Alexander C.T. Geppert: Fleeting Cities. Imperial Expositions in Fin-de-Siècle Europe, Basingstoke: Palgrave Macmillan 2010, XVII + 398 S., ISBN 978-0-230-22164-2, GBP 65,00
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Weltausstellungen waren die Mega-Events des ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Sie waren Großveranstaltungen, deren Vorbereitung oft mehrere Jahre dauerte und über deren Durchführung oft an höchster politischer Stelle entschieden wurde. Millionen von Besuchern pilgerten durch ganz Europa oder durch die halbe Welt, um hier den "dernier cri" der Modernität zu erleben: Den technischen und wissenschaftlichen Fortschritt, den nostalgischen Blick zurück, die ethnographische Schau ferner Welten - und nicht zuletzt die neuesten Errungenschaften der gerade entstehenden Unterhaltungsindustrie. Auch die historische Forschung hat sich in den letzten Jahren intensiv mit diesem Medium der Moderne par excellence beschäftigt; aus wissenshistorischer Perspektive, aus mediengeschichtlichem Interesse oder auch im Rahmen postkolonialer Fragestellungen.
Den bisher von der Forschung weniger beachteten "späten" Ausstellungen ist die hier anzuzeigende Studie von Alexander C.T. Geppert gewidmet, eine überarbeitete Fassung seiner 2004 am European University Institute verteidigten Dissertation. Der im Titel angekündigte zeitliche Fokus sollte den Leser dabei nicht in die Irre führen: Das Fin de Siècle, um das es hier geht, reicht bei Geppert von 1896 bis 1931; eine sehr eigenwillige Epochenbezeichnung, die ein aufmerksamer Lektor vielleicht hätte vermeiden können.
Auch wenn immer wieder Querverweise zu anderen Ausstellungen gezogen werden, stehen fünf ausgewählte Ausstellungen exemplarisch im Zentrum der Untersuchung: "a heterogenous sample of five rather 'late' exhibitions of various type, scope and character, including a trade fair, a bi-national exposition, two colonial exhibitions and one genuine Exposition Universelle" (13) Der klassische Typus der Weltausstellung wird von der Pariser "exposition universelle" von 1900 repräsentiert. Sie war nach 1855, 1867, 1878 und 1889 bereits die fünfte Ausstellung, die in der französischen Hauptstadt, auf dem Marsfeld am linken Seineufer, stattfand, und sie ist bis heute wohl diejenige, die das Genre am nachhaltigsten geprägt hat und die am stärksten in Erinnerung geblieben ist (auch wenn der Eiffelturm nicht hier, sondern elf Jahre zuvor errichtet worden war). Sie war die bestbesuchte Ausstellung überhaupt, sie markierte den Stolz des Jahrhunderts auf die Errungenschaften von Wissenschaft, Technologie, Industrