Matthias Schnettger: Mehrfach-Besprechung: Wolfgang Behringer: Der große Aufbruch. Globalgeschichte der Frühen Neuzeit, München: C.H.Beck 2023. Einführung, in: sehepunkte 24 (2024), Nr. 7/8 [15.07.2024], URL: https://www.sehepunkte.de
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Von Matthias Schnettger
Die Globalgeschichte ist sicherlich eine der größten historiographischen Herausforderungen nicht nur, aber auch für die Frühneuzeitforschung. Darüber, dass traditionelle "Weltgeschichten" oder "Universalgeschichten", die in einer unreflektierten eurozentristischen Sichtweise verharrten und in aller Regel zugleich der außereuropäischen Geschichte ein an den europäischen Entwicklungen entwickeltes Periodisierungsschema überstülpten, heutigen Ansprüchen nicht mehr genügen können, herrscht weitgehende Einigkeit. Gleichzeitig bestehen dank einer wachsenden Zahl von Spezialstudien zu außereuropäischen Ländern und zu spezifischen interkontinentalen Beziehungsgeschichten mittlerweile viel bessere Voraussetzungen dafür, eine neuartige Globalgeschichte schreiben zu können, als noch vor wenigen Jahrzehnten.
Dennoch gehören ein immenser Recherche- und Leseaufwand, die intellektuelle Fähigkeit, sich in die unterschiedlichsten Gegenstände einzuarbeiten und diese angemessen zu durchdringen, die Begabung, die Vielzahl der gewonnenen Erkenntnisse zu einer in sich konsistenten, lesbaren Darstellung zu verknüpfen, ein gerütteltes Maß an Erfahrung und nicht zuletzt eine gehörige Portion Mut dazu, das Wagnis auf sich zu nehmen, welches das Verfassen einer Globalgeschichte zweifellos darstellt. Genau diese Fähigkeiten und diesen Mut hat Wolfgang Behringer bewiesen, dessen monumentale, etwa 1300 Seiten umfassende "Globalgeschichte der Frühen Neuzeit" auch für ihn gewissermaßen einen "großen Aufbruch" darstellt. Denn bislang hat sich Wolfgang Behringer kaum durch Forschungen zur außereuropäischen Geschichte profiliert, wenngleich beispielsweise seine klimageschichtlichen Arbeiten durchaus globale Horizonte erkennen lassen. [1]
In unserem FORUM blicken drei Forschende aus sehr unterschiedlichen disziplinären Perspektiven auf dieses Opus magnum: Barbara Henning, eine Spezialistin für die osmanische Geschichte, [2] Simon Karstens, der jüngst mit zwei Monographien zu gescheiterten Kolonialprojekten in Amerika hervorgetreten ist, [3] und Jürgen Osterhammel, der sich vor allem der Geschichte Asiens in globalen Kontexten gewidmet und 2009 eine Globalgeschichte des 19. Jahrhunderts vorgelegt hat. [4] Ihre - mit unterschiedlichen Akzentuierungen - wertschätzenden, aber durchaus nicht unkritischen Urteile lassen die Leistung und das Wagnis Wolfgang Behringers klar hervortreten, und sie machen Lust darauf, sich selbst in die Lektüre zu stürzen, um sich eine eigene Meinung zu bilden.
Anmerkungen:
[1] Wolfgang Behringer: Kulturgeschichte des Klimas. Von der Eiszeit bis zur globalen Erwärmung. 6., aktualisierte Aufl., München 2022; ders.: Tambora und das Jahr ohne Sommer. Wie ein Vulkan die Welt in die Krise stürzte, München 2015.
[2] Z.B. Barbara Henning u.a. (Hg.): Knowledge on the Move in a Transottoman Perspective, Göttingen 2021.
[3] Simon Karstens: Gescheiterte Kolonien - erträumte Imperien. Eine andere Geschichte der europäischen Expansion 1492-1615, Köln / Weimar / Wien 2021; ders.: Untergegangene Kolonialreiche - Gescheiterte Utopien in Amerika, Köln / Weimar / Wien 2022.
[4] Jürgen Osterhammel: Die Verwandlung der Welt. Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts, München 2009.