Rezension über:

Peter D. Clarke / Michael J. P. Robson (eds.): Popes, Bishops, Religious, and Scholars. Studies in Medieval History Presented to Patrick N. R. Zutshi for his Seventieth Birthday (= Brepols Essays in European Culture; Vol. 8), Turnhout: Brepols 2024, 439 S., 8 Farb-, 1 s/w-Abb., ISBN 978-2-503-60037-6, EUR 95,00
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Rezension von:
Ralf Lützelschwab
Centro Tedesco di Studi Veneziani, Venedig
Redaktionelle Betreuung:
Andreas Fischer
Empfohlene Zitierweise:
Ralf Lützelschwab: Rezension von: Peter D. Clarke / Michael J. P. Robson (eds.): Popes, Bishops, Religious, and Scholars. Studies in Medieval History Presented to Patrick N. R. Zutshi for his Seventieth Birthday, Turnhout: Brepols 2024, in: sehepunkte 25 (2025), Nr. 6 [15.06.2025], URL: https://www.sehepunkte.de
/2025/06/39891.html


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Peter D. Clarke / Michael J. P. Robson (eds.): Popes, Bishops, Religious, and Scholars

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Der Beitrag, den Patrick Zutshi über Jahrzehnte zur Erforschung des (avignonesischen) Papsttums und der Funktionsweise der päpstlichen Kanzlei im späten Mittelalter geleistet hat, ist enorm. Die Herausgeber der ihm zum 70. Geburtstag gewidmeten Festschrift bringen diesen Sachverhalt überzeugend auf den Punkt: "Indeed, the history of the papal chancery in the later Middle Ages and Patrick Zutshi have become synonymous in the last half century" (9).

Am Corpus Christi College in Cambridge akademisch sozialisiert, begann Zutshi bereits sehr früh, sich mit der Papstgeschichte zu befassen: Seine 1990 gedruckte Dissertation über päpstliche Originalbriefe in England wurde breit rezipiert, ebenso seine vielen Beiträge in Zeitschriften und Sammelbänden, die als "Collected Essays" 2021 in einem eigenen Band zusammengefasst wurden. [1] Neben Papst- und Kanzleigeschichte waren es vor allem die Bettelorden und die Frühgeschichte der Universität Cambridge, die seinen Forschungseifer entfachten. Dieser Interessenlage tragen die Beiträge der vorliegenden Festschrift Rechnung. Sie ist in vier große Abschnitte mit insgesamt 18 Artikeln gegliedert (I. Mendicants and the religious life; II. University and intellectual history; III. Bishops and secular clergy; IV. The papal curia between Avignon and Rome). Einiges sei in der Folge herausgegriffen.

Michael J. P. Robson skizziert und analysiert das Franziskus-Bild, das Matthew Paris als Zeuge der fortschreitenden Klerikalisierung und Akademisierung des Franziskanerordens in seiner Chronica majora entwarf. Aufgrund des Totalverlusts der Archive der englischen Provinz im 16. Jahrhundert ist die Chronica eine der wertvollsten Quellen zur mittelalterlichen Geschichte der Franziskaner in England. So sehr Matthew Franziskus selbst und das Ursprungscharisma der Franziskaner schätzte, so kritisch verfolgte er die weitere Ordensentwicklung (Francis of Assisi, Matthew Paris and his two copies of the Franciscan Rule of 1223, 27-49).

Herausragend sind die Seiten, die Frances Andrews und Louise Bourdua dem 57. Dogen der Republik Venedig, Giovanni Dolfin (gest. 1361) widmen (The notary, the sculptor, the friar and the doge: Giovanni Dolfin and his creditors in mid-fourteenth-century Venice, 51-75). Dolfins Testament, "a combination of the conventional and the personal" (52), wurde am 25. Juli 1360 abgefasst. Zu dieser Zeit wütete die Pest in Venedig - ihr waren bereits ein Sohn und die Gattin Dolfins zum Opfer gefallen. Nachlassaufzeichnungen in Verbindung mit dem Testament geben Einblick in die persönliche Lebenswirklichkeit - und dies bei einem Dogen, über den jenseits der politisch motivierten Erwähnungen innerhalb der Chronistik recht wenig verlautet. Wir erfahren etwas über seine letzten Lebensjahre - über die sich verschlechternde Gesundheit, noch nicht beglichene Forderungen seines Notars bis hin zu seinen Buchkäufen - und über die Prozesse, die nach seinem Tod angestrengt wurden. Die daraus resultierenden richterlichen Entscheidungen berichten aber nicht nur von den Handschriften, die Dolfin kurz vor seinem Tod illuminieren und binden ließ, sondern auch über die Zahlungen an den mit der Anfertigung des Grabes betrauten Bildhauer und über eine Meinungsverschiedenheit, in deren Zentrum die Frage stand, ob das Legen eines Fußbodens in der Dominikanerkirche SS. Giovanni e Paolo unter Verwendung der von Dolfin den Predigerbrüdern testamentarisch vermachten Summe von 100 Dukaten pro fabrica überhaupt zulässig war. Der Blick auf venezianische Mikrogeschichte zeigt, dass die Prokuratoren von San Marco "were prepared to spend repeated days in court protecting Dolfin's estate to benefit both his heirs and the finances of the Venetian state." (68)

Joan Greatrex spürt dem Persönlichkeitsprofil der Benediktinerinnen von Romsey nach (Who were the nuns of Romsey Abbey in the first half of the fourteenth century?, 95-107). Zur Geschichte der um 907 vom angelsächsischen König Edward dem Älteren gegründeten Abtei liegen nur wenige Quellen vor. Oft finden sich Hinweise in nicht-monastischer Überlieferung, so in einem Bericht über eine Äbtissinnenwahl vom Juni 1333, der in das Register von John Stratford, Bischof von Winchester, wanderte. Wurden üblicherweise nur das Datum, der Ort und die Namen der verstorbenen und neugewählten Äbtissin erwähnt, finden sich hier alle 93 Nonnen, die an der Neuwahl teilnahmen, namentlich aufgelistet (Abdruck der Liste, 105-107). Im Artikel wird nun erfolgreich versucht, die bloßen Namensnennungen mit Leben zu füllen und den familiären Hintergrund und die möglichen Netzwerke, in die die Nonnen eingebunden waren, zu entschlüsseln.

