Stella Rollig / Paweł Jaskanis (Hgg.): Jan III. Sobieski. Ein polnischer König in Wien, München: Hirmer 2017, 279 S., 145 Farbabb., ISBN 978-3-7774-2924-3, EUR 39,90
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König Jan III. Sobieski (1629-1696) wird in Polen nicht nur als "Retter des Abendlandes" oder sogar als "primus inter pares" betitelt. Nein, er war damals und ist heute noch im polnischen Kollektivgedächtnis ein Nationalheld, der sich durch seinen Mut, seine Tapferkeit und seine schillernde Persönlichkeit auszeichnete. Es gibt in der polnischen Geschichte keine anderen Monarchen, deren Errungenschaften derart hervorgehoben werden. So gilt Sobieski etwa durch sein fortschrittliches Denken im Bereich der Künste und Wissenschaften sowie durch seine strategisch fundierten Militäreinsätze als seiner Zeit weit voraus. Spätestens durch seine Siege über das Osmanische Heer bei Chocim (1673) und Wien (1683) konnte er sich ein Denkmal setzen. Jan Król, sowie ihn die Polen u.a. nennen, verbuchte zwei Jahrzehnte lang große Erfolge als Staatsmann und Feldheer. Auch darauf bezugnehmend betont Paweł Jaskanis im Vorwort des anzuzeigenden Bandes, es gebe: "in der polnischen Geschichte keinen Herrscher, der bei Diskussionen über den Erfolg des polnischen Staates und als Musterbeispiel persönlicher Vorzüge öfter ins Gedächtnis gerufen wird als Jan Sobieski. Der Monarch wurde von Generationen mit der konstanten, einem Erfolgsmenschen gebührenden Wertschätzung bedacht. [...] Seine Wahl auf den Thron [...] entfaltete darüber hinaus eine Kraft, die auf die kollektive Wahrnehmung der Polen eine starke Wirkung ausübte und Sobieski die Anerkennung seiner persönlichen Vorzüge und Errungenschaften eintrug." (8f.)
Die Kuratoren Maike Hohn für das Belvedere und Konrad Pyzel für die polnisch-königlichen Residenzen (dem Palastmuseum Wilanów, dem Königschloss und dem Königlichen Łazienki Museum in Warschau sowie dem Königsschloss auf dem Wawel in Krakau) haben es sich zur Aufgabe gemacht eine Ausstellung im Winterpalais zu konzipieren, die es dem Besucher ermöglicht, in die Welt des polnischen Königs einzutauchen. Der dazugehörige Ausstellungskatalog "Jan III. Sobieski - Ein polnischer König in Wien" versucht darauf aufbauend "über verschiedenartige Exponate, Gemälde, kunstgewerbliche Objekte, Militaria oder Memorabilien" (6) ein lebendiges Bild des Monarchen und seines Wirkens darzustellen, so Stella Rollig, Generaldirektorin des Belvedere.
Ein Blick auf die Umschlagsgestaltung des Ausstellungskatalogs bestätigt dem Betrachter den Eindruck von einer der Ausstellung zugrundeliegenden verklärten Darstellung Jan Sobieskis. Der Monarch wird in seiner ganzen Erhabenheit und in kriegerischem Typus darstellt. Auch die Rückseite des Umschlags unterstreicht dies, hier durch ein herrschaftliches Portrait samt militärischen Skizzen. Die Vorder- und Rückseite des Katalogumschlags indizieren somit bereits das Anliegen der Autoren, die Sobieskis kontinuierliches Streben nach Ruhm und Macht in den Vordergrund rücken.
Die Publikation gliedert sich in einen Essayteil mit sechs gut strukturierten Aufsätzen zu Schwerpunktthemen der Ausstellung und einem Katalogteil, der neben den hochqualitativen Abbildungen aus kunsthistorischer Perspektive überdies thematische Ausführungen und Erklärungen von weiteren Autoren bietet. Neben den stattlichen Werken aus dem Bereich Malerei präsentiert der Ausstellungskatalog ferner militärische Ausrüstungen, königliche Insignien, prunkvolle Möbel- und Kleidungsstücke, minutiös angefertigte militärische Kupferstiche und Reliefs, Korrespondenzen, Urkunden u.v.m.
