Linda Maria Koldau: Teresa von Avila. Agentin Gottes. 1515-1582, München: C.H.Beck 2014, 316 S., 2 Kt., 37 s/w-Abb., ISBN 978-3-406-66870-8, EUR 22,95
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Mit Teresa von Avila. Agentin Gottes 1515-1582 legt die Utrechter Kulturwissenschaftlerin Linda Maria Koldau eine Biographie der frühneuzeitlichen spanischen Mystikerin vor. Sie betrachtet Teresas Leben vor allem hinsichtlich der Motivation der Religiosen, für Gott tätig sein zu wollen, und zeigt die Gründe für ihr Handeln in entscheidenden Situationen auf. So räumt Koldau dem Verständnis von Teresas Spiritualität vor dem Hintergrund ihrer charismatischen Persönlichkeit großen Raum ein. Ausgehend von Teresas Kindheit in einem Converso-Elternhaus im kastilischen Avila zeichnet Koldau die verschiedenen Stationen auf dem Weg zur Entwicklung der späteren Klostergründerin und Heiligen nach.
Seit der "Flucht ins Kloster" (58) war Teresas anfängliches Klosterleben geprägt von Zweifeln, ob dies das für sie richtige Leben sei. Dazu kam ein diffuses, wenn auch sehr schweres Krankheitsbild, das sich unter anderem in Lähmungserscheinungen äußerte und schließlich in Teresas Scheintod kulminierte, aus dem sie am vierten Tag erwachte (68). Das Außergewöhnliche ihres Erwachens aus diesem todgleichen Lähmungszustand thematisiert Koldau freilich nicht als solches, sondern rückt dessen Wirkung in den Vordergrund: Teresa galt in der Folge als spirituelle Ratgeberin und stand schon bald im Ruf der Heiligkeit. (70) Gleichzeitig erlebte die von ihren Zeitgenossen verehrte Religiose schwere Zeiten der inneren Zerrissenheit, die aus dem beinahe weltlich anmutenden Leben im Menschwerdungskloster in Avila resultierten. Teresas Zweifel gründeten in einer von ihr selbst beschriebenen Charakterschwäche, "sich allzu stark auf die Nöte und Anliegen anderer einzulassen und dabei ihren eigenen Weg aus den Augen zu verlieren" (66), was einen Konflikt zwischen der Ausrichtung hin auf Gott und der von ihr aktiv gelebten Nächstenliebe mit sich brachte. (267f.)
Koldaus Biographie zeichnet sich durch die ausführliche Schilderung der Beweggründe Teresas sowie der gesellschaftlichen und ordenspolitischen Hintergründe aus, die nie ausschweifend wirkt, sondern immer sehr lebendig ist und durch eine profunde Auswahl an Quellenzitaten untermauert wird. Darüber hinaus gibt sie Einblicke in das Leben in einem kastilischen Frauenkonvent in der Mitte des 16. Jahrhunderts (80f.), wobei sie auch auf die im Kloster vorhandenen bildlichen Darstellungen Jesu und der Heiligen eingeht (89f.), die eine wichtige Rolle als Ideale und Vorbilder im Gebet spielten. [1]
Ferner gelingt es Koldau, Teresas Suche nach dem vollkommenen Weg der Spiritualität in den Kontext der spanischen Reformbewegung, welche die "persönliche Beziehung zu Gott im Gebet" betonte, einzubetten. (103) Gerade beim inneren Gebet und der "passiven Vereinigung der Seele mit Gott" waren die Grenzen zu der äußerst negativ konnotierten Bewegung der Alumbrados fließend. Im Kapitel "Die Mystikerin" (115-143) geht Koldau umfassend auf Teresas spirituell-mystische Erfahrungen ein. Sie waren deutlich geprägt von ihrer Angst, dass diese "falsch" sein könnten, denn oft wurde von Skandalen um Frauen mit eben solchen, vom Teufel inspirierten, Visionen berichtet, was zu einem Klima des Misstrauens gegenüber Visionärinnen beitrug (104, 119-121).
