Rezension über:

Manuel Köster: Aufgabenkultur im Geschichtsunterricht (= Methoden Historischen Lernens), Frankfurt/M.: Wochenschau-Verlag 2021, 239 S., ISBN 978-3-7344-1211-0, EUR 14,90
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Rezension von:
Christoph Bramann
Geschichts- und Politikdidaktik, Paris-Lodron-Universität, Salzburg
Redaktionelle Betreuung:
Christian Kuchler
Empfohlene Zitierweise:
Christoph Bramann: Rezension von: Manuel Köster: Aufgabenkultur im Geschichtsunterricht, Frankfurt/M.: Wochenschau-Verlag 2021, in: sehepunkte 22 (2022), Nr. 7/8 [15.07.2022], URL: https://www.sehepunkte.de
/2022/07/36520.html


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Manuel Köster: Aufgabenkultur im Geschichtsunterricht

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Wurde innerhalb der Geschichtsdidaktik noch im Jahr 2011 vom Beginn einer "Suche nach einer neuen Aufgabenkultur historischen Lernens" [1] gesprochen, setzt Manuel Köster mit seiner Monografie zur "Aufgabenkultur im Geschichtsunterricht" im Rahmen dieser Suche einen wichtigen Meilenstein. Er bearbeitet damit ein Themenfeld, das in den letzten Jahren zu einem festen Bestandteil fachdidaktischer Diskurse zur Erforschung kompetenzorientierter Lehr-Lern-Arrangements wurde [2], und auch innerhalb der geschichtsdidaktischen Aufgabenforschung - bisweilen kontrovers - diskutiert wird. [3] Der Autor selbst betont, er möchte mit seinem Buch "unterschiedliche, bislang weitgehend unabhängig voneinander existierende Diskursfelder zur Bedeutung unterschiedlicher Aufgabentypen" aufeinander beziehen, da Aufgaben im schulischen Alltag weiterhin "manchmal eher stiefmütterlich behandelt" würden (7).

Der Band ist unterteilt in sechs Kapitel sowie ein umfangreiches Literaturverzeichnis. Einer kurzen Einleitung folgen zunächst Überlegungen zu Definitionsfragen, in denen der Begriff der "Aufgabe" in seinen verschiedenen (schul-)alltagsprachlichen und wissenschaftstheoretischen Bedeutungs- und Nutzungsvarianten umrissen und auf Geschichtsunterricht als "soziales System" (19) bezogen wird. Daraus leitet Köster eine umfassende "Arbeitsdefinition von Aufgaben im Geschichtsunterricht" ab, in der diese als "kommunikative Angebote" profiliert werden, die so in die Unterrichtsstruktur einzubinden sind, "dass Schüler*innen die Möglichkeit zu lernen gegeben wird". (20)

Im zweiten Kapitel, das - auch dem Umfang nach - einen zentralen Bestandteil des Buches darstellt, widmet sich der Autor dann der Vorstellung verschiedener Aufgabentypen, wobei zwischen Diagnose-, Lern- und Prüfungsaufgaben unterschieden wird, die jeweils in einem eigenen Unterkapitel ausführlich vorgestellt werden (22-84). Dabei geht Köster nicht nur detailliert auf den Forschungsstand sowie mögliche Gütekriterien für die verschiedenen Aufgabentypen ein (die teilweise aus bereits vorhandenen Kriterienkatalogen übernommen, teilweise aber auch um eigene Überlegungen ergänzt werden), sondern präsentiert am jeweiligen Kapitelende auch einen zusammenfassenden "Fragenkatalog", der Lehrpersonen bei der Konzeption eigener Aufgaben eine Orientierung bieten soll.

Im dritten Kapitel wird schließlich der zentrale Begriff der "Aufgabenkultur" näher expliziert. In Bezugnahme auf allgemein- und geschichtsdidaktische Ansätze profiliert Köster diesen als einen "Oberbegriff", der sowohl Aspekte des Aufgabentextes (verstanden als "die eigentlich vorbereitete Aufgabe"), als auch des Aufgabenkontextes (verstanden als den "Umgang mit der Aufgabe im Unterricht") umfasst (85). Nach der Vorstellung empirischer Forschungen zur Nutzung von Aufgaben im Unterricht beschreibt Köster dafür unterschiedliche Ausprägungen einer Aufgabenkultur als Ausdruck verschiedener Lehr-Lern-Konzepte (darbietend, erarbeitend, aufgabenzentriert, projektförmig, erkundend). [4]

In den folgenden Kapiteln vier ("Aufgaben und Sprache") und fünf ("Aufgaben in der Netzwerkgesellschaft") werden dann zwei spezifische Aspekte vertiefend betrachtet. So fokussiert das vierte Kapitel nach einer Beschreibung des Zusammenhangs der verschiedenen "Sprachlichen Dimensionen im Geschichtsunterricht" (105) vor allem auf die durch Aufgaben verlangten fachsprachlichen Anforderungen sowie die Verständlichkeit einer Aufgabe. Im fünften Kapitel wirft Köster hingegen einen Blick darauf, wie über Aufgaben auch digitale Angebote, die in der Regel nicht explizit für den Unterrichtsgebrauch entwickelt wurden, zielführend für Geschichtsunterricht adaptiert und in diesen eingebunden werden können.

