Klaas Voß: Washingtons Söldner. Verdeckte US-Interventionen im Kalten Krieg und ihre Folgen, Hamburg: Hamburger Edition 2014, 590 S., ISBN 978-3-8685-4274-5, EUR 38,00
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Annette Vowinckel / Marcus M. Payk / Thomas Lindenberger (eds.): Cold War Cultures. Perspectives on Eastern and Western European Societies, New York / Oxford: Berghahn Books 2012
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Vladislav Zubok: A Failed Empire. The Soviet Union in the Cold War from Stalin to Gorbachev, Chapel Hill, NC / London: University of North Carolina Press 2007
Georg Schild: 1983. Das gefährlichste Jahr des Kalten Krieges, Paderborn: Ferdinand Schöningh 2013
James Graham Wilson: The Triumph of Improvisation. Gorbachev's Adaptability, Reagan's Engagement, and the End of the Cold War, Ithaca / London: Cornell University Press 2014
Als Austragungsort des Ost-West-Konflikts steht die sogenannte Dritte Welt spätestens seit Odd Arne Westads Studie [1] im Blickpunkt der Zeithistoriker. Insbesondere Bernd Greiners Forschungen sind hier zu nennen. [2] Am Hamburger Institut für Sozialforschung fördert Greiner eine neue Generation von Historikern, die sich schwierige Forschungsarbeiten zutrauen.
Klaas Voß, Jahrgang 1982, hat sich getraut. Das Ergebnis seiner Forschungen primär in US-amerikanischen Regierungs- und Geheimdienstarchiven kann sich sehen lassen. Voß wühlte sich durch Bestände der Kongressbibliothek in Washington D.C., der Präsidentenbibliotheken Lyndon B. Johnsons und Gerald R. Fords, der National Archives and Record Administration in College Park, des Archivs der Central Intelligence Agency (CIA), des National Security Archivs der George Washington University sowie mehrerer digitaler Archive wie u.a. der Edition der Außenministeriumsakten (FRUS). Der Forschung kommt das - im Vergleich zu anderen Staaten - recht freizügige amerikanische Verständnis der "Freedom of Information" zugute. Dennoch stieß Voß oft an die Mauern der Sperrvermerke. Diese Lücken versucht er durch Zeitzeugengespräche zu schließen, u.a. mit namhaften Entscheidungsträgern wie Brent Scowcroft, engem Berater Nixons sowie später Nationaler Sicherheitsberater Fords und Bushs sen., aber auch mit früheren amerikanischen, britischen, portugiesischen und südafrikanischen Söldnern und US-Piloten, die Söldner zum Afrikaeinsatz flogen. Hinzu kommt eine imposante Liste veröffentlichten Materials, nicht zuletzt Tageszeitungen und politische Magazine: Boston Globe, New York Times und Washington Post berichteten oft erstaunlich genau über verdeckte US-Aktivitäten im Kongo, in Angola, Rhodesien und Nicaragua.
Dies sind die Länder, auf die sich Voß beschränkt. Anhand dieser vier Fallstudien analysiert Voß das Prinzip des verdecken Söldnereinsatzes durch die US-Regierung. Die Beschränkung auf die vier Länder ist angesichts der Fülle des recherchierten Materials nachvollziehbar. Und doch enttäuscht sie den neugierigen Leser, nicht zuletzt weil das Verlagscover mit gelben, amerikanische Interventionen symbolisierenden Pfeilen auf nicht weniger als 26 Staaten in Lateinamerika, Afrika, dem Nahen Osten und Südostasien und der Untertitel ("Verdeckte US-Interventionen im Kalten Krieg und ihre Folgen") anderes suggerieren als der Autor liefert. Die anfängliche Enttäuschung des an mehr interessierten Lesers schwindet aber beim Vertiefen in Voß' Ausführungen und weicht der Anerkennung für die vom Autor geleistete Pionierarbeit.
Die vier Fallstudien sind in sich ähnlich gegliedert: Voß führt seine Leser durch das Labyrinth der vertraulichen Entscheidungsprozesse hinter doppelt geschlossenen Türen in Washington und Langley. Klar und scharf analysiert er Washingtons jeweiliges Interesse, sich 1964/65 im Kongo, 1975/76 in Angola, 1975 bis 1978 in Rhodesien und 1984 bis 1987 in Nicaragua militärisch zu engagieren, aber eben nur sehr begrenzt und verdeckt. Den Grund für diese selbst auferlegte Beschränkung arbeitet Voß klar und prägnant heraus: Einerseits wollte die US-Regierung ihre Interessen schützen, auch und gerade in Afrika und Mittelamerika, andererseits wirkte das Vietnamtrauma stark nach und ließ die kritische amerikanische Presse bei jedem sich abzeichnenden neuen militärischen Engagement in Übersee hellhörig werden. Kein Präsident wollte sich vorwerfen lassen, das Land von Neuem in fernen Ländern in militärische Abenteuer mit ungewissem Ausgang zu stürzen. Nichts tun war aber aus US-Sicht auch keine Alternative. Dazu trug entscheidend das Schreckgespenst Kuba bei. Dass sich der kleine, aber zähe und schier unbezwingbare Feind vor der Küste Floridas ab 1975 im weit entfernten Angola militärisch mit Zehntausenden Soldaten engagierte und später auch Nicaragua nach Kräften unterstützte, musste aus US-Logik eine Reaktion Washingtons herausfordern. Schon bei der ersten von Voß untersuchten Intervention 1964/65 im Kongo trieb der amerikanische Gott-sei-bei-uns Ernesto "Che" Guevara sein - aus US-Perspektive - Unwesen. Aus dem scheinbaren Widerspruch zwischen der kubanischen Herausforderung und der der Angst vor einem "neuen Vietnam" wurde die verdeckte, indirekte Intervention geboren. Söldner waren das Mittel der Wahl. Eine personell und materiell eng begrenzte Intervention sollte das amerikanische Risiko minimieren und dennoch die (als solchen wahrgenommenen) Gegner möglichst stark binden und ihnen die Entschlossenheit der USA demonstrieren. State Department, Pentagon und nicht zuletzt CIA und die von ihr gesteuerte Entwicklungshilfeagentur USAID meinten so mit vergleichsweise geringem Risiko und Einsatz einen relativ hohen strategischen Erfolg erzielen zu können. Zudem waren diese kleinen Einsätze auch noch kostengünstig zu haben, ein für die Entscheidungsträger in Washington nicht minder attraktives Argument.