In einem eigenen Kapitel (241-265) trägt die Autorin zudem Teresas Beitrag zur spanischen Literatur Rechnung. Vorbilder zum Verfassen ihrer Werke, insbesondere der "Vida", fand die Mystikerin zu einem guten Teil in den in großer Anzahl kursierenden Heiligenviten; doch auch sie selbst wurde mit ihren Schriften zum Vorbild (250f.).
Warum Koldau Teresa als "Agentin Gottes" bezeichnet, wird bei ihrer Beschreibung der Klostergründungen in Überwindung der damit verbundenen Schwierigkeiten deutlich (173-240), auf der der Schwerpunkt dieser Biographie liegt. Die Widrigkeiten, die sich Teresa bei den Klostergründungen der von ihr ins Leben gerufenen Unbeschuhten in Form von gesellschaftlichen und ordenspolitischen Widerständen eröffneten, resultierten unter anderem aus einer "Auslöschung von Standes-, Bildungs- und sozialen Unterschieden" (269). Sie betrafen mithin entscheidende Aspekte der Gesellschaft, die zu missachten Probleme verhieß, von denen sich Teresa jedoch nicht von ihrem Ziel abhalten ließ. Ihre Klostergründungen hoben sich alleine schon dadurch von der bisherigen Tradition ab, als sich Teresa ausschließlich dem Geiste der ursprünglichen karmelitischen Ordensregel verpflichtet sah und gerade nicht Institutionen ins Leben rufen wollte, "die der lokalen Familienpolitik dienten" (50).
Für die erste Gründung San José in Avila verstieß Teresa mehr oder weniger offen gegen das Gehorsamsgelübde und handelte sich nicht nur Unverständnis ein, sondern gar die Unterstellung, damit nur dem Wunsch nach Aufmerksamkeit gefolgt zu sein (157f.). Was Teresa mit ihren Neugründen verfolgte, nämlich die Umsetzung eines tief empfundenen Wunschs nach Rückkehr zu einem Leben, das stärker am ursprünglichen Geist des Karmel und vor allem an der Armut (162-164) orientiert war, wird in Koldaus Schilderung ebenso deutlich wie Teresas für diese Unternehmungen bestens geeignete Disposition als "Managerin" (167, 172). Nach der Darstellung der Klostergründung in Medina del Campo, die als Wendepunkt galt, da Teresa fortan von Förderern um weitere Gründungen gebeten wurde (183), widmet Koldau den Auseinandersetzungen des neuen Zweigs der unbeschuhten Karmeliter mit dem beschuhten Zweig ein ganzes Kapitel (218-240). An dessen Ende wird deutlich, dass Teresas Klöster zum "Spielball im religionspolitischen Kräftespiel zwischen Madrid und Rom" wurden (235).
Im Aufzeigen der Motive und Hintergründe wie auch im Detailreichtum steht die hier zu besprechende Arbeit etwa der Studie von Jutta Burggraf in keiner Weise nach. Was die Frage der engsten Mitarbeiter Teresas betrifft, sieht diese sowohl in Johannes vom Kreuz als auch in Jerónimo Gracián diejenigen, die der Religiosen am nächsten gestanden haben. [2] Koldau hingegen gesteht dieses Attribut verschiedenen Ordensschwestern zu, die Teresa über viele Jahre eng verbunden waren, sowie vor allem ihrem engen Vertrauten Gracián (vor allem 219, 272-281).
Aufgrund seiner guten Lesbarkeit und der Strukturierung des Materials unter der Vielzahl der herangezogenen Quellen stellt das vorliegende Buch eine rundum gelungene biographische Würdigung dar, in der lediglich der Vergleich von Teresas zurückgelegten Weg mit dem des "zeitgleich erschienenen Don Quijote" befremdet (177), ist dieser doch erst 1605 bzw. im zweiten Teil 1615 publiziert worden.
Anmerkungen:
[1] Vgl. auch Gillian T.W. Ahlgren: Teresa of Avila and the Politics of Sanctity, Ithaca / London 1996.
[2] Jutta Burggraf: Teresa von Avila, Humanität und Glaubensleben, Paderborn / München [u.a.] 1996, 240f.
Monika Frohnapfel-Leis