Michael Hochedlinger / Petr Mat'a / Thomas Winkelbauer (Hgg.): Verwaltungsgeschichte der Habsburgermonarchie in der Frühen Neuzeit. Band 1: Hof und Dynastie, Kaiser und Reich, Zentralverwaltungen, Kriegswesen und landesfürstliches Finanzwesen (= Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung; 62), Wien: Böhlau 2019, 2 Bde., 1308 S., ISBN 978-3-205-20766-5, EUR 150,00
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Josef Pauser / Martin Scheutz / Thomas Winkelbauer (Hgg.): Quellenkunde der Habsburgermonarchie (16. - 18. Jahrhundert). Ein exemplarisches Handbuch, München: Oldenbourg 2004
Michael Hochedlinger: Österreichische Archivgeschichte. Vom Spätmittelalter bis zum Ende des Papierzeitalters, Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2013
Thomas Winkelbauer: Gundaker von Liechtenstein als Grundherr in Niederösterreich und Mähren. Normative Quellen zur Verwaltung und Bewirtschaftung eines Herrschaftskomplexes und zur Reglementierung des Lebens der Untertanen durch einen adeligen Grundherren sowie zur Organisation des Hofstaats und der Kanzlei eines "Neufürsten" ..., Wien: Böhlau 2008
Der Titel des vorliegenden Werkes ist zum Glück irreführend: Denn vorgelegt wurde mitnichten eine Verwaltungsgeschichte im engeren Sinne, also im Sinne einer Geschichte zentraler Verwaltungseinrichtungen, sondern wesentlich mehr. Die Breite der Darstellung deutet bereits der Untertitel an, der auf Bereiche verweist, die man traditionell eher nicht in einer Verwaltungsgeschichte suchen würde. Der Ansatz des Werkes ist damit auch wesentlich breiter als der der Deutschen Verwaltungsgeschichte, die ebenfalls ein Kapitel über die habsburgischen Länder enthält. [1] Gerade die ersten Kapitel lassen den andersgearteten Ansatz besonders deutlich werden. Denn der Band beginnt eben nicht mit einer Übersicht über die Zentralbehörden oder einer Darstellung erster zentraler Reformen um 1500, sondern - nach Ausführungen zum Begriff der Habsburgermonarchie und den einzelnen Territorien - mit einem Kapitel über Dynastie und Adel. Damit folgt der Band den Forschungen der letzten Jahre, die die zentrale Rolle der Dynastien herausgearbeitet haben. Das ist gerade bei einer Verwaltungsgeschichte bemerkenswert, die sicher noch wesentlich mehr als Publikationen zu anderen Themen in der Gefahr steht, anstaltsstaatliche und Behördenstrukturen des 19. Jahrhunderts rückzuprojizieren oder wenigstens ihre Vorläufer in Erscheinungen der Frühen Neuzeit (oder gar des Mittelalters) zu suchen. Demgegenüber ist das vorliegende Werk konsequent vom Monarchen und seiner Familie her gedacht. Dieser Grundsatzentscheidung folgend erscheint es nur logisch, dass das folgende Kapitel III dem Hof gewidmet ist - auch dies ein Gegenstand, der traditionell nicht unbedingt für eine Verwaltungsgeschichte prädestiniert ist. Wenn man aber - im Einklang mit der neueren Forschung - Hof und staatliche Institutionen nicht zu früh klar getrennt sieht, ist die Behandlung der Hofämter völlig plausibel. Das gilt auch für die Fälle, in denen konstatiert wird, dass es in einzelnen Bereichen eben nicht zur Etablierung einer Behördenstruktur kam. Ob hingegen der Exkurs über die einzelnen Hofbauten wirklich in eine Verwaltungsgeschichte gehört, wäre wohl eher zu diskutieren, zumal sich die einzelnen Unterkapitel auf knappste Zusammenfassungen der Baugeschichte beschränken. Das freilich sind Probleme, die ein solch weiter Begriff von Verwaltung mit sich bringt, solche "Ausfransungen" sind freilich allerdings im Vergleich zu einer traditionellen Engführung eine weniger gravierende Folge.
