Sabine Haag / Mario Klarer / Veronika Sandbichler (Hgg.): Piraten und Sklaven im Mittelmeer. Eine Ausstellung von Schloss Ambras Innsbruck und der Universität Innsbruck, Innsbruck: Haymon Verlag 2019, 200 S., ISBN 978-3-7099-3469-2, EUR 24,95
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Jan Hinrich Hagedorn: Domestic Slavery in Syria and Egypt, 1200-1500, Göttingen: V&R unipress 2019
Daniel Hershenzon: The Captive Sea. Slavery, Communication, and Commerce in Early Modern Spain and the Mediterranean, Philadelphia, PA: University of Pennsylvania Press 2018
G.H.A. Juynboll: Encyclopedia of Canonical Ḥadīth, Leiden / Boston: Brill 2007
Sabine Haag (Hg.): Schaurig schön. Ungeheuerliches in der Kunst, Wien: Christian Brandstätter Verlag 2011
Sabine Haag / Elke Oberthaler / Sabine Pénot (Hgg.): Vermeer - Die Malkunst. Spurensicherung an einem Meisterwerk, St. Pölten: Residenz-Verlag 2010
Mario Klarer (ed.): Piracy and Captivity in the Mediterranean 1550-1810, London / New York: Routledge 2019
Anlässlich des 350-jährigen Jubiläums der 1669 gegründete Leopold-Franzens-Universität Innsbruck hat es vom 20. Juni bis zum 6. Oktober 2019 auf Schloss Ambras eine sehr schöne Ausstellung zum Thema "Gefangen von Piraten: Sklaverei und Seeraub im Mittelmer (1500-1800)" gegeben. Sie ist hervorgegangen aus einer Zusammenarbeit des FWF-Forschungsvorhabens ESCAPE ("European Slaves: Christians in African Pirate Encounters") und dem vom BBWF gefördertes Bildungsprogramm "Sparkling Science" unter Leitung von Mario Klarer. Zwei Jahre lang befassten sich Schüler*innen "der Handelsakademie und Handelsschule Innsbruck, der HTL Bau und Design Innsbruck, des Akademischen Gymnasiums Innsbruck und der HBLA (Ferrarischule) (...) mit dem Ausstellungsthema, entwickelten vorwissenschaftliche Arbeiten daraus und gestaltete im Rahmen ihres Unterrichts eigenständige Ausstellungsobjekte, von denen eine Auswahl gezeigt" (8) wurde. Der Ausstellungskatalog setzt sich aus zwei Teilen zusammen. Auf knappe Texte zum historischen Hintergrund folgen Abbildungen der einzelnen Objekte mit kurzen Erläuterungen. Für den ersten Teil hat man eine Reihe von Spezialist*innen gewinnen können, die einen ausgezeichneten Überblick über die verschiedenen Facetten von Kaperkrieg, Gefangenschaft, Sklaverei, Freilassung und Loskauf auf dem Mittelmeer in der Frühen Neuzeit geben. Im Einzelnen sind dies: Matthias Pfaffenbichler (Kunsthistorisches Museum Wien): "Der Kampf um das Mittelmeer zwischen Habsburgern und Osmanen" (15-21); Nabil Matar (University of Minnesota): "Captive 'Turkes' in European Sculpture" (22-28); Magnus Ressel (Universität Frankfurt): "Der Freikauf europäischer Gefangener aus Nordafrika. Ein europäisches Panorama" (29-35); Khalil El Abdaoui (Universität Innsbruck): "Karriere durch Konversion. Der Niederländer Murat Reis wird Admiral in Salé" (36-39); Ernstpeter Ruhe (Universität Würzburg): "Selbstporträt als Sklave. Ein Künstler als Gefangener am Hof des Dey von Algier (1684-1688)" (40-47); Mario Klarer (Universität Innsbruck): "Regionale Verflechtungen transmediterraner Piraterie und Sklaverei. Tunis, Danzig und Innsbruck - drei Fallstudien" (48-55); Katja Schmitz von Ledebur (Kunsthistorisches Museum Wien): "Der Tunis-Kriegszug Kaiser Karls V. Eine Dokumentation in Kartons und Tapisserien" (56-63); Arnold Sigl (Kunsthistorisches Museum Wien): "Die treibende Kraft - Manpower. Ein Streiflicht auf die Galeere des 16. Jahrhunderts" (64-71) sowie Robert Spindler (Universität Innsbruck): "Fluch des Mittelmeeres. Zur Rezeption der Barbareskenkorsaren in der Populärkultur" (72-78). Jeder Beitrag schließt mit einer englischen Zusammenfassung.
