Rainer Florie: Paul Laymann. Ein Jesuit im Spannungsfeld von Wissenschaft und Politik (= Reformationsgeschichtliche Studien und Texte; Bd. 165), Münster: Aschendorff 2017, X + 379 S., ISBN 978-3-402-11591-6, EUR 55,00
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Biografische Arbeiten zu einzelnen Jesuiten haben in den vergangenen Jahren wieder verstärkt Aufmerksamkeit in der Geschichtswissenschaft erfahren. Beispielhaft seien die quellensatten Arbeiten zu Matteo Ricci, Athanasius Kircher und Petrus Canisius genannt, die letztlich keine "klassischen" Biografien sind, sondern das Individuum als Anlass und Kreuzungspunkt nehmen, um größere theologische, politische und (trans)kulturelle Prozesse aufzuzeigen und zu erklären. [1]
In der vorliegenden kirchengeschichtlichen Dissertation, die 2016 mit dem Förderpreis des Vereins für Augsburger Bistumsgeschichte ausgezeichnet wurde, wird mit Paul Laymann (1574-1635) ein bedeutender Moraltheologe in den Mittelpunkt gestellt, der seit einigen Jahrzehnten eine "Lexika-Existenz" (7), so eine glückliche Wortschöpfung des Autors, fristet. Mit möglichst weitem Blick widmet sich Florie "Leben und Werk des Jesuitenpaters" Laymann (IX) und untersucht "die Zusammenhänge seines Lebens und Lehrens, über die es gelingen kann, der Person und ihrer Prägung auf die Spur zu kommen und damit auch dem, wodurch sie ihre Zeit mitbestimmt und geprägt hat" (5).
Die einführende "Rekonstruktion der Biographie" zeigt präzise die biografischen Unklarheiten auf, etwa hinsichtlich des Studiums und des Empfangs der Weihen, wobei divergierende Quellen genau benannt und zitiert werden. Besonders hervorzuheben sind die Ausführungen zum (angeblichen) Amt des kaiserlichen Beichtvaters (17-19). Während zahlreiche Nachschlagewerke, darunter besonders einflussreich die NDB, Laymann als Beichtvater Ferdinands II. aufführen, kann Florie plausibel erklären, dass eine wichtige beratende Rolle im theologischen und politischen Bereich zwar anzunehmen, die explizite Übernahme des Amts des Hofbeichtvaters durch zeitgenössische Quellen aber nicht zu belegen ist.
Im eigentlichen Analyseteil der Arbeit wird Laymann nacheinander auf dreierlei Art als Autor untersucht, und zwar hinsichtlich der Theologie, sodann der Hexenfrage und schließlich zu politisch-konfessionellen Aspekten. Der Aufbau von Laymanns "Theologia moralis" wird detailliert mit der "Summa theologiae" des Thomas von Aquin verglichen. Durch einen synoptischen Überblick zu den beiden Werken (38f.) bekommt der Leser anschaulich die Umstellungen, Ergänzungen, Auslassungen und Pointierungen Laymanns dargelegt. Sie alle weisen letztlich auf den "Ansatz Laymanns, ein praktisches, dem seelsorglichen Dienst nützliches Handbuch vorzulegen" (40). Eine besondere Rolle bei der Analyse des Werks nimmt die Behandlung des Gewissens ein, ist doch Laymanns "Theologia moralis" das erste moraltheologische Lehrbuch, das mit einem Traktat über das Gewissen beginnt. Wie bei den anderen analysierten Werken auch, untersucht Florie die Entstehungsbedingungen und die Rezeption der "Theologia moralis". Besonders wertvoll sind dabei die Erläuterungen zur Verwendungsweise und Notwendigkeit moraltheologischer Handbücher (41-50). Zusammenfassend stellt Florie fest, dass sich Laymanns Werk aufgrund der Hinwendung zu rein praktischen Fragen, der Behandlung einer Unmenge von casus conscientiae, der stärker werdenden Verrechtlichung und der Orientierung an Thomas von Aquin als "typisches Lehrbuch dieser Zeit" (99) fassen lässt.
