Franz Hauner: Licht, Luft, Sonne, Hygiene. Architektur und Moderne in Bayern zur Zeit der Weimarer Republik (= Studien zur Zeitgeschichte; Bd. 93), Berlin / Boston: De Gruyter Oldenbourg 2020, VI + 491 S., 96 Abb., ISBN 978-3-11-063565-2, EUR 69,95
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"Licht, Luft, Sonne, Hygiene. Architektur und Moderne in Bayern zur Zeit der Weimarer Republik" von Franz Hauner erschien 2020. Die leicht überarbeitete Fassung der Münchner Dissertation hat den Umfang von 491 Seiten und 96 Schwarz-Weiß-Abbildungen.
Das Buch ist ein Desiderat im Hinblick auf die Forschungen zur Architekturgeschichte der Moderne in Bayern zur Zeit der Weimarer Republik. Die bisher vorhandene Literatur zum benannten Thema ist lückenhaft und spärlich bzw. in den letzten 20 Jahren, bis auf wenige Ausnahmen, so gut wie nicht vorhanden. Die Erforschung und Rezeption jener Architektur wurde lange verdrängt - oft mit dem Hinweis, dass das Neue Bauen keine Relevanz für Bayern habe. Franz Hauner selbst schreibt zur Forschungslage: "Eine umfassende Darstellung, die sich mit Architektur als historischer Quelle befasst und die Projektierung eines Gebäudes sowie die Diskussion darüber mit einbezieht, fehlt bislang." (14)
Um diesem Vakuum zu begegnen, wählt er einen umfassenden Ansatz für seine interdisziplinäre Arbeit, der weit über eine rein kunsthistorische Betrachtung hinaus geht. Minutiös arbeitet sich Hauner durch Archivalien des Architekturmuseums Schwaben, des Bistums Augsburg, des Erzbistums München und Freising, der Bayerischen Staatsbibliothek und der Stadtarchive Augsburg, München, Nürnberg, Schweinfurt und Würzburg, durch Zeitungen und Zeitschriften und viele weitere gedruckte Quellen. Es entsteht eine umfassende wissenschaftliche Recherche, die dem anspruchsvollen und für Bayern eher seltenen Thema eine fundierte Basis bietet.
Franz Hauner stellt zunächst die "politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen" (25) in Bayern nach dem Ersten Weltkrieg dar und leitet von diesen zur Architektur zeitgenössischer Bauprojekte über.
Bei der folgenden Auseinandersetzung mit "Bauhaus - Neue Sachlichkeit - Neues Bauen - Heimatschutz" (51) blickt Hauner von internationalen avantgardistischen Strömungen aus nach Deutschland, zu Schwerpunkten wie der Weißenhofsiedlung Stuttgart und dem Neuen Bauen in Frankfurt / Main, und schließlich nach Bayern. Er beschäftigt sich mit der Kunststadt München (66) und ihrem Konflikt zwischen Tradition und Moderne sowie dem damals die Stadt prägenden Architekten Theodor Fischer.
Im Abschnitt "III. Bauten der Gemeinschaft" (73) zeigt er den Kirchenbau, den Krankenhausbau und die Sportstätten auf. Im Hinblick auf die Moderne mit dem Kirchenbau zu beginnen erscheint ungewöhnlich, wird von Hauner jedoch sofort und schlüssig dahingehend begründet, dass die Geschichte Bayerns eng mit dem Kirchenbau verbunden sei.
Das Zusammenspiel von katholischem Kirchenbau und Neuer Sachlichkeit gestaltete sich schwierig, Hauner begründet, "dass für die überwiegend katholisch geprägte Bevölkerung im Freistaat der nüchterne Stil aus dem protestantischen Norden kam." (69) Die Moderne war offiziell nicht für den Kirchenbau erwünscht, realisierte Beispiele zeigen das Gegenteil. Exemplarisch hierfür das Münchner Kirchenbauprogramm und die Herz-Jesu-Kirche mit Priesterseminar von August Boßlet (1928) in Würzburg.
Für den evangelischen Kirchenbau stellt Hauner German Bestelmeyer vor, der damals mit dem Bau von rund 30 Kirchen als "Hofbaumeister" der evangelischen Landeskirche (121) galt und viele moderne Kirchen, darunter die sachliche Auferstehungskirche in München von 1930/31, schuf. Widersprüchlicher Weise war Bestelmeyer 1928 Mitbegründer der konservativen Architektenorganisation "Der Block", seit 1933 NSDAP-Mitglied und in seinem weiteren Schaffen der nationalsozialistischen Diktatur verpflichtet.
