Rezension über:

Howard N. Lupovitch: Transleithanian Paradise. A History of the Budapest Jewish Community, 1738-1938 (= Central European Studies), West Lafayette, IN: Purdue University Press 2023, XIV + 306 S., ISBN 978-1-61249-780-8, USD 99,00
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Rezension von:
Catherine Horel
CNRS, Paris
Redaktionelle Betreuung:
Christoph Schutte
Empfohlene Zitierweise:
Catherine Horel: Rezension von: Howard N. Lupovitch: Transleithanian Paradise. A History of the Budapest Jewish Community, 1738-1938, West Lafayette, IN: Purdue University Press 2023, in: sehepunkte 25 (2025), Nr. 6 [15.06.2025], URL: https://www.sehepunkte.de
/2025/06/40327.html


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Diese Rezension erscheint auch in der Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung.

Howard N. Lupovitch: Transleithanian Paradise

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Howard S. Lupovitch ist Professor am Cohn-Haddow Center for Judaic Studies an der Wayne University in Detroit. Er hat bereits mehrere Bücher über die Juden in Ungarn veröffentlicht und zitiert sich selbst ausführlich in der Bibliografie. Ein weiteres Indiz dafür, dass es sich bei dem vorliegenden Werk eher um eine Synthese handelt, ist der Hinweis, dass einige der Kapitel bereits an anderer Stelle veröffentlicht wurden (XII).

Ziel des Autors ist eine Geschichte der Juden in Budapest, die gleichzeitig eine Stadtgeschichte darstellt. Eine seiner Hauptthesen lautet, dass Budapest ein Bild geboten habe, in dem die jüdische Bevölkerung sowohl Merkmale der Alten Welt (eine große orthodoxe Gemeinde) als auch der Neuen Welt (die Mehrheit der Gemeinde gehört der neologen Strömung an) aufgewiesen habe. In diesem Punkt ist die Argumentation recht überzeugend, da eine der Stärken des Buches gerade darin besteht, den Orthodoxen gebührenden Platz einzuräumen. In Büchern über die Juden in Ungarn und insbesondere in Budapest liegt der Schwerpunkt meist auf der Moderne und gerade der Assimilation in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts, dem sogenannten Goldenen Zeitalter. Die orthodoxe Gemeinde in Budapest wird von den Historikern des osteuropäischen Judentums hingegen zumeist nicht berücksichtigt.

Ein weiterer Pluspunkt des Buches ist die Behandlung dieser Geschichte über einen längeren Zeitraum hinweg. Es nimmt die Gründung der Gemeinde in Óbuda 1738 als Ausgangspunkt, die, wie er zeigt, noch früher erfolgte als in Pest. Mit Recht betont Lupovitch die Rolle der Magnaten bei der Besiedlung durch Juden, zu der es selbstverständlich aus wirtschaftlichen Gründen kam. An dieser Stelle hätte ein Verweis auf die Ansiedlung der Juden in Újpest (Palota) geholfen: Sie erfolgte auf dem Grundbesitz der Grafen Károlyi, während Lupovitch nur die Familie Zichy erwähnt, die zugegebenermaßen für Óbuda entscheidend war (aber sie besaßen auch einen Großteil des Landes um Preßburg, was nicht ohne Folgen für die örtliche jüdische Gemeinde blieb). Eines der bedeutendsten Mitglieder dieser Gemeinde, der Fabrikant Hermann Löwy, der immerhin erwähnt wird, übernahm später die Führung der Pester Gemeinde.

Insgesamt mangelt es dem Buch an Präzision, ja sogar an Stringenz, was sicherlich darauf zurückzuführen ist, dass es aus mehreren Studien zusammengesetzt wurde: So gibt es Wiederholungen sowie chronologische Sprünge, und einige wichtige Studien wurden nicht herangezogen. [1] Die Karte von Budapest wurde aus meinem Buch Histoire de Budapest entnommen, enthält praktisch in jedem Wort einen Fehler und ist sehr schlecht reproduziert. Weder der Autor noch der Verleger haben hier die eigentlich notwendige Sorgfalt walten lassen.

Die sprunghafte Erzählweise hat wiederum zur Folge, dass das im Vorwort angekündigte Hauptanliegen in Vergessenheit gerät: Am Ende hat man weder eine Stadtgeschichte noch eine wirkliche Geschichte der Juden, und der ungarische Kontext wird ebenso schlecht ausgedeutet. Der Verfasser zitiert und rezipiert ausführlich Julia Richers' Jüdisches Budapest [2], die bis heute beste Studie zu diesem Thema, insbesondere was das Vereinsleben der Frauen betrifft. Der Einfluss von Jüdinnen in der ungarischen Frauenbewegung wird von Lupovitch nicht erwähnt. Er liefert letztlich kaum etwas, was Fachleuten nicht bereits bekannt gewesen wäre. Und es sei auf einen weiteren Fehler hingewiesen: Mária Gárdos stammte aus einem Arbeitermilieu und nicht aus einer "affluent" Familie (167); dafür war bereits ihr Vater ein sozialdemokratischer Aktivist.

Im Laufe der Lektüre verschwindet die Sichtbarkeit der Juden im städtischen Raum. So wird bei den Überlegungen zum "maurischen" oder "orientalischen" Baustil (141) die Tatsache übergangen, dass dieser nicht nur den Synagogen vorbehalten war (sondern zum Beispiel auch beim Arsenal und der Rossauer Kaserne in Wien existierte) und später einige davon in anderen Architekturstilen errichtet wurden, die manchmal im Widerspruch zum Geist der Gemeinde standen, wie etwa die orthodoxe Synagoge in der Kazinczy-Straße 1911/12. Ebenfalls nicht erwähnt wird der Bau von Synagogen in den Randbezirken (Újpest, Kőbánya), der mit dem Zuwachs an jüdischer Bevölkerung infolge einer massiven Einwanderungsbewegung, aus der sich zahlreiche Arbeiter rekrutierten, zusammenhing. Diese Migration war insofern nicht auf die Juden beschränkt, und wenn Budapest als "jüdische Hauptstadt" etikettiert wurde, dann war sie zugleich auch eine slowakische Hauptstadt, da die Slowaken in Budapest zahlreicher waren als in jeder anderen Stadt in Oberungarn.

