Fritz Koreny: Hieronymus Bosch. Die Zeichnungen. Werkstatt und Nachfolge bis zum Ende des 16. Jahrhunderts, Turnhout: Brepols 2012, 456 S., 451 Farbabb., ISBN 978-2-503-54208-9, EUR 125,00
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Reindert Falkenburg: The Land of Unlikeness. Hieronymus Bosch, The Garden of Earthly Delights (= Studies in Netherlandish Art and Cultural History; Vol. X), Zwolle: Wbooks 2011, 320 S., 241 Farbabb., ISBN 978-90-400-7767-8, EUR 69,95
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Matthijs Ilsink / Jos Koldeweij (Hgg.): Hieronymus Bosch. Visionen eines Genies, Stuttgart: Belser Verlag 2016
Frédéric Elsig: Jheronimus Bosch. La question de la chronologie, Genève: Droz 2004
Stephan Graham Hitchins: Art as History, History as Art. Jheronimus Bosch and Pieter Bruegel the Elder. Assembling knowledge not setting puzzles, Turnhout: Brepols 2014
Im Frühjahr 2012 sind gleich drei wichtige Bücher zum Werk des Hieronymus Bosch (1450/55-1516), einem der schwierigsten und anspruchsvollsten Forschungsgegenstände in der Malerei des 15. und 16. Jahrhundert, erschienen. Während mit dem monografischen Büchlein von Nils Büttner endlich wieder ein aktuelles, gut lesbares und inhaltlich rundes, trotz der Knappheit des Umfangs wissenschaftlich akkurates Einführungswerk im Taschenbuchformat vorliegt [1], sind die hervorragend bebilderten Publikationen von Reindert L. Falkenburg und Fritz Koreny methodisch auf ikonografische bzw. Stil- und Zuschreibungsfragen fokussiert.
Koreny legt ein ambitioniertes und groß aufgemachtes, zwischen Katalog und Studie angelegtes Werk vor, das weniger in der Frage der Zuschreibung von Zeichnungen, aber umso mehr in der der Gemälde Boschs sicher das überraschendste wie auch rigoroseste seit langem, wenn nicht überhaupt, ist. Das Buch widmet sich zunächst grundlegenden Aspekten der Zeichnungsforschung und der Zeichentechnik Boschs im Verhältnis zu seiner Zeit. Es bietet zudem einen relativ umfangreichen und informativen Katalogteil mit den Blättern Boschs, die Koreny auf eine Anzahl von zehn von bisher acht erhöht, denen der Werkstatt, von Nachfolgern und ehemals dem Bosch-Werk-Komplex zugeschriebenen Zeichnungen. So entsteht eine relativ große, nach losen Gruppen oder Einzelblättern geordnete, allerdings auch wieder nicht vollständige und teils beliebig wirkende Zusammenstellung von meist irgendwie 'grotesk' oder zumindest 'boschesk' wirkenden Zeichnungen im Bosch-Umfeld.
Doch besonders aufmerksam macht, dass - obwohl es nicht Hauptanliegen des Buches ist - der Autor von etwa 20 gemalten Werken neun Werkstattmitarbeitern zuschreibt, davon zwei allgemein der Werkstatt und sieben speziell dem "Maler des Heuwagens" (28). Darunter finden sich so bedeutende Werke wie die Versuchung des hl. Antonius in Lissabon, die Sieben Todsünden und die vier letzten Dinge sowie der Heuwagen (beide im Prado in Madrid), aber auch alle drei Werke in Venedig. Damit verbleiben nur noch neun Gemälde (bzw. elf einschließlich Werkstatt-Kollaboration) als Werke Boschs. Die Grundlage für diese Ergebnisse sind die Mittel und Methoden des ausgewiesenen Zeichnungsexperten, die auf eigenen älteren Studien zu Boschs Zeichnungen und Gemälden sowie seiner Schüler oder Nachfolger basieren. [2]
Die Neuzuschreibungen gehen neben allgemeinen Beobachtungen besonders von dem Grundgedanken aus, dass einige Gemälde und auch die Zeichnungen Grablegung Christi (224ff.) und Drolerie im Korb (230ff.) Schraffuren eines Linkshänders, die also von links oben nach rechts unten verlaufen, aufweisen könnten. Recht deutlich sind sie etwa auf den Triptychon-Fragmenten vom Narrenschiff und besonders dem Geizhals. Dort verlaufen sie in langen Parallelschraffuren als Schatten von links oben nach rechts unten. Bei anderen, dem "Maler des Heuwagens" zugedachten Werken sind sie nur relativ kurz. Sie kommen aber im Verhältnis häufiger vor als die nach rechts geneigten - also "rechtshändigen" - Schraffuren. Ein Beispiel bietet der Erzengel auf der linken Innentafel des Heuwagens im Prado. Auch in der Malschicht lässt sich diese Ausrichtung der Pinselstriche feststellen. Sicherlich bedarf dies der Erklärung. Interessant ist jedoch, dass die Schraffuren in dieser Werkgruppe jeweils völlig unterschiedlich stark ausgeprägt sind oder sogar fast ganz fehlen. Auch zeigt z.B. die Zeichnung Der Baummensch (Albertina) links wie rechts geneigte Schraffuren, ohne dass selbst Koreny die Zuschreibung an Bosch bezweifelt. Offenbar können Linkshänder auch "rechtshändig" schraffieren und umgekehrt, wie jeder der das Zeichnen praktiziert, selbst weiß. Nur die langen geneigten Schraffuren können wohl tatsächlich auf unterschiedliche Handpräferenzen schließen lassen, wie es Koreny u.a. mit dem Linkshänder Leonardo da Vinci illustriert. Doch selbst bei den langen geneigten Linkshänder-Schraffuren fällt auf, dass sie lediglich Schatten darstellen, nicht aber konstitutiv für die Bilderfindung sind: Weder korrigieren sie noch definieren sie Bildelemente, und sind daher untergeordnete Arbeiten im Werkprozess, anhand derer allein Werke wohl kaum ab- oder zugeschrieben werden können.
So sehr Koreny präzise vorgeht und klar argumentiert, so offenbart sich doch in vielen Fällen Beliebigkeit: Einige Werke werden Bosch nur begründet durch selektive formale Ähnlichkeiten zugeschrieben, so die Zeichnungen Studien zu einer Versuchung des Hl. Antonius im Louvre (156) und Zwei Orientalen vor einer Landschaft in Berlin (204) sowie das Gemälde der Kreuztragung (28) in Gent. Das letzte Werk zählt Koreny immer noch zum Bestand des Bosch-Œuvres, obwohl es in vielen technischen wie formalen Aspekten davon abweicht. Dazu gehören die karikaturhafte Physiognomik der Renaissance, die nur wenige Berührungspunkte mit Bosch aufweist, die fast Sfumato-artige Plastizität durch fein abgestufte Hell-Dunkel-Werte, die Dornenkrone, die geflochten anstatt wie bei Bosch üblich wie ein Tau gedreht ist sowie der flächige anstatt reliefhafte Einsatz des Bleiweiß. Auch die skizzenhafte Unterzeichnung, die im 16. Jahrhundert gängig war, weicht derjenigen von Bosch deutlich ab. Kürzlich sind durch die technische Untersuchung der Malschichten erneut große Zweifel an der Zuschreibung der Kreuztragung an Bosch aufgekommen. [3] Zum "Stil" gehören eben auch die Technik und das Malmaterial, nicht nur die Form.
Wie die kennerschaftliche Methode mit der soliden Faktenlage kollidiert, zeigt sich, wenn Die Anbetung der Könige im Prado als typisches 'Spätwerk' aus den Jahren gegen 1510 behandelt wird, an dem dann noch die Zuschreibung anderer Werke innerhalb einer angeblichen Reifung oder Œuvre-Entwicklung orientiert wird. Die Identifizierung der Stifter in diesem Triptychon sowie die Zitierung des Petrus der Anbetung im Ecce Homo in Boston, einem um 1499 zu datierenden Werk der Werkstatt Boschs, belegen aber, dass die Anbetung um 1496/97 entstanden sein muss. Dennoch zögert Koreny, diese weit frühere Datierung anzunehmen, da sie ihn in seinem Bemühen stört, ein harmonisches Bild der Entwicklung des Bosch Œuvres zu erschaffen (57, 95).
Koreny begibt sich prinzipiell in die Tradition Giovanni Morellis, indem er an charakteristischen formalen Details Indizien für eine Künstlerhandschrift ausfindig macht. Jedoch ist die Studie einem formalanalytischen Originalitätsdogma verhaftet, dass jedes Anzeichen einer - man muss es so benennen - Kontamination mit Schülerhänden in einem Automatismus zur Abschreibung führt. Diese Strenge gilt allerdings nur für die Malerei, nicht für die Zeichnungen, wo Stilabweichungen großzügiger hingenommen werden. Dabei werden die künstlerisch-ästhetische Originalität im Sinne eines geistigen Schaffensprozesses, die arbeitsteilige Werkstattorganisation sowie die geistig-geistliche Bildung des Malers völlig ignoriert. Diese drei Aspekte sind aber für die führenden Maler im 15. bis 17. Jahrhundert wesentlich. So fragt man sich, ob der "Maler des Heuwagens" die geistige und geistliche Bildung hatte, ebenso innovative und komplexe Gemälde wie sein Meister zu erschaffen. Das Phänomen der Zeichnungs- und Maltechnik erweist sich als wesentlich komplexer und unregelmäßiger als der Autor es darstellt.
Koreny hält unbeirrt und ungeachtet der mittlerweile jahrzehntelangen Kritik an einem oft kunstkennerschaftlich und manchmal psychologisierend aufgefassten, isolierten Regional- und Individual- oder Personal-Stil-Begriff fest, der aus vermeintlich wissenschaftlicher Exaktheit Ikonografie, Werkstil, Kontext, Funktion und Auftraggeber unberücksichtigt lässt. Ferner wird eine kontinuierliche, organische Entwicklung des Œuvres in einem inhärenten persönlichen Reifungsprozess unterstellt, der zu immer höherer formaler Qualität führe. Tatsächlich hängt diese scheinbare Entwicklung vor allem von der Auseinandersetzung mit anderen Künstlern und besonders von den Vorgaben der Auftraggeber ab. Mit der Funktion eines Werkes wurden auch das Thema und der Aufwand festgelegt. So sprechen alle Indizien dafür, dass Bosch, der zumindest zwischen 1499 und 1505 über Werkstattmitarbeiter verfügte, zunächst für städtisch-aristokratische bzw. bürgerliche Auftraggeber arbeitete und wohl erst nach 1500 für den niederländischen Hochadel, für den er seine großen Triptychen und profane Werke schuf. Zu überlegen wäre ferner, ob Bosch nach dem Tod Philipps des Schönen 1506 auf die gezielte Förderung der Renaissance-Kunst am Hof Margaretes von Österreich ab 1509/10 (Jacobo de Barbari als Hofmaler und Italien-Reise Jan Gossaerts) künstlerisch reagierte.
Koreny macht gute Beobachtungen, doch viele Erklärungen der von ihm beschriebenen Phänomene müssten aufgrund mangelnder Reflexion des Stilbegriffs revidiert werden. So zeigt sich, dass im Bosch-Œuvre neben Werken mit voller Farbpalette (z.B. Garten der Lüste, Anbetung der Könige), die nur eine geringe Unterzeichnung und Pentimenti vor allem in der Farbschicht aufweisen, Werke mit reduzierter Farbpalette (z.B. Versuchung des hl. Antonius, Heuwagen, Hausierer in Rotterdam), durchscheinender Unterzeichnung und stärkeren Pentimenti in der Zeichnung stehen. Während Koreny die erste Gruppe Bosch zuschreibt, sieht er die zweite als Werkstattarbeiten. Dabei hängt das Kolorit aber sicherlich nicht mit unterschiedlichen Malern, sondern mit dem jeweiligen Thema zusammen. Ferner gibt es im Einsatz der Unterzeichnung auch motivisch bedingte Unterschiede, je nachdem, ob Landschaft oder Interieur dargestellt ist. Ausgewiesene Werkstattarbeiten, wie allen voran der Ecce Homo in Boston, aber auch das Hiob-Triptychon in Brügge, die jeweils mehrere Bosch-Gemälde zitieren, könnten herangezogen werden, um weiteren Aufschluss über den Arbeitsanteil der Werkstatt und den "Stil" dieser Maler zu erhalten, sowohl bezüglich der Unterzeichnung wie auch der Maltechnik.
Obwohl es auf den ersten Blick klug erscheinen mag, für die Zuschreibung der Zeichnungen auch die Gemälde heranzuziehen, so stellt dies - aufgrund der dargelegten "Stil"-Problematik - auch Korenys (Methode der) Zuschreibung der Zeichnungen in Frage. Dennoch ist es eine mutige Studie. Es ist lobenswert und verdienstvoll, dass Koreny klare Thesen aufstellt und in Text und Bild auch dank hervorragender Detail-Abbildungen nachvollziehbar darstellt, was leider in der Bosch-Forschung nicht immer der Fall war und ist. Somit helfen seine Ausführungen, überhaupt Kriterien hinsichtlich des persönlichen Stils von Bosch zu entwickeln und ein neues Stadium der Werkbetrachtung einzuleiten. Begünstigt wird diese sicher durch das zum 500. Todestag Boschs 2016 lancierte Jheronimus Bosch Research Project, welches noch mehr und noch bessere Infrarotreflektografien und Röntgen-Bilder hervorbringen wird, um sich - hoffentlich auch mit einem historisch adäquaten Stilbegriff - fundiert mit Korenys Thesen auseinanderzusetzen.
Reindert Falkenburg hat sich langsam zu Hieronymus Bosch vorgearbeitet und mit seinem Buch eine fulminante Interpretation des Triptychons Garten der Lüste im Prado vorgelegt. Seine Arbeit zu Joachim Patinir, den er mithilfe von Texten der christlichen Reformbewegung wie etwa der Devotio Moderna interpretierte, bietet hierzu eine erste wichtige Grundlage. [4] Nach einigen Aufsätzen und Vorträgen, die Bosch aus religiösem, ja spirituellem Blickwinkel betrachteten [5], liefert er nun eine umfangreiche und qualitätsvoll bebilderte Monografie zu Boschs berühmtestem und meist bearbeitetem Werk.
Im einleitenden Teil entwickelt Falkenburg u.a. anhand der Kunstliteratur und Inventareinträge des 16. Jahrhunderts zum Garten der Lüste die These, dass dieser für ein höfisches Publikum nicht mit dem Ziel einer klaren Botschaft gestaltet worden sei, sondern den Betrachter irritieren sollte und daher nicht komplett kognitiv begreifbar und sprachlich erfassbar sei. Er wäre also als eine Art conversation piece, obwohl als Spiegel zur Selbsterkenntnis angelegt, doch mehr oder weniger als offenes Kunstwerk intendiert. Dann folgt ein close reading des Triptychons, vor allem der figurenreichen Innenseiten. Methodisch stützt sich dies auf die religiöse und auch weltlich-moralistische Ikonografie des Spätmittelalters, die anhand zahlreicher Text- sowie Bildvergleiche verdeutlicht und konkretisiert wird.