Die 81 Objekte des eigentlichen Katalogteils, die vornehmlich aus den Beständen des Schlosses Ambras oder des Kunsthistorischen Museums in Wien stammen, verteilen sich auf fünf Themenbereiche: (1) Intro - Piraten und Sklaven im Mittelmeer (drei Objekte), (2) Orte und Alltagsleben (25 Objekte), (3) Schifffahrt und Navigation (13 Objekte), (4) Ereignisse - Protagonisten - Ausrüstung (26 Objekte) und (5) Piraten - Sklaven - Rezeption (14 Objekte). Hier lassen sich wirklich sehr spannende Entdeckungen machen. So sehen wir etwa einen Helm, den Karl V. (gest. 1558) wohl bei dem desaströsen Versuch der Einnahme Algiers im Oktober 1541 getragen hat. Jacques Philippe Laugier de Tassy hat seiner "Histoire du royaume d'Alger" (Amsterdam 1725) eine recht genaue politisch-geographische Karte beigefügt, die allerdings schon vorher von dem Amsterdamer Kupferstecher und Kartographen Joan Blaeu (1596-1673) veröffentlicht worden war. Von den an der Ausstellung beteiligten Schüler*innen der HTL Bau und Design wurde zusätzlich ein Modell von Algier um 1600 sowie Plakate mit einem Stadtplan, Prototypen von Stadthäusern und einem Bagnio angefertigt. Schiffsmodelle und -zeichnungen, Portraits wichtiger Protagonisten [Karl V, Sultan Süleyman I. (gest. 1566), Andrea Doria (gest. 1560), Khayr al-Din Barbarossa (gest. 1546), Philipp II. (gest. 1598)] sowie Darstellungen der Schlachten von Tunis 1535 und Lepanto 1571 sind ebenso sehenswert und informativ wie zahlreiche zeitgenössische Waffen und Rüstungen. Interessant sind schließlich auch die Manuskripte und Drucke der Berichte, die Balthasar Sturmer (lebte in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts), Emanuel de Aranda (gest. 1686) und die Brüder Andreas Matthäus Wolffgang (gest. 1736) und Johann Georg Wolffgang (gest. 1744) über ihre Abenteuer während ihrer jeweiligen Gefangenschaft verfasst haben. Ein ähnliches Schlüsselerlebnis bildete auch den Hintergrund für Miguel de Cervantes (gest. 1616) weltberühmtes fiktionales Werk "El ingenioso hidalgo Don Quixote de la Mancha" (Madrid, 1605. 1615 erschien der zweite Teil), das ebenfalls in der Ausstellung zu sehen war. Der klassische Piratenroman, der bis heute die Vorlage für alle Freibeuter- und Korsarendarstellungen liefert, ist sicherlich Robert Louis Stevensons (gest. 1894) "Treasure Island" (Leipzig 1884).
Auch wenn nicht bei allen Objekten der Bezug zu Piraterie und Sklaverei ganz klar wird, ergänzen sich die beiden Teile des Ausstellungskatalogs sehr gut. Das Konzept und seine Umsetzung finde ich gelungen, obgleich die Verflochtenheit der europäischen Protagonisten mit dem Sklavenhandel bisweilen noch deutlicher herausgestellt hätte werden können.
Stephan Conermann