Das vierte Kapitel über "Kaiser und Reich" trägt der besonderen Situation der Habsburgermonarchie Rechnung, nämlich dass der habsburgische Hof bis auf die Jahre 1740-1745 stets zugleich der Kaiserhof war. Allerdings ist in den einzelnen Unterkapiteln zu verschiedenen Reichsinstitutionen der Zusammenhang mit der Habsburgermonarchie doch in sehr unterschiedlichem Ausmaß gegeben. Im Grunde genommen stellt das Kapitel eine kurze Verfassungsgeschichte des Reichs gegliedert nach Institutionen und Politikbereichen dar. Erst das letzte Unterkapitel thematisiert explizit das Verhältnis der habsburgischen Länder zum Reich und liefert damit letztlich die Begründung für die vorangehenden Ausführungen.
Erst in Kapitel V folgt dann mit den Maximilianeischen Reformen das, was man traditionell zu Beginn erwarten würde. Die zentrale Bedeutung dieser Jahrzehnte um 1500 wird auch daran deutlich, dass dieses Kapitel das einzige ist, das einen bestimmten Zeitabschnitt behandelt. Thematisiert werden das Verhältnis von Reichs- und erbländischer Verwaltung sowie das Changieren zwischen Bemühungen, einerseits Institutionen zu schaffen, die die gesamten österreichischen Erblande überwölbten oder andererseits eine Verwaltung in den einzelnen Ländern oder Ländergruppen aufzubauen. Eine eindeutige Tendenz ist noch kaum ablesbar, in der Aufeinanderfolge oft nur kurzlebiger Einrichtungen werden die vielen Aufspaltungen und Zusammenlegungen sowie die Aushandlungsprozesse und der Experimentalcharakter bei der Ausbildung der Verwaltung plastisch.
Die nächsten Kapitel bilden dann den Kern der Verwaltungsgeschichte im engeren Sinne, geht es doch mit den landesfürstlichen Zentralverwaltungen (Kap. VI), dem Kriegswesen (Kap. VII) und dem Finanzwesen (Kap. VIII) um die Herzstücke der Verwaltung. Schon ein Blick auf die Gliederung von Kap. VI offenbart die Probleme und Herausforderungen, vor denen die Herausgeber und Autor*innen standen, die aber gleichzeitig die Herausforderungen für die Verwaltung der Habsburgermonarchie spiegeln. In einer Kombination aus chronologischer, hierarchischer und territorialer Gliederung werden in insgesamt 21 Unterkapiteln (die zumeist noch einmal untergliedert sind) die verschiedenen Institutionen abgehandelt, die in unterschiedlicher Weise als Teile der Zentralverwaltung apostrophiert werden können. Das reicht vom Geheimen Rat oder der Staatskanzlei bis zur Sanitätshofdeputation oder der Bücherzensurkommission. Indem das Kapitel mit den am frühesten greifbaren Institutionen beginnt, werden im zeitlichen Ablauf die Anpassungen an die veränderten Notwendigkeiten, aber auch Rahmenbedingungen deutlich. Erkennbar ist das ständige Austarieren zwischen Zentralisierung und der Rücksicht auf Länder- oder regionale Interessen. Deutlich sichtbar wird in den vielfach verwirrenden permanenten Anpassungen der Zuständigkeiten gerade der Länderverwaltungen das permanente Ringen um Kompetenzen, das eben nicht nur Ausdruck der Sorge um den Erhalt von Ämtern und Stellen war, sondern auch zeigt, dass die Existenz von auf das jeweilige Land bezogenen Verwaltungsstrukturen Teil des Selbstverständnisses der jeweiligen Einheiten sein konnte.
Dass auch das Kapitel über das Kriegswesen nicht nur die Militärverwaltung im engeren Sinne mit dem Hofkriegsrat an der Spitze behandelt, zeigt schon sein Umfang von fast 140 Seiten. Zum einen wird eingegangen auf den Wandel der Landesverteidigung (mit kurzen Überblicken über die einzelnen Länder der Monarchie) bis zum Aufbau des Stehenden Heeres nach dem Dreißigjährigen Krieg. Dieser Epoche ist dann verständlicherweise der größte Teil der Darstellung gewidmet, die im Kern einen - bisher nicht existenten - Überblick über das Militär der Habsburgermonarchie enthält, von der Behördenstruktur über den Aufbau der Truppen und Fragen der Rekrutierung bis zu eher sozialgeschichtlichen Ausführungen über Soldatenfamilien oder Militärseelsorge.