Jedoch untersucht Falkenburg das vielfigurige Werk nicht in willkürlicher Abfolge Bildmotiv für Bildmotiv, sondern anhand werkimmanenter hierarchischer Schwerpunkte, stets bestrebt, formale und inhaltliche Zusammenhänge aufzuzeigen. So bildet die Figurengruppe mit Christus, der Eva Adam zuführt, einen Fix- und Referenzpunkt für die mittlere Bildtafel mit den unzähligen selbstvergessenen Nackten, die sich in einer paradiesischen Landschaft u.a. zwischen riesigen Früchten zu vergnügen scheinen, wie auch für die Verdammten auf der Höllentafel ganz rechts. Dieser Ansatz ist in der jüngeren Bosch-Forschung insofern neu, als sich die Autoren bisher wenig um den Betrachter, geschweige denn um das Betrachten, gekümmert haben. Vielmehr führten sie die ikonografisch-ikonologische Untersuchung meist Bilddetail für Bilddetail ohne Rücksichtnahme auf die Gesamtkomposition, quasi 'Zeile' für 'Zeile', durch, so in den durchaus wichtigen Arbeiten von Dirk Bax, Paul Vandenbroeck und Eric de Bruyn.
Obschon auf der Ikonologie basierend, zielt der Autor nicht auf allgemein Geistes- und Kulturgeschichtliches, sondern darauf, den Garten der Lüste rezeptionsorientiert bzw. -ästhetisch zu erklären. Insofern bezieht er die formale Erscheinung der Figurationen - ihre "Gestalt" - mit ein und kann zahlreiche Verwandlungen von Bildmotiven der christlichen Ikonografie, besonders aus der Buchmalerei, sowie motivische Querverbindungen innerhalb des Garten der Lüste aufzeigen, sodass ein dichtes und fast endloses ikonografisches Geflecht entsteht. Man könnte die Perspektive jedoch hier auch umdrehen und nicht nur danach fragen, welche formalen und inhaltlichen Analogien zwischen Bildmotiven der Betrachter sah, sondern welche Rolle diese Analogien schon im Werkprozess spielten, wie also Bildmotive in Abwandlung etwa zur Christus- oder Adam-und-Eva-Ikonografie vom Maler er- bzw. gefunden wurden.
Die Studie Falkenburgs ist anspruchsvoll und elaboriert, oft essayhaft und verliert sich gelegentlich in ikonologischen Spekulationen. So kann man ihm nicht folgen, wenn er die stark geometrisch geformten Gebirge im Hintergrund der linken Innentafel mit Schädeln und Belagerungsmaschinen vergleicht (134-142). Die Erklärung Vandenbroecks, dass diese Formen die sich aus sich selbst stetig generierende und vervielfältigende Natur als Künstlerin zeigen, erscheint auch wegen besser passenden Bildvergleichen plausibler. [6]
So faszinierend Falkenburgs Ausführungen erscheinen, so ergeben sich doch auch Ungenauigkeiten, denn es wird zwar das visuelle Potenzial des Garten der Lüste verdeutlicht. Ob der konkrete historische Betrachter im Palast der Nassauer in Brüssel aber diese religiöse Vielschichtigkeit 'sah', bleibt vage. Die Differenzierung der Orte, Anlässe, Arten (Zeit, Anstrengung, Anleitung) und Gelegenheiten der Betrachtung, wie sie Falkenburg mit de Beatis' und de Siguënzas Texten ins Spiel bringt, wäre sicher noch eine zukünftige Forschungsaufgabe.
In jedem Fall ist Falkenburg darin zuzustimmen, dass der Garten der Lüste sich von anderen Gemälden im Bosch-Œuvre durch seinen Werkstil - bedingt durch seine Funktion, das heißt die Entstehung in Verbindung mit einer hochadligen Hochzeit - und damit durch das Anspruchsniveau, unterscheidet. Lobenswert ist methodisch einerseits die Erweiterung der ikonologischen Herangehensweise um den Rezipienten und um formalgestalterische Aspekte. Andererseits wird die Spaltung in Ikonografie bzw. Ikonologie und Stil nicht überwunden und das Buch bleibt letztlich der Tradition der Inhaltsforschung verpflichtet.
