Rezension über:

Rory Naismith: Making Money in the Early Middle Ages, Princeton / Oxford: Princeton University Press 2023, XXI + 516 S., 41 s/w-Abb., ISBN 978-0-691-17740-3, GBP 38,00
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Rezension von:
Paolo Tedesco
Historisches Seminar, Eberhard Karls Universität, Tübingen
Redaktionelle Betreuung:
Étienne Doublier
Empfohlene Zitierweise:
Paolo Tedesco: Rezension von: Rory Naismith: Making Money in the Early Middle Ages, Princeton / Oxford: Princeton University Press 2023, in: sehepunkte 25 (2025), Nr. 5 [15.05.2025], URL: https://www.sehepunkte.de
/2025/05/38769.html


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Rory Naismith: Making Money in the Early Middle Ages

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Rory Naismiths Making Money in the Early Middle Ages bildet die bislang umfangreichste und gründlichste Studie zur Geschichte des Geldwesens im europäischen Frühmittelalter. Das Werk zeigt schlüssig auf, dass die europäische Gesellschaft im frühen Mittelalter tiefgreifend monetarisiert war. Beschrieben werden sowohl die Dynamiken dieser Vergeldlichung als auch deren zugrundeliegende, jedoch oft verborgene Logik in der Zeit zwischen dem 7. und 11. Jahrhundert.

Naismiths zentrale These lautet, dass weder staatliche Infrastrukturen noch die Prägung und der Gebrauch von Münzen notwendige Voraussetzungen für eine komplexe, monetarisierte Wirtschaft im Frühmittelalter darstellten. Vielmehr erreichte die mittelalterliche Wirtschaft auch ohne materielle Vermittlung durch Münzen oder Edelmetalle ein hohes Maß an Austausch und Handel. Entscheidend war in erster Linie, dass Menschen - selbst in Zeiten wirtschaftlicher Zersplitterung und eingeschränkten Zugangs zu geprägtem Geld - in monetären Kategorien dachten. Der Wert von Land, Vieh, Marktgütern und sogar von Menschenleben, Ehre und geistlichen Hingaben wurde in Geldeinheiten wie solidi, denarii, Pfennige usw. beschrieben und festgelegt.

Ein zweiter einschlägiger Befund der Studie besteht darin, dass der Gebrauch von Geld nicht das Produkt einer rein wirtschaftlichen Entscheidung war. Die Praxis ergab sich vielmehr daraus, dass Menschen, die in Geldkategorien dachten, bewusst in einem Netzwerk wechselseitiger Verpflichtungen agierten, in dem Faktoren wie Geschlecht, Alter, sozialer Status, und Herkunft den Zugang zu Geld und dessen Handhabung wesentlich beeinflussten. Auch wenn wirtschaftliche Transaktionen theoretisch auf freiwilligen - also horizontalen - Vereinbarungen zwischen gleichberechtigten Partnern beruhten, wurden sie dennoch von begleitenden, "nicht-ökonomischen" Faktoren geprägt, die ebendiesen egalitären und horizontalen Charakter ins Milieu ungleicher und vertikaler Geschäfte verzerrten.

Während das Münzwesen den Warenaustausch erleichterte, indem es - wie Naismith treffend formuliert - ein gemeinsames "ideologisches Projekt" schuf, diente es auch als Indikator für die wirtschaftliche Dominanz der Eliten über andere gesellschaftliche Gruppen.

Um diese beiden Entwicklungsstränge in der Verwendung mittelalterlichen Geldes zu erklären, unterteilt das Buch die Geldgeschichte des Mittelalters in drei Wirtschaftszyklen: die Spätantike (vom 4. bis zum 7. Jahrhundert), das Frühmittelalter (vom 7. bis zum 9. Jahrhundert), und das Hochmittelalter (vom 10. bis zum 11. Jahrhundert).

Die spätrömische Münzprägung und der Geldumlauf wurden größtenteils, wenn nicht sogar vollständig, durch staatliche Ausgaben getragen, die weitestgehend von äußeren Bedürfnissen und Zwängen verschiedener kaiserlicher Instrumente abgeschottet waren. Durch die Besteuerung hatte der Staat ein ausgeklügeltes und eng verzahntes Netzwerk geschaffen, das letztlich "steuerproduzierende Regionen" mit "steuerverbrauchenden Regionen" verband. Geld, Waren und Ressourcen flossen von der produzierenden und steuerzahlenden Bevölkerung - der überwiegenden Mehrheit der Bauern in den Provinzen - hin zu den Konsumzentren: den Bewohnern der Städte, Verwaltungssitze und Militärgarnisonen.

Dieses steuerbare Wirtschaftssystem sicherte die Zusammenarbeit zwischen den kaiserlich-staatlichen Institutionen und den landbesitzenden Eliten, da diese zu ihrem Vorteil in das System eingebunden wurden. Private Kaufleute nutzten diesen Kreislauf, um ihre Waren zu transportieren und Gold aus weit entfernten Märkten zu beziehen. Dies erklärt, warum die Marktverbindungen zwischen Westeuropa und dem östlichen Mittelmeerraum den Untergang des weströmischen Reiches, den Verlust Nordafrikas und des größten Teils des Nahen Ostens an die Araber überstanden haben. Gesamtheitlich betrachtet florierte die spätantike Wirtschaft ungehindert bis ins spätere siebte Jahrhundert.