In Bezug sowohl auf die Geschichte der ungarischen Juden als auch auf die ungarische Geschichte sind weitere Mängel festzustellen: So werden die Revolution von 1848/49 und der Kontext des jüdischen Kongresses von 1868/69, der die Gemeinde in die drei Richtungen Orthodoxie, Neologismus und Status quo spaltete, nicht näher beleuchtet; in Bezug auf Baron József Eötvös wäre es nützlich gewesen zu erwähnen, dass in seinem Werk Die Emanzipation der Juden (1841) das Ziel sehr wohl die vollständige Assimilation, das heißt die Konversion, war. Weitere Verwirrung entsteht hinsichtlich des antisemitischen Politikers Győző Istóczy, der 1883 im Zusammenhang mit der Tiszaeszlár-Affäre (einer Ritualmord-Anklage) die kurzlebige Nationale Antisemitische Partei (Országos antiszemita párt) und nicht die Unabhängigkeitspartei gründete (214). Der Autor ist zu Recht so sehr darauf bedacht, nicht in Anachronismen zu verfallen, dass er schließlich ein zu idyllisches Bild der sogenannten Glücklichen Friedenszeit (boldog békeidő) zeichnet und ihm dadurch die Argumente für den Abschnitt zum Zeitraum 1918-1938 ausgehen, der bei Weitem am wenigsten gelungen ist. Bereits der für das Ungarn nach Trianon angegebene Prozentsatz der jüdischen Bevölkerung ist falsch: Die Zahl liegt bei etwa 6 Prozent und nicht bei 11,63 (203). Viktor Karádys sinnvolles Konzept der "Dissimilation" wird nicht aufgegriffen, obwohl sich damit hätte veranschaulichen lassen, wie illusorisch es gewesen war, die Juden zu Fremden einer Nation zu machen, der sie sich so massiv angeschlossen hatten - was mehrfach gesagt, aber nicht erläutert wird. Dies erfolgte insbesondere durch die Übernahme der Sprache und den Schulbesuch, der mehrheitlich außerhalb der Strukturen der jüdischen Gemeinschaft geschah, was der Autor nicht erklärt. Die Erwähnung des impliziten "Vertrags" (198) zwischen den ungarischen Adelseliten und den Juden hätte einen Hinweis auf Rolf Fischer [3] verdient. Die Polemik über die Übernahme von Gebräuchen, wie etwa dem Weihnachtsbaum, durch die Juden war nicht spezifisch für Budapest, sondern fand sich generell in der österreichischen und deutschen jüdischen Presse (168).

Der Mechanismus der Schaffung eines integrierten, wenn nicht assimilierten Individuums "ungarischer Jude/jüdischer Ungar" (magyarzsidó/zsidómagyar) wird hingegen durch die Gegenüberstellung von zwei in Pest geborenen Generationen am Beispiel von Max Nordau (1849) und Theodor Herzl (1860) (112-114) gut veranschaulicht. Diese spiegelt die ständige Debatte innerhalb und außerhalb der Gemeinde über die Identität und den Grad der Assimilation wider. Die Tatsache, dass beide Zionisten wurden, bildet aber eine Ausnahme innerhalb der damaligen jüdischen Gemeinde. Der Ungarisch-Israelitische Handwerks- und Landwirtschaftsverband MIKÉFE (1842-1949) verkörperte ebenfalls dieses Bemühen um Integration einerseits und um die Aufrechterhaltung einer religiösen jüdischen Identität andererseits. Diese Fluidität zwischen jüdischen und nicht jüdischen Welten wird gut beschrieben (197) und es ist symptomatisch, dass in den wohlhabenden Bezirken, in die die Juden allmählich zogen, keine Synagogen gebaut wurden.

Man bleibt also enttäuscht und frustriert zurück angesichts eines Buches, das sein Ziel teilweise verfehlt, indem es eine Synthese vorschlägt, die keine ist, da zu viele Fragen nur gestreift werden; anregende Denkanstöße werden ausgelassen. Man kann es nur als eine erste einführende Lektüre empfehlen.


Anmerkungen:

[1] Z.B.: Michael Miller: Rabbis and Revolution. The Jews of Moravia in the Age of Emancipation, Stanford 2011; Péter Bihari: Lövészárkok a hátországban. Középosztály, zsidókérdés, antiszemitizmus az első világháború Magyarországon [Schützengräben im Hinterland. Mittelstand, Judenfrage, Antisemitismus in Ungarn des Ersten Weltkriegs], Budapest 2008; Mária M. Kovács: Törvénytőlsújtva. A Numerus Clausus Magyarországon 1920-1945 [Der Numerus clausus in Ungarn 1920-1945], Budapest 2008; des Weiteren die Studien von Viktor Karády über die administrative Trägheit, aufgrund derer die antijüdischen Gesetze von 1938/39 nicht angewendet wurden.

[2] Julia Richers: Jüdisches Budapest. Kulturelle Topographien einer Stadtgemeinde im 19. Jahrhundert, Köln u.a. 2009.

[3] Rolf Fischer: Entwicklungsstufen des Antisemitismus in Ungarn 1867-1939. Die Zerstörung der magyarisch-jüdischen Symbiose, München 1988.

Catherine Horel