Ulrich Niggemann: Monarchie und Revolution im England der FrĂŒhen Neuzeit. Einführung, in: sehepunkte 14 (2014), Nr. 11 [15.11.2014], URL: https://www.sehepunkte.de
/2014/11/forum/monarchie-und-revolution-im-england-der-fruehen-neuzeit-189/
Bitte geben Sie beim Zitieren dieses Textes die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Von Ulrich Niggemann
Im Juli 2013 erschien endlich der lang erwartete dritte Band von Kevin Sharpes Trilogie zur ReprĂ€sentation und Kommunikation der englischen Monarchie, deren Publikation 2009 mit Selling the Tudor Monarchy ihren Anfang genommen hatte. 2010 folgte mit Image Wars bereits der zweite Band. Das Erscheinen des dritten und letzten Bandes erlebte Kevin Sharpe selbst nicht mehr. Im November 2011 war der renommierte FrĂŒhneuzeithistoriker, dessen frĂŒhe Studien noch stark vom sogenannten Revisionismus geprĂ€gt waren und der sich seither zunehmend einem kulturwissenschaftlich verstandenen Postrevisionismus zugewandt hatte, verstorben. Es ist hier nicht der Ort fĂŒr eine WĂŒrdigung seines umfangreichen Werkes. Der 2013 erschienene Band Rebranding Rule: The Restoration and Revolution Monarchy, 1660-1714 gibt jedoch Anlass, die drei letzten groĂen Arbeiten in ihrer Gesamtheit zu betrachten, denn auch wenn sie durchaus fĂŒr sich stehen können und sollen, enthalten sie doch ein sich durch die BĂ€nde ziehendes Argument, eine leitende Idee. Hinzu kommt, dass das Werk in die Zeit eines wiedererwachenden Interesses an der 'Glorious Revolution' von 1688/89 fĂ€llt, was gerade dem dritten Band einen Rahmen gibt, der ihn auch jenseits der Gesamtkonzeption der Trilogie relevant erscheinen lĂ€sst.
Hatte das dreihundertjĂ€hrige JubilĂ€um 1988 bereits einige neue Impulse fĂŒr die Forschung gebracht, so sind es doch vor allem die jĂŒngeren Veröffentlichungen von Tim Harris und insbesondere Steve Pincus gewesen, die eine neue Diskussion entfacht haben. [1] Beide haben, mit je unterschiedlichem Fokus, den revolutionĂ€ren Charakter des Ereignisses hervorgehoben. Es ist freilich vor allem Pincus' provokant vorgebrachte These, die 'Glorious Revolution' sei in ihrem Verlauf wie auch in ihren Ursachen eine 'moderne' Revolution gewesen, die Widerspruch erzeugt hat. Doch unabhĂ€ngig wie man sich zu der Debatte, die in weiten Teilen v.a. eine methodische Debatte ist, stellt: Nach Jahren relativ geringen Interesses an einer Revolution, die eigentlich kaum noch als Revolution wahrgenommen wurde, scheint die Forschung der 'Glorious Revolution' wieder eine gewisse Relevanz beizumessen. Das in diesem Jahr durch Tagungen und Ausstellungen in Deutschland und GroĂbritannien markierte JubilĂ€um der Hannoverschen Thronfolge [2] dĂŒrfte ebenfalls zum wiedererwachten Interesse an den revolutionĂ€ren VorgĂ€ngen gefĂŒhrt haben, deren Resultat die protestantische Sukzession von 1714 war.
Es erschien daher sinnvoll, Sharpes dreibĂ€ndiges Werk zusammen mit neueren Veröffentlichungen zur englischen Monarchie, insbesondere zum Umfeld der Revolution von 1688/89, zu besprechen. Das erwies sich freilich als schwierig, denn nicht immer lagen Rezensionsexemplare tatsĂ€chlich vor. So wird eine ausfĂŒhrliche kritische WĂŒrdigung der Trilogie Sharpes letztlich nur begleitet von der Rezension eines ebenfalls 2013 erschienenen Sammelbandes zur Revolution von 1688/89, nĂ€mlich dem von Tim Harris und Stephen Taylor herausgegebenen Band The Final Crisis of the Stuart Monarchy.
Sowohl die BeitrĂ€ge des von Harris und Taylor herausgegebenen Sammelbandes als auch Kevin Sharpe bemĂŒhen sich letztlich um die Gewinnung eines Standpunktes, der der Revolution von 1688/89 gerecht wird, ohne dabei die radikalen Thesen von Pincus zu ĂŒbernehmen. Viel stĂ€rker als die Ă€ltere Forschung bemĂŒhen sie sich um eine kulturgeschichtliche Perspektive, die die Zuschreibungen und Sinngebungsmuster der Zeitgenossen in den Blick nimmt. Weder wird die Revolution als Ergebnis des Handelns einzelner oder einiger weniger Akteure gedeutet noch wird eine Position bezogen, die die Revolution einseitig im Hinblick auf KontinuitĂ€ten oder ZĂ€suren deutet. Deutlich werden vielmehr die innergesellschaftlichen Verwerfungen, die Aushandlungsprozesse und das bisweilen schmerzhafte Nebeneinander konkurrierender Ordnungsvorstellungen. Die Revolution entzieht sich - das wird gerade in den BeitrĂ€gen zu Harris und Taylor deutlich - damit allzu einfachen und eingĂ€ngigen Charakterisierungen, sondern erscheint als vielschichtiges Ereignis, dem nur ein multiperspektivischer Zugang gerecht werden kann. Hier ergĂ€nzen sich Sharpes 'longue durĂ©e'-AnnĂ€herung und die perspektivischen Ăberlegungen der Sammelband-BeitrĂ€ge. Auch daran zeigt sich exemplarisch, welche methodischen Herausforderungen eine erneuerte Betrachtung der 'Glorious Revolution' stellt, und zugleich welche Erkenntnisse hier noch möglich sind.
Anmerkungen:
[1] Tim Harris: Revolution. The Great Crisis of the British Monarchy, 1685-1720, London 2006; Steve Pincus: 1688. The First Modern Revolution, New Haven / London 2009.
[2] Vgl. etwa die Ausstellungskataloge: Als die Royals aus Hannover kamen. Hannovers Herrscher auf Englands Thron 1714-1837, hg. v. NiedersĂ€chsischen Landesmuseum Hannover, Museum Schloss Herrenhausen, Dresden 2014; Reif fĂŒr die Insel: Das Haus Braunschweig-LĂŒneburg auf dem Weg nach London, hg. v. Bomann-Museum Celle, Dresden 2014; The First Georgians: Art & Monarchy, 1714-1760, ed. by Desmond Shawe-Taylor, London 2014.