Im Gegensatz dazu war der Übergang vom späten 7. zum 8. Jahrhundert von Elementen wirtschaftlicher Diskontinuität geprägt. Das nachrömische Münzwesen war das Ergebnis einer deutlich engeren Verknüpfung zwischen Münzprägung und Staatseinnahmen. In weiten Teilen des frühmittelalterlichen Europas wurde der Bedarf an Münzen zunehmend von den Eliten vorangetrieben; und zeitgleich verloren staatliche Ansprüche im Prägeprozess allmählich an Bedeutung: Münzen spiegelten nicht mehr primär die Steuerpolitik des Staates wider, sondern dienten zunehmend - und schließlich überwiegend - den Bestrebungen der Provinzherren nach Reichtum und einem höheren, tatsächlich verfügbaren Einkommen. Natürlich verloren staatliche Fernforderungen in dieser Hinsicht nicht plötzlich ihre Wirkung; sie traten jedoch zunehmend in den Hintergrund, insbesondere verglichen mit dem wachsenden wirtschaftlichen Einfluss der Eliten, die nunmehr die Kontrolle über die Produktion, die Standorte der Münzstätten, deren Regulierung und oft auch deren Schirmherrschaft übernahmen. Diese Eliten hatten das Potenzial, Märkte zu dominieren, vorrangig kleinere, was zur Folge hatte, dass der Zugang zu neu geprägtem Münzgeld an die Interessen enger Gruppen von Oberherren und Besitzenden an der Spitze der sozialen Hierarchie gebunden war. Es ist hervorzuheben, dass neu geprägte Münzen keineswegs für andere wirtschaftlich tätige Gruppen außerhalb der Eliten unzugänglich waren; vielmehr mussten sie sich den Spielregeln jener Systeme beugen, die vorrangig zum Vorteil der Eliten geschaffen worden waren. Zwangsläufig bedeutet das auch, dass die Eliten eine grundlegend andere Erfahrung im Umgang mit Münzgeld hatten als etwa bäuerliche Bevölkerungsgruppen. Dieser Wandel markiert eine der deutlichsten Abweichungen vom römischen Modell, das die frühmittelalterlichen Reiche geerbt hatten - ein Modell, bei dem die Münzproduktion einer stärker zentralisierten Staatstruktur vorbehalten war.

Im 7. Jahrhundert fand zudem der Übergang von Gold zu Silber statt. Mit dem Aufkommen von Denaren und Pfennigen setzte ein Aufschwung in der Prägung und Nutzung von Münzen ein, der teilweise den Wegfall der Bronzemünzen kompensierte, die zuvor für kleinere Transaktionen verwendet worden waren. Durch den Handel mit Silberpfennigen bzw. Denaren etablierten sich diese als zentrale Münzeinheit im frühmittelalterlichen Europa; und wurden für deutlich breitere Bevölkerungskreise zugänglich. Wie Pfennige und Denare tatsächlich verwendet wurden, hing stark von den lokalen Austauschstrukturen ab. In Ostengland und im Norden des fränkischen Reiches etwa verbreitete sich das Münzgeld in vergleichsweisen großen Mengen. Auch in den Niederlanden und in Italien finden sich zahlreiche Münzfunde; wobei deren Profil jedoch darauf hindeutet, dass Denare eher im Fernhandel als innerhalb regionaler Strukturen verwendet wurden. Es gab kein einheitliches Modell dafür, wie Münzgeld, Vermögen und Austausch miteinander verknüpft waren, dies hing von den Eigenheiten der einzelnen Gebiete ab.

Der dritte Währungszyklus begann im späten 10. und 11. Jahrhundert. Er bestand aus einem weitreichenden und deutlichen Anstieg in der Verwendung von Münzen. Münzgeld wurde häufiger und mit größerer Wirkung bei Landtransaktionen eingesetzt, aber auch in der herrschaftlichen Wirtschaft und auf den lokalen Märkten von Ägypten über Rom bis hin zu den Küsten Englands. Für frühere Generationen von Historikern war diese monetäre Expansion mit der sogenannten "Handelsrevolution" verbunden: einem steilen Aufstieg des Handels, der von Kaufleuten und Städten angetrieben wurde und um die erste Jahrtausendwende einsetzte. Die Geldexpansion ging mit dem damit eng verbundenen Wiederaufleben der Urbanisierung und des Warenhandels einher. Die Vorstellung einer "Handelsrevolution", die im Gegensatz zu der als "Feudalrevolution" bezeichneten epochalen Transformation steht, hat die unangenehme und künstliche Trennung zwischen dem städtisch-merkantilen Bereich und dem des landwirtschaftlichen Wachstums bedauernswerterweise vergrößert. Neuere Studien haben dagegen gezeigt, dass die Kommerzialisierung eng mit der Ausdehnung der Grundherrschaft sowie mit der Agrarproduktion und dem Bevölkerungswachstum verknüpft war. Naismith argumentiert überzeugend, dass Münzgeld eine Brücke zwischen diesen beiden wirtschaftlichen Kräften darstellt. Die Verflechtung von herrschaftlicher Macht und Geld hatte eine katalysierende Wirkung, die sowohl die Kommerzialisierung als auch das Bevölkerungswachstum vorantrieb.

Abschließend plädiert Naismith für eine angemessene Kontextualisierung wirtschaftlicher Entwicklungen - und zwar durch die Abkehr von der Vorstellung, dass die Nutzung von Geld wirtschaftlichen Fortschritt, neutrale Transaktionen und eine frühkapitalistische Logik bedeutete. Vielmehr sei die Geldwirtschaft als ein Produkt ihrer Zeit zu betrachten und in zeitgenössische Beziehungen unter sozialen Gruppen einzubetten. Naismiths Zugang zur Sozialgeschichte des Geldes liefert einen fundierten und überzeugenden Beitrag zu unserem Verständnis der Wirtschaftsgeschichte des Frühmittelalters.

Paolo Tedesco