Wenig erstaunlich gilt das längste Kapitel dem Finanzwesen. Auch dieses Kapitel beginnt mit einem chronologischen Überblick über die Entwicklung des Finanzwesens und des Staatshaushalts, bevor dann, mit der Hofkammer beginnend, die einzelnen Institutionen behandelt werden. Ausführlich werden dann die Kammern in den einzelnen Ländern vorgestellt. Damit wird der Tatsache Rechnung getragen, dass insbesondere die Stände peinlich genau darauf achteten, die Finanzhoheit möglichst in ihren Händen zu behalten. Es schließt sich ein kürzeres Kapitel über Wirtschaft und Post an, wobei bei den Unterkapiteln zur Wirtschaftspolitik die Trennung zu den vorangegangenen Abschnitten, z.B. zur Börse, nicht immer ganz scharf ist.
Bei einem zweibändigen Werk mit gut 1000 Seiten Text mag es unangebracht erscheinen, nach Leerstellen zu fragen. Dies ist deshalb weniger als eine Forderung nach mehr zu verstehen denn als eine Frage nach der vorgenommenen Schwerpunktsetzung. In diesem Sinne sei darauf hingewiesen, dass die geistliche Verwaltung, das Bildungswesen oder auch der ganze Bereich der sozialen Fürsorge nicht behandelt werden.
Angesichts der Vielzahl von Artikeln sehr unterschiedlicher Länge und unterschiedlichen Zuschnitts von fast 60 Autorinnen und Autoren kann es hier nicht darum gehen, im Detail Kritik zu üben oder einzelne Beiträge lobend hervorzuheben. Die große Anzahl der Verfasserinnen und Verfasser erklärt sich daraus, dass stets versucht wurde, für die Beiträge die einschlägige Spezialistin oder den Spezialisten zu gewinnen. Gerade die im engeren Sinne institutionengeschichtlichen Abschnitte stellen nicht immer ein besonderes Lesevergnügen dar in der detaillierten Darstellung sich ständig verändernder Kompetenzen und Ressortzuschnitte, der Personalentwicklung und des Geschäftsgangs. Aber das war in diesem Fall sicher auch nicht primär intendiert. Stattdessen bieten die Artikel fundierte und hinreichend detaillierte Informationen kompakt aufbereitet. Dazu gehören auch Personallisten, die für zahlreiche Institutionen die Inhaber der leitenden Ämter aufführen. Die einzelnen Kapitel bzw. Unterkapitel enthalten zudem jeweils einen Abschnitt über "Quellenlage und Forschungsstand", der Hinweise auf Archivbestände und Quelleneditionen enthält sowie in einer kommentierten Bibliografie den Forschungsstand umreißt (der freilich teilweise der zum Abgabezeitpunkt der Beiträge ist, somit also ein paar Jahre vor Erscheinen des Werks liegt). Die Bände werden deshalb vor allem als Nachschlagewerk genutzt werden und sich dafür bald als unverzichtbares Hilfsmittel etablieren, z.B. für alle diejenigen, die vor einem Archivbesuch wissen möchten, welche Behörde für ein spezielles Sachgebiet zuständig war und wo deshalb die einschlägigen Akten zu finden sind.
Ein 200 Seiten umfassendes Literaturverzeichnis sowie ein Orts- und Personenregister runden das Werk ab. Dass auf ein Sachregister verzichtet wurde, ist - zumal angesichts der Probleme, die ein solches aufwirft - in Anbetracht der sehr detaillierten Gliederung - zu verschmerzen.
Anmerkung:
[1] Christoph Link: Die habsburgischen Erblande, die böhmischen Länder und Salzburg, in: Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 1. Vom Spätmittelalter bis zum Ende des Reichs, hgg. von Kurt G.A. Jeserich / Hans Pohl / Georg-Christoph von Unruh, Stuttgart 1983, 468-552.
Bettina Braun