Im ersten Essay "Der König und sein Königreich" widmet sich Bogusław Dybaś Sobieskis kriegerischem Talent auf diversen Schlachtfeldern. Des Monarchen militärische Intelligenz sowie seine daraus folgende Reform des Heeres haben dazu beigetragen, dass sich dieses stabilisierte und eines der zuverlässigsten der damaligen Zeit wurde. Sobieskis siegreiches Heer triumphierte nicht nur im Jahre 1667 über die Krimtataren und über die Vasalen der Hohen Pforte. Seine Armee besiegte 1683 die osmanischen Truppen des Großwesirs Kara Mustafa, was dafür sorgte, dass Sobieski über die Landesgrenzen hinweg seine dynastische Stellung längerfristig für sich sichern konnte. Dybaś stellt diese Erfolge als "Ausgangspunkt für weitere Aktionen im Rahmen der 1684 geschlossenen antiosmanischen Koalition, der Heiligen Liga, [...], die außer der Adelspolitik und dem Heiligen Römischen Reich auch den Papst, die Republik Venedig und ab 1686 Russland mit einschloss", dar. (16)
Darauffolgend stellen Przemysław Mrozowski und Konrad Pyzel Sobieski in ihren Beiträgen als einen Ästheten seiner Zeit dar, der sich für schöne Künste und Wissenschaften interessierte. Als Patron förderte er junge Talente und unterstützte diese finanziell, indem er ihnen die Ausbildung bezahlte und sie auf Bildungsreisen schickte. Diese Förderung hatte zwei Seiten: Zum einen unterstützte er polnische Künstler innerhalb des Landes, die ihm später treu bis zum Tod dienten, zum anderen wollte er das Ansehen der Künste im polnischen Staat stärken, indem er die Architektur förderte und Bauten, wie z.B. die Residenz Wilanów, nach italienischen und französischen Einflüssen errichten ließ. Als Schöngeist galt Sobieskis vielschichtiges Interesse außerdem der Astronomie, der Literatur, der Philosophie und den Naturwissenschaften, sodass nach Pyzel der polnische Monarch als "Musterbeispiel eines Barockmenschen" gelte. Dem kulturellen und politischen Staatsmann Sobieski steht der Privatmann Sobieski in nichts nach. Er ehelichte die französische Adelige Marie Casimire (geborene d'Arquien) aus politischen Überlegungen, da die dynastische Verbindung ihn zu "einem Verbündeten der profranzösischen Politik" [...] machte, (139) konstatiert Marta Gołąbek. Marie Casimire war für Sobieski eine außergewöhnliche und kluge Frau, da sie ihm in politischen Angelegenheiten den Rücken freihielt. Diverse Briefwechsel der Eheleute zeigen die wechselseitige Wertschätzung und Zuneigung hinsichtlich der Familie und der Kindererziehung. Außerdem finden sich in den Korrespondenzen auch Beratungen über politische Entscheidungen sowie Informationen über die Ziele des Paares in Bezug auf die Herrschaft der Sobieski Dynastie.
Der vorliegende Ausstellungskatalog ist mit seinen zahlreichen Abbildungen von Exponaten und Quellen nicht nur für Kunstliebhaber gedacht, sondern auch für diejenigen, die die polnische Lebensgeschichte des extrovertierten und eloquenten Monarchen wertschätzen. Den polnisch-österreichischen Autoren ist ein großes Lob auszusprechen, da sie sich sehr viel Mühe bei der Umsetzung des Kataloglayouts, der akribischen Erklärung der dargestellten Exponate sowie der dazugehörigen Aufsätze gegeben haben. Wünschenswert wäre es gewesen, wenn die Autoren bei der Umsetzung der Aufsätze ein wenig mehr auch auf Krisen und Niederlagen des polnischen Königs eingegangen wären. Diese haben in dem vorliegenden Band nur eine kleine Nebenrolle eingenommen. Er präsentiert zwar eine Reihe glorifizierender Darstellungen des Monarchen, erwähnt aber keine persönlichen Makel Sobieskis. Damit übernimmt er dessen monarchisches Self-Fashioning, ohne dass dieses vom König sicherlich intendiert transportierte Selbstbild kritisch hinterfragt würde.
Michaela Mehlich