Im sechsten und letzten Abschnitt werden schließlich ausführlich verschiedene Beispielaufgaben zu den im zweiten Kapitel vorgestellten Aufgabentypen vorgestellt. Insgesamt werden zwei Diagnoseaufgaben, zwei Lernaufgaben und verschiedene offene Variationen von Prüfungsaufgaben expliziert, die hinsichtlich der zugrundeliegenden didaktischen Strukturen und Zielsetzungen detailliert beschrieben werden und darüber hinaus zum Teil konkret aufeinander abgestimmt sind. Zudem finden sich teilweise umfangreiche Anregungen zur Differenzierung (165-173), sodass die Beispiele auch für diversitätssensible Unterrichtszugänge anschlussfähig gemacht werden, wie sie in den letzten Jahren auch in der Geschichtsdidaktik vermehrt diskutiert werden. [5]

Der vorliegende Band besticht durch einen klaren strukturellen Aufbau, der sowohl theoretische als auch praktische Ansätze zur Konstruktion verschiedener Aufgabentypen miteinander verbindet. Einzig die Kapitel vier und fünf scheinen sich - obwohl sie für sich genommen durchaus interessante Ansätze bieten - nicht so recht in die Gesamtstruktur einzufügen, da sie von den abschließend präsentierten Aufgabenbeispielen (Kap. 6) kaum aufgegriffen werden.

Eine besondere Stärke des Buches liegt in der detailreichen Beschreibung und Kontextualisierung des geschichtsdidaktischen Aufgabendiskurses der letzten Jahrzehnte, bei der neben deutschsprachigen Zugängen immer wieder auch die angloamerikanische Geschichtsdidaktik berücksichtigt wird. Lediglich an wenigen Stellen bleibt die Auswahl der in die Darstellung (nicht) einbezogenen Arbeiten nicht ganz nachvollziehbar (53 u. 83, Anm. 13). Dem mittlerweile umfangreichen Diskurs um die Erforschung einer fachspezifischen Aufgabenkultur im Geschichtsunterricht wird damit weitgehend Rechnung getragen, auch wenn einzelne Themenfelder ihrer unterrichtspragmatischen Etablierung, wie z.B. mögliche Umsetzungsoptionen in Geschichtsschulbüchern (als häufig am Unterrichtsgeschehen beteiligten Lernmedien) [6], nur beiläufig erwähnt werden (66). Trotz einer detaillierten Ausdifferenzierung verschiedener Aufgabentypen finden sich zudem vereinzelt unspezifische Begriffe, wie "(Lern-)Aufgaben" (10, 20), was jedoch weniger dem Autor anzulasten ist, als vielmehr als Ausdruck des sich weiterhin im Aushandlungsprozess befindlichen Diskurses verstanden werden sollte.

Besonders positiv hervorzuheben ist das Bemühen des Autors, den schwierigen Spagat zwischen einer differenzierten Darstellung (wissenschafts-)theoretischer Grundlagen sowie deren (unterrichts-)pragmatischer Adaption in Form anwendungsbezogener Fragenkataloge und Aufgabenbeispiele zu meistern. Auch wenn die entwickelten Beispiele in Umfang und Komplexität vor allem an leistungsstarken Lerngruppen orientiert zu sein scheinen - und damit die vor allem von Bodo von Borries immer wieder hervorgehobene "gymnasiale Schlagseite" [7] geschichtsdidaktischer Forschung widerspiegeln -, gelingt ihm dieser Zugang insgesamt sehr gut. Im Kontext der eingangs beschriebenen "Suche" nach einer Aufgabenkultur historischen Lernens markiert Manuel Kösters Monografie daher ein zentrales - und zudem äußerst lesenswertes - Etappenziel.


Anmerkungen:

[1] Christian Heuer: Gütekriterien für kompetenzorientierte Lernaufgaben im Fach Geschichte, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 62, 7/8 (2011), 443-458, hier 447.

[2] Vergleiche etwa Stefan Keller / Ute Bender (Hgg.): Aufgabenkulturen. Fachliche Lernprozesse herausfordern, begleiten, auswerten, Seelze-Velber 2012; Josef Thonhauser (Hg.): Aufgaben als Katalysatoren von Lernprozessen, Münster / New York 2008.

[3] Vergleiche unter anderem die unterschiedlichen Ansätze bei Nicola Brauch: Lernaufgaben im kompetenzorientierten Geschichtsunterricht, in: Lernaufgaben - Didaktische Forschungsperspektiven, hg. von Patrick Blumschein, Bad Heilbrunn 2014, 217-230; Christian Heuer: Gute Aufgaben?! Plädoyer für einen geschichtsdidaktischen Perspektivenwechsel, in: Das Geschichtsschulbuch. Lehren - Lernen - Forschen, hg. von Christoph Kühberger / Roland Bernhard / Christoph Bramann, Münster 2019, 147-160, hier 150; Holger Thünemann: Historische Lernaufgaben. Theoretische Überlegungen, empirische Befunde und forschungspragmatische Perspektiven, in: Zeitschrift für Geschichtsdidaktik 12, 1 (2013), 141-155.

[4] Vergleiche ähnlich bereits Christian Heuer: Zur Aufgabenkultur im Geschichtsunterricht, in: Aufgabenkulturen (wie Anmerkung [2]), 100-112, hier 105f.

[5] Vergleiche hierzu jüngst Sebastian Barsch / Bettina Degner / Christoph Kühberger / Martin Lücke (Hgg.): Handbuch Diversität im Geschichtsunterricht. Inklusive Geschichtsdidaktik, Frankfurt 2020.

[6] Vergleiche hierzu exemplarisch Michael Sauer: Schulgeschichtsbücher. Herstellung, Konzepte, Unterrichtseinsatz, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 67, 9/10 (2016), 588-603, hier 595f.

[7] Bodo von Borries / Claudia Fischer / Sibylla Leutner-Ramme / Johannes Meyer-Hamme: Schulbuchverständnis, Richtlinienbenutzung und Reflexionsprozesse im Geschichtsunterricht, Neuried 2005, hier 11.

Christoph Bramann