Brenda Bolton widmet sich der Frage, weshalb "nur" rund 400 Bischöfe am IV. Lateranum (1215) teilnahmen - deutlich weniger als vom Papst ursprünglich erwartet (Always waiting for the sea to cease its turmoil? Absentees from the Fourth Lateran Council, 175-212). Innocenz III. mochte mit harten kanonischen Strafen drohen, sollte man den Weg nach Rom scheuen oder viri idonei als Ersatz schicken - Beispiele wie diejenigen von Anders Sunesen, Erzbischof von Lund, oder von Wolfger von Erla, Patriarch von Aquileia, zeigen freilich, welche Entschuldigungen mit mehr oder weniger Erfolg vorgebracht werden konnten, um der anstrengenden Reise in die Ewige Stadt zu entgehen. Bolton sucht nach Gründen für die Abwesenheit vieler Bischöfe: Insbesondere für die Bischöfe Nordeuropas scheint ein "aging episcopate or ill-health or the combination of both" (209) verantwortlich für die Entscheidung gewesen zu sein, im Zweifel den Zorn des Papstes auf sich zu ziehen. Die erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts wiederentdeckte Teilnehmerliste des Konzils erwähnt rund 1.200 Personen. Ob sich dereinst vielleicht doch noch einer der 415 von Innocenz III. im Vorfeld des Konzils eingeforderten bischöflichen Rechenschaftsberichte findet?

Der bepfründete Klerus stellte nur einen kleinen Teil des Gesamtklerus in England dar. Unbepfründete Kleriker hatten die Chance - zumal wenn sie über keinerlei Protektion verfügten - beim Papst um Expektanzen in forma pauperum zu bitten. Diese Provisionsart fand nur selten den Weg in päpstliche Register und auch in England zeigt sich die Überlieferung überschaubar. Einem Glücksfall kommt deshalb die Häufung solcher Reservationen (526 Einträge) in den Registern der beiden Bischöfe Henry Burghersh (1320-1340) und Thomas Bek (1342-1347) von Lincoln gleich. Rückschlüsse darauf, wer die "armen Kleriker" waren und wie lange sie auf eine frei werdende Pfründe zu warten hatten, werden nun möglich. Dieser Thematik widmet sich Nicholas Bennett in seinem lesenswerten Beitrag (Hope or expectation? Papal provision of poor clerks in the diocese of Lincoln, 1320-1347, 229-248). Deutlich wird, dass die begünstigten "armen Kleriker" zu 95% aus der Diözese Lincoln selbst stammten und dass rund zwei Drittel der tatsächlich vergebenen Pfründen in der Verfügungsgewalt vor allem kirchlicher Institutionen lagen (mit Peterborough Abbey und den Hospitalitern an der Spitze). Eine Frage freilich muss aufgrund der defizitären Registrierpraxis wohl auf immer unbeantwortet bleiben: Wie viele der 526 genannten Kleriker gelangten tatsächlich in den Besitz der ihnen zugesprochenen Pfründe?

Kirsi Salonen macht durch den Blick in die Register der Pönitentiarie mit den Problemen kirchlicher Fastenvorschriften vertraut (Debilis complexio. Christians and dietary requirements of canon law, 371-388). Nach einer allgemeinen Einführung in die Möglichkeiten zur Dispens von Fastengeboten, vor allem Schwäche (debilitas) und Krankheit (infirmitas), richtet sich der Blick auf die einschlägigen, in der Pönitentiarie behandelten Fälle im Zeitraum von ca. 1450 (dem Einsetzen der Überlieferung) bis ins frühe 16. Jahrhundert. Jährlich stelle die Behörde rund 3.500 "Gnadenbriefe" aus, über den behandelten Gesamtzeitraum waren die 655 nachgewiesenen sog. "Butterbriefe" also nur für rund 1% des Gesamtaufkommens verantwortlich. Nachgewiesen wird, dass 47% der allen sozialen Schichten angehörenden Petenten "only wanted to use dairy products during the fasting period and to respect abstinence from eggs and meat" (377).

Die gelungene Festschrift ist keine Buchbindersynthese, sondern thematisch klar auf die Forschungsinteressen des Geehrten hin ausgerichtet. Sorgfältig lektoriert bewegen sich sämtliche Beiträge auf der Höhe der aktuellen Forschung und bereichern unsere Kenntnisse zur Funktionsweise von Kanzleien (und vielem mehr) durch neue, mitunter überraschende Facetten.


Anmerkung:

[1] Eine Liste der von 1981-2024 erschienenen Publikationen von Zutshi findet sich auf Seite 411-420; vgl. auch Patrick Zutshi: The Avignon Popes and their Chancery. Collected Essays (MediEVI; 30), Florenz 2021.

Ralf Lützelschwab