäisch kontextualisierend, die Rolle des Deutschen Ordens bei der Ausbildung der mittel- und ostmitteleuropäischen Bollwerk-Rhetorik im 15. Jahrhundert. Eine andere Sichtweise vertritt Pavel Soukup, der behauptet, dass sich die Kreuzzugsideologie mit Blick auf die Hussitenkriege "weak in practice and sterile in theory" gezeigt habe (375) - sie sei altertümlich und deshalb wenig effektiv gewesen.

Die Beiträge des Bandes haben jeweils ein individuelles Gesicht, wie es bei einem Tagungsresultat auch zu erwarten ist. Was die Beiträge miteinander verbindet, ist das Interesse an Phänomenen in der Peripherie. Dabei ist in erster Linie die Geographie gemeint, liegen die behandelten Regionen ja tatsächlich am Rande Europas. Vor allem aber haben die Herausgeber dazu beigetragen, Sachverhalte und Forschungsdiskussionen, die bisher am Rande der Geschichtsschreibung oder begrenzt in den lokalen Forschungstraditionen geblieben sind, einem größeren internationalen Publikum bekanntzumachen. Der Band macht auf aktuelle Forschungsdesiderate aufmerksam und wird der Forschung zukünftig neue Impulse geben.

Abschließend noch eine kleine Bemerkung am Rande. Als der Verlag die Outremer-Serie ins Leben rief (2004), wurde in den ersten Bänden eine größere und damit bedeutend leserfreundlichere Schrift verwendet. Dies hat sich inzwischen geändert. Doch es soll noch Leute geben, die gedruckte Bücher lesen.

Anti Selart