Bei den klandestinen Entscheidungsprozessen achteten die Akteure der US-Administrationen penibel darauf, dass sich eine Beteiligung der obersten politischen Spitze nicht belegen ließ. "Plausible deniability" nannte sich diese Verschleierungsstrategie. Präsident, Außenminister und Nationaler Sicherheitsberater durften nicht mit diesen schmutzigen kleinen Kriegen in Verbindung gebracht werden. Und dennoch sollte das amerikanische Eingreifen zugleich nicht gänzlich im Geheimen ablaufen, denn dann hätte sich die angestrebte Wirkung ja verflüchtigt. Washington wollte ein zwar leicht vernebeltes, aber doch erkennbares Zeichen seiner Aktivitäten in Afrika und Mittelamerika setzen; es galt primär der Sowjetunion als dem großen Gegner im globalen Kalten Krieg und den von ihr militärisch unterstützen Kräften: Wir mischen mit, wir verteidigen unsere Interessen.
Voß's Studie liest sich stellenweise wie ein Krimi, und das, ohne dass der Autor Abstriche am streng wissenschaftlichen Arbeiten macht. Nachdem ein amerikanischer Staatsbürger neben drei weiteren Söldnern im Angola-Einsatz in Luanda im Februar 1975 zum Tode verurteilt und hingerichtet worden war, verklagte dessen Witwe die CIA auf 33 Millionen Dollar Entschädigung. Die Agency verwischte eifrig die ohnehin nur wenigen in den Akten zu findenden Spuren ihrer Operation; die Akten des die Operation führenden Agenten "wurden aufgelöst und an diversen Stellen fehlplatziert, um Anfragen unter dem Informationsfreiheitsgesetz vorzubeugen" (285). Die Gegenseite zeigt Voß am Beispiel des von der in Luanda siegreichen MPLA aufgezogenen Prozesses gegen gefasste britische und amerikanische Söldner. Sein scharfer Blick richtet sich eben nicht nur einseitig auf Washington, sondern analysiert auch das Agieren der anderen Kräfte vor Ort, der sowjetischen Berater, der kubanischen Interventionstruppen und vor allem der lokalen Gruppen. Voß nennt den Luanda-Prozess einen "Schauprozess": "Mindestens ein Amerikaner musste zum Tode verurteilt werden, und Gearhart erwies sich wegen seiner angeblichen CIA-Verbindung und seinem klaren Antikommunismus als die perfekte Wahl" (362).
Nebenbei erfährt der Leser, was sich genau hinter dem ominösen, die weltweiten Geheimoperationen genehmigenden "40 Committee" verbarg (213) und wie die Kryptonyme für CIA-Operationen, beispielsweise IAFEATURE für die Angola-Operation, entstanden (209). Dass ein an sich sehr trockener und durch kaum überschaubare, weil vor der Öffentlichkeit verborgene Entscheidungsprozesse geprägter Stoff beim Lesen zunehmendes Interesse, Neugier, ja sogar Spannung aufkommen lässt, ist ein Verdienst von Voß' kurzweiligen, flotten Schreibstil. Dem am globalen Kalten Krieg Interessierten ist dieses Buch trotz seiner thematischen Beschränkung sehr zu empfehlen. Bleibt zu hoffen, dass Klaas Voß und sein Mentor Bernd Greiner ihre Forschungen auf weitere Länder und Weltregionen ausweiten. Es würde sich lohnen.
Anmerkungen:
[1] Odd Arne Westad: The Global Cold War. Third World Interventions and the Making of Our Times, Cambridge 2005.
[2] Vgl. Bernd Greiner: Heiße Kriege im Kalten Krieg, Hamburg 2006; Ders.: Krieg ohne Fronten. Die USA in Vietnam, Hamburg 2007. Siehe dazu: http://www.sehepunkte.de/2008/01/forum/mehrfachbesprechung-bernd-greiner-krieg-ohne-fronten-die-usa-in-vietnam-45/
Klaus Storkmann