Für den Krankenhausbau zeigt Hauner Beispiele, wie die Münchner Klinikbauten (1929/30) von Richard Schachner, hier kommen Funktions- und Hygieneaspekte dazu, denen er detaillierte Untersuchungen im breiteren Kontext der Geschichte der Medizinbaus widmet. Zu gesundheitlichen und gemeinschaftlichen Aspekten gehören die Sportstätten: Hallen- und Volksbäder sowie Stadien und Planungen in München, Nürnberg, Augsburg und Würzburg, die in vier Abschnitten präzise dargestellt werden.
Weitere Abschnitte sind "IV. Wohnbauten und Siedlungen" (261) und "V. Bauten der Arbeit" (353). Kenntnis- und detailreich zeigt Hauner Beispiele der an Effizienz, Sparsamkeit und Stadthygiene ausgerichteten Architektur. Die Vielfalt in Form, Material und städtebaulichem Kontext erschließt sich gerade bei den Wohnbauprojekten in München und Augsburg. Auch die herausragenden Villen und Musterbauten Peter Feiles in Würzburg sind thematisiert. Die Thesen, dass das Pendel immer wieder zwischen Tradition und Moderne ausschlägt und die Flachdachdiskussion zum Synonym der ideologischen Auseinandersetzung wird sind zwar nicht neu, Hintergründe und Regionalität der Diskussionen werden hier aber sehr eindrücklich an mehreren Stellen im Buch (u.a. 51/52, 268, 343) argumentiert.
Nicht nur bei den Sportstätten, auch bei "Bauten der Arbeit" (353), wie dem (2008 abgerissenen) Milchhof in Nürnberg, dem "größten und modernsten Milchhof Europas" (376) zeigt sich die prägende Rolle von Otto Ernst Schweizer, einem Schüler von Theodor Fischer.
Wichtig für das Neue Bauen in Bayern war der Poststaatsvertrag der Weimarer Republik von 1920. Er sah den Übergang der Bayerischen Staatspost in die Deutsche Reichspost in Berlin vor. Als Zeichen der Unabhängigkeit entstand in München eine separate Abteilung des Reichspostministeriums, mit Bauressort. In diesem Rahmen entwickelte sich die Bayerische Postbauschule, unter Leitung von Robert Vorhoelzer und Robert Poeverlein, vielfach in vollendeten modernen Bauformen. Hier wäre eine stärkere Fokussierung auf die Architektur der Postbauschule (356-367) wünschenswert gewesen. Nur wenige Architekten in Bayern, die sich der Moderne verpflichtet sahen, standen nicht im Zusammenhang zur Postbauschule. Ihr können von 1920 bis 1935 etwa 350 Bauten, auch in Dörfern und Kleinstädten, zugeordnet werden. Dass nicht alle davon zur Moderne zählen, mag ein Grund für die gewisse Zurückhaltung Hauners gegenüber der Postbauschule gewesen sein. Auch richtet die Untersuchung ihren Blick folgerichtig vor allem auf die Städte. Das ländliche Bauen, bei dem es einige wenige Beispiele moderner Architektur jener Zeit gibt, bleibt weitgehend unberücksichtigt.
Die 96 Abbildungen sind bis auf 5 Bilder, die nach 2000 entstanden, historische Fotografien der Gebäude, Modellfotos, Grundrisse oder historische Plakate, aus der Erbauungszeit. Das ist begründbar, da viele Bauten umgebaut oder heute nur noch schwer zu fotografieren sind. Leserin oder Leser erfahren meistenteils nur im Text, ob die Gebäude noch stehen, umgebaut oder abgerissen wurden - direkte Hinweise beim Foto wären von Vorteil.
Die wenigen Kritikpunkte sollen der unbedingten Empfehlung des Werkes jedoch keinen Abbruch tun. Es ist sehr gut, dass dieses Buch, welches mehr als ein weiteres wichtiges Puzzleteil in der Auseinandersetzung mit der Moderne in Bayern von 1919 bis 1933 darstellt, entstanden ist. Aufgrund der inhaltlichen Breite und seines wissenschaftlichen Fundamentes sollte es für jeden mit den Bauten jener Zeit befassten Entscheidungsträger Pflichtlektüre sein. Die Abrisse von Zeugnissen der Moderne in letzten Jahren zeigen schmerzlich, dass für diese Architekturschöpfungen allzu oft die Kenntnisse und das Verständnis bis in die oberen Fach- und Entscheidungsebenen fehlen.
Kaija Voss