Zur Hexenfrage trieb Laymann innerhalb seiner Moraltheologie vor allem die Frage um, "[d]en Umgang des Beichtvaters mit Hexen zu regeln" (180), wobei er vor allem juristisch, nicht dämonologisch argumentiert. In den Ausführungen zeigt sich Laymann "nicht als origineller Hexenprozesskritiker, sondern vielmehr in der Schule [Adam] Tanners", wenngleich er dadurch auch "kein unselbständiger Autor" sei (184). So wie Tanner verleiht auch Laymann der Kritik an den Hexenverfolgungen, die beispielsweise nach den Exzessen in Bamberg und Eichstätt aufkam, nachträglich ein wissenschaftliches Fundament. Er trägt seine Argumente knapp und wissenschaftlich vor, da ganz anders als bei Friedrich von Spee vermeintliche "Hexen" nie zu seinen Beichtkindern zählten und er auch keine Folterkammer von innen gesehen hatte. Dass Florie seine Aussagen sorgfältig nach besten Regeln der Quellenkritik absichert, ist beispielsweise daran zu sehen, dass er die dritte Auflage der "Theologia moralis" minutiös auf Erweiterungen untersucht (die unveränderte zweite Auflage kann unberücksichtigt bleiben).
Das letzte Kapitel des Analyseteils umfasst zwar nur zweieinhalb Jahre von Laymanns Leben, doch fällt in diese Zeit die Abfassung der "Pacis compositio" (1629), welcher von Seiten der Rechtshistoriker bisher einige Aufmerksamkeit zukam. Wohl qua Amt kam Laymann zu diesem Werk. Seit 1625 bekleidete er nämlich den Lehrstuhl für kanonisches Recht an der Universität Dillingen. Dieser war auf Betreiben des Augsburger Bischofs Heinrich von Knöringen eingerichtet worden, und eben dieser verlangte im Juni 1628 von Laymann ein Gutachten zur juristischen Rechtfertigung katholischer Restitutionsbestrebungen. Grundlage, Genese, Aufbau und Rezeption der Schrift werden vorbildlich erläutert. Allzu voreilige Einordnungen werden dabei vermieden, wenn Laymann "nicht als Ideologe und nicht als Pragmatiker, vielmehr als ein findiger Jurist, der in der Lage war, innerhalb seines Systems flexibel zu agieren" (311) charakterisiert wird. Das Abschlusskapitel bietet eine ergänzende Kontextualisierung der bearbeiteten Werke. Ein Orts- und Personenregister erschließt die sauber redigierte und gut recherchierte Arbeit, die in unaufgeregter, präziser Sprache verfasst ist.
Es liegt eine wichtige Arbeit zu Leben und Werk Laymanns vor, und die Spekulation ist nicht sehr gewagt, dass sie sich zum Standardwerk über den Moraltheologen entwickeln wird. Freilich wird die Gelegenheit versäumt, mit wenig Mehraufwand breitere Kreise anzusprechen. Es wird nicht einmal im Ansatz versucht, Anschluss an die neueren geschichtswissenschaftlichen Forschungen zur Gesellschaft Jesu zu bekommen, wie es etwa in einem konzisen Kapitel zur Forschungsdynamik eines Feldes, das über die unmittelbaren Belange des einen Individuums hinausgeht, möglich gewesen wäre. Nur um ein Beispiel unter vielen möglichen zu nennen: Von Markus Friedrich, der im vergangenen Jahrzehnt wegweisende Forschungen zu Verwaltungs- und Archivwesen der Gesellschaft Jesu vorgelegt hat, wird keine einzige Arbeit hinzugezogen. Das etwas verloren nachgestellte Unterkapitel zum "Netzwerk des Ordens" (320-324) hätte mit diesem Hintergrund differenzierter ausfallen können und wäre anschlussfähiger für aktuelle Forschungsinteressen gewesen. Abgesehen von dieser Einschränkung handelt es sich jedoch um ein lesenswertes, kenntnisreich und quellenkritisch tadellos verfasstes Werk.
Anmerkung:
[1] Mary Laven: Mission to China. Matteo Ricci and the Jesuit encounter with the East, London 2011; Daniel Stolzenberg: Egyptian Oedipus. Athanasius Kircher and the secrets of antiquity, Chicago u.a. 2013; Patrizio Foresta: "Wie ein Apostel Deutschlands". Apostolat, Obrigkeit und jesuitisches Selbstverständnis am Beispiel des Petrus Canisius (1543-1570), Göttingen 2016.
Fabian Fechner