Falkenburg zeigt die geistesgeschichtliche und theologische Komplexität des Garten der Lüste auf, wie sie - allen Indizien folgend - nur ein überdurchschnittlich religiös gebildeter Maler wie Hieronymus Bosch schaffen konnte. Der Autor verdeutlicht damit die Intellektualität Boschs, die ein wesentliches Movens seiner Bilderfindungen war. Im Gegensatz dazu negiert Koreny diesen Faktor und kann deshalb auch innovative Werke Boschs wie die Antonius-Versuchung in Lissabon oder den Heuwagen ohne Bedenken einem Schüler zuschreiben, ohne Überlegungen zu dessen religiöser Bildung und intellektueller Selbständigkeit anzustellen. Es erscheint jedenfalls als logisches Problem, geradezu als Paradoxon, dass ein Schüler Boschs ebenso innovativ und unabhängig wie sein Meister sein soll, ihm aber zugleich konzeptuell in seinen Werken zum verwechseln nahesteht. Originalität im Sinne von Konzept und Entwurf, also als Äquivalent zu dem, was in Italien als Disegno bezeichnet wurde, wird von Koreny nicht gesehen. Daher genügt ihm die pure handwerkliche Ausführung auch zur Entscheidung von Meisteroriginal und Schülerwerk.
Ein Weg aus der methodischen Spaltung von Ikonografie und Stilgeschichte, Inhalt und Form, wäre sicher neben den oben angedachten Aspekten ein produktionsästhetischer Ansatz, der den geistigen Schaffensprozess, die Entfaltung des Bild-Themas mittels der Bildrhetorik sowie eines spezifischen Werkstils bzw. von Stillagen mit einbezieht, der die "Lücke" zwischen rein technisch Handwerklichem und Stilistischem sowie Motivforschung schließen oder wenigsten überbrücken könnte.
Anmerkungen:
[1] Nils Büttner: Hieronymus Bosch, München 2012.
[2] Fritz Koreny / Erwin Pokorny: Hieronymus Bosch. Die Zeichnungen in Brüssel und Wien, in: Delineavit et Sculpsit. Tijdschrift voor Nederlandse prent- en tekenkunst tot omstreeks 1850 24 (2001); Fritz Koreny: Altniederländische Zeichnungen von Jan van Eyck bis Hieronymus Bosch (Ausstellungskatalog, Rubenshuis, Antwerpen 2002), Antwerpen 2002; Ders.: Hieronymus Bosch - Überlegungen zu Stil und Chronologie: Prolegomena zu einer Sichtung des Œuvres, in: Jahrbuch des Kunsthistorischen Museums Wien 4/5 (2002/2003), 46-75.
[3] Ron Spronk: Eigenhandig? (All by himself?). Opmerkingen bij de schildertechniek en toeschrijvingsproblematiek bij Jheronimus Bosch, Nimwegen 2011.
[4] Reindert L. Falkenburg: Joachim Patinir. Het landschap als beeld van de levenspelgrimage, Nijmegen 1985 [engl.: landscape as an image of the pilgrimage of life. Amsterdam / Philadelphia 1988].
[5] Reindert L. Falkenburg: Black holes in Bosch. Visual tipology in the "Garden of Earthly Delights", in: Image and imagination of the religious self in late medieval and early modern Europe: Emory University, Lovis Corinth Colloquia 1, hg. von Reindert L. Falkenburg / Walter S. Melion (= Proteus; Bd. 1), Turnhout 2007, 105-131; Ders.: Hieronymus Bosch's Mass of St. Gregory and "sacramental vision", in: Das Bild der Erscheinung. Die Gregorsmesse im Mittelalter, hg. von Andreas Gormans / Thomas Lentes, (= KultBild; Bd. 3), Berlin 2007, 179-206.
[6] Paul Vandenbroeck: Jheronimus Bosch' zogenaamde Tuin der Lusten, in: Jaarboek Koninklijk Museum voor Schone Kunsten Antwerpen 1989, 9-201.
Stefan Fischer