Stefan März: Alfons Goppel. Landesvater zwischen Tradition und Moderne (= kleine bayerische biografien), Regensburg: Friedrich Pustet 2016, 144 S., 21 s/w-Abb., ISBN 978-3-7917-2788-2, EUR 12,95
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"Landesvater zwischen Tradition und Moderne" - bereits der Untertitel gibt vor, welches Bild vom ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten Alfons Goppel (1905-1991) Stefan März in seiner jüngst erschienenen Biografie zeichnet. Der Autor, der sich bislang vor allem als Kenner der Prinzregentenzeit und der Endphase der bayerischen Monarchie profiliert hat [1], stellt sich der Herausforderung, das Lebenswerk Goppels auf knapp 130 Seiten zusammenzufassen. Das Buch kommt, wie in der Reihe "kleine bayerische biografien" des Regensburger Pustet Verlags üblich, ohne wissenschaftlichen Apparat aus und richtet sich daher eher an den interessierten Laien als an ein wissenschaftliches Publikum.
In acht chronologisch angeordneten Kapiteln, die in sich teilweise nach Sachthemen gegliedert sind, wird der Leser durch das Leben Goppels geführt: von seiner Geburt und Kindheit in Reinhausen bei Regensburg über sein Studium der Rechtswissenschaften, erste politische Schritte in der Bayerischen Volkspartei (BVP), seine Kriegsteilnahme und die berufliche Karriere als Rechtsrat der Stadt Aschaffenburg, die mehrmaligen Rückschläge bei Kommunal- und Landtagswahlen hin zu seiner politischen Karriere als Landtagsabgeordneter ab 1954, Staatssekretär im bayerischen Justizministerium ab 1957, Innenminister ab 1958 und Ministerpräsident ab 1962. Im abschließenden Kapitel wird die Zeit nach Goppels Ministerpräsidentschaft thematisiert, als er unter anderem Mitglied des ersten direkt gewählten Europaparlaments war. Den Fließtext unterbrechen immer wieder kontextualisierende Infoblöcke, die dem weniger bewanderten Leser das Verständnis erleichtern und von der "Bayerischen Volkspartei" (24) über "Die Spiegel-Affäre" (90) bis hin zum "Anerbenrecht" (36) reichen. Letzteres hätte aus Rücksicht auf den beschränkten Platz durchaus zugunsten eines Blocks zum Thema Entnazifizierung entfallen können. Auf den ersten 74 Seiten, die die Zeit vor Goppels Berufung zum Justizstaatssekretär behandeln, gelingt es März, in einer dichten, gut lesbaren Darstellung, den Menschen Goppel greifbar werden zu lassen. Ausgewogen behandelt der Autor die heikle Frage nach der NS-Belastung und kommt zu dem Urteil, dass Goppel sich "notgedrungen" aus Angst um seine materielle Basis mit dem System arrangierte (39).
Auch seine berufliche und politische Karriere bis zur Wahl zum Ministerpräsidenten als Kompromisskandidat der zerstrittenen Parteiflügel um Alois Hundhammer und Rudolf Eberhard wird detailliert beschrieben und gekonnt in größeren Zusammenhängen verortet. Dies hat allerdings zur Folge, dass die Ministerpräsidentschaft Goppels, auf der die besondere historische Relevanz seiner Person eigentlich fußt, in Umfang und Darstellung etwas zu kurz kommt. März schildert Goppel mit seinem moderierenden Regierungsstil, seiner umfangreichen Repräsentationstätigkeit sowie der christlich-konservativen Grundüberzeugung, die hinter seinem politischen Handeln stand, entlang der bestehenden Forschungsmeinung [2] als "barocken Landesvater" (136), dem die Synthese aus Fortschritt und Identitätsbewahrung gelungen sei (124). Dabei überwiegt eine positiv gefärbte Darstellung, bei der Goppel als Akteur stark in den Vordergrund gerückt wird. Schon im Vorwort heißt es: "Goppel ebnete zielstrebig den Weg Bayerns in die Moderne" (11). Negative Begleiterscheinungen des rasanten Wandels und gesellschaftliche Konflikte werden ebenso wenig thematisiert wie die Maßnahmen der bayerischen Staatsregierung kritisch hinterfragt. Möglichkeiten dazu hätten beispielsweise der Umgang mit dem landwirtschaftlichen Strukturwandel oder die Gebietsreform der 1970er Jahre durchaus geboten. Auch stellt sich die Frage, ob nicht den persönlichen Wertvorstellungen Goppels eine zu hohe Bedeutung für die Politik der Staatsregierung eingeräumt wird, während die Einbettung des Ministerpräsidenten in institutionelle Arrangements oder auch sein persönliches Beziehungsgeflecht nur am Rande Beachtung findet. So wäre es gerade für das Zielpublikum hilfreich, einen Eindruck vom Wirken eines Regierungschefs zu gewinnen, der über die einzelne Person hinausgeht.
Insgesamt zeichnet März ein anschauliches Bild der Amtszeit Goppels als Ministerpräsident, in dem weder die großen Wahlerfolge der CSU, das teils gespannte Verhältnis zwischen Goppel und dem Parteivorsitzenden Franz Josef Strauß noch die olympischen Spiele in München 1972 oder die Gründung der ARGE-Alp (Arbeitsgemeinschaft der Alpenländer) im selben Jahr fehlen. Bei der Darstellung der zahlreichen Modernisierungsprojekte der 1970er Jahre überwiegt jedoch eine eher telegrammartige Aufzählung, die ohne weitergehende Deutung durch den Autor auskommen muss. So wird nicht thematisiert, dass Goppel dem Planungsgedanken anfänglich durchaus kritisch gegenüberstand und sich vielmehr dazu gezwungen sah, die Landesplanung in all ihren Facetten zu forcieren. [3] Vollkommen ausgespart werden gar die Reaktionen der bayerischen Staatsregierung auf die beginnende europäische Integration. Die vielen, teils umfangreichen Zitate aus Aufzeichnungen Goppels oder der zeitgenössischen Presse beleben zwar den Text, hätten aber an manchen Stellen einer erklärenden Einordnung durch den Autor bedurft (112f., 128).
März ist eine gut lesbare Darstellung gelungen, die ihrem selbst gestellten Anspruch gerecht wird und dem interessierten Laien auf knappem Raum den Politiker und vor allem auch den Menschen Alfons Goppel näherbringt. Der Band wird abgerundet von einem Vorwort von Thomas Goppel, einer Zeittafel sowie einigen Literaturhinweisen.
Anmerkungen:
[1] Stefan März: Das Haus Wittelsbach im Ersten Weltkrieg: Chance und Zusammenbruch monarchischer Herrschaft, Regensburg 2013.
[2] Claudia Friemberger: Alfons Goppel. Vom Kommunalpolitiker zum Bayerischen Ministerpräsidenten, München 2001; Karl-Ulrich Gelberg: Staatsbewusstsein und Föderalismus in Bayern nach 1945, in: Politische Studien 392 (2003), 64-78; ders.: Dynamischer Wandel und Kontiunität - Die Ära Goppel (1962-1978), in: Handbuch der bayerischen Geschichte. Bd. IV: Das neue Bayern. Von 1800 bis zur Gegenwart, Teil 1: Staat und Politik, hg. von Alois Schmid, 2. Aufl., München 2003, 857-956.
[3] Friemberger, Goppel, 230-235.
Raphael Gerhardt