Huw Dylan / David Gioe / Michael S. Goodman: The CIA and the Pursuit of Security. History, Documents and Contexts, Edinburgh: Edinburgh University Press 2020, xiv + 542 S., ISBN 978-1-4744-2884-2, GBP 95,00
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Einen Überblick über die Geschichte der Central Intelligence Agency (CIA) liefert der hier zu besprechende Band von Huw Dylan, David V. Gioe und Michael S. Goodman. In chronologischer Reihenfolge wird eine Reihe aussagekräftiger Dokumente vollständig wiedergegeben und entsprechend kontextualisiert. Die abgedruckten Primärquellen sind zum Großteil über den Freedom of Information Act (FOIA) Electronic Reading Room abrufbar und stehen jeweils beispielhaft für einen bestimmten Zeitabschnitt oder eine Ereigniskette. Im Fokus steht die Frage, inwieweit die CIA in der Lage war, wichtige Ereignisse zu erkennen und zu interpretieren. Des Weiteren werden kontroversielle Themen wie die Praxis der Überstellungen (rendition) von Terrorismus-Verdächtigen ebenso behandelt wie die Jagd auf Osama Bin Laden oder die Einflussnahme Russlands auf die Präsidentenwahl von 2016. Schließlich spielt die Entwicklung des Spionagegeschäfts im Zusammenhang mit technologischen Innovationsschüben eine wichtige Rolle.
Wie Dylan, Gioe und Goodman darstellen, wurde die Entstehung der CIA 1947 durch den Mangel an Koordination und interne Rivalitäten im nachrichtendienstlichen Apparat nach Ende des Zweiten Weltkrieges mitbeeinflusst. Ende der 1940er Jahre und während des Korea-Krieges (1950-1953) bildete sich das Instrumentarium der verdeckten Operationen (covert action) heraus, die es der US-Regierung erlaubten, weltweit Interessen durchzusetzen und dabei jegliche Verantwortung "glaubwürdig" abstreiten zu können. (46) Allerdings brachte das Scheitern der Invasion in der Schweinebucht (1961) wesentliche Einschränkungen und mehr Kontrolle über den Geheimdienst.
Ein Beispiel für eine spektakuläre Operation ist der Spionage-Tunnel, der 1954/55 unter den sowjetischen Sektor von Berlin gegraben wurde und der bis zur Enttarnung 1956 unter anderem 443.000 transkribierte Gespräche und 40.000 Stunden Telefon-Konversationen des sowjetischen Militärs lieferte. Zwar war diese Operation Gold durch den britischen "Maulwurf" George Blake verraten worden - aber weil es für den sowjetischen Geheimdienst wichtiger war, die Quelle zu schützen, ließ man die CIA so lange wie möglich mithören.
Während der Kuba-Krise 1962 spielten die Analysen der CIA eine wichtige Rolle dafür, dass die USA zu keiner direkten militärischen Intervention griffen. Insbesondere Erkenntnisse, die der sowjetische Oberst Oleg Penkovsky als Doppelagent im Vorfeld über das sowjetische Raketenprogramm geliefert hatte (wenige Tage vor dem offiziellen Beginn der Krise wurde Penkovsky in Moskau verhaftet), waren entscheidend für ein besseres Verständnis der gegnerischen Absichten. Auch im Vietnamkrieg, wo die CIA eigene paramilitärische Programme verfolgte, waren die Lagebeurteilungen des Geheimdiensts pessimistischer als jene des Militärs und damit näher an der Realität. So gelang es, 1968 die Tet-Offensive zu einem Gutteil vorherzusagen, und die US-Streitkräfte wurden nicht gänzlich unvorbereitet getroffen. Dafür wird es CIA-intern als einer der größten Fehler angesehen, dass man die Bedeutung der religiösen Opposition im Iran vor der Revolution (1979) unterschätzt hatte.
Andererseits erlaubten Informationen von Ryszard Kukliński, eines seit Beginn der 1970er Jahre für die CIA tätigen polnischen Generalstabsoffiziers, Einblicke in die Hintergründe der Verhängung des Kriegsrechts in Polen (1981). Wie sich erst kürzlich herausstellte, hatte die polnische Spionageabwehr eine CIA-Mitarbeiterin an der US-Botschaft in Warschau unter Beobachtung, fand aber nie heraus, wen sie führte. Der Wert menschlicher Quellen stellte sich auch während der Spannungen rund um das NATO-Manöver Able Archer (1983) heraus und führte dazu, dass die Befürchtungen Moskaus vor einem westlichen Erstschlag entkräftet wurden.
Die Reformbestrebungen Michail Gorbatschows wurden von den CIA-Analysten genau verfolgt, wenngleich man die heraufziehenden Umwälzungen des Jahres 1989 in ihrer Tragweite und Geschwindigkeit nicht voll erfasste. Auch war die CIA selbst nicht immun gegenüber Verratsfällen. Schweren Schaden richtete Aldrich Ames an, der lange ausgerechnet für Spionageabwehr in der Soviet-East European-Division zuständig gewesen war. Seinetwegen wurden mehr als drei Dutzend CIA-Quellen kompromittiert, mindestens zehn davon exekutiert. Erst eine gemeinsame Untersuchung von CIA und der amerikanischen Bundespolizei FBI ließ Ames 1994 auffliegen.
Die 1990er Jahre waren überhaupt eine schwierige Zeit für den Geheimdienst - eine von vier Stellen wurde nach Ende des Kalten Krieges abgebaut. Zur selben Zeit ereigneten sich die ersten radikal-islamistischen Attentate wie der Bombenanschlag auf das World Trade Center (1993). Auf diese neue Bedrohung durch den religiösen Extremismus war die CIA aber nur bedingt vorbereitet - auch wegen eines Mangels an menschlichen Quellen im Nahen und Mittleren Osten. Im Sommer 2001 sollten die Warnlichter zwar "rot" blinken, aber es war zu spät, um die Anschläge vom 11. September 2001 zu verhindern. Der nachfolgende War on Terrorism brachte einschneidende Veränderungen für die CIA in Richtung von mehr Paramilitarisierung und erweiterter Befugnisse. Dass Terrorverdächtige unter anderem in Geheimgefängnissen (black sites) Foltermethoden wie water boarding unterworfen wurden, ist bis heute Gegenstand von Kontroversen.
Mittlerweile ist der Geheimdienst von der Digitalisierung voll erfasst worden. Ende 2017 soll die CIA alleine 137 verschiedene Initiativen zur Anwendung von Künstlicher Intelligenz verfolgt haben. Gleichzeitig wird das Datensammeln und Auswerten laufend automatisiert - auch wenn mehrere Whistleblower-Fälle deutlich gemacht haben, dass selbst geheime Institutionen vor Informationsabfluss nicht sicher sind. Das Buch schließt mit zwei Kapiteln zum konfliktträchtigen Verhältnis von CIA und Donald Trump, der dem Geheimdienst immer wieder eine Politisierung von nachrichtendienstlicher Information vorwirft, was wiederum die Möglichkeit einschränkt, dem Präsidenten reinen Wein einzuschenken. (496ff.)
Unter dem Strich ist "The CIA and the Pursuit of Security" ein nützliches Kompendium. Wirklich neue Erkenntnisse finden sich darin jedoch nicht. Außerdem zieht sich durch die Analyse ein wohlmeinender Unterton, der auch von einem positiv-unterstützenden Statement des früheren Directors of National Intelligence, James Clapper, am Buchrücken gespiegelt wird. Das tut dem Nutzen für die Forschung freilich keinen Abbruch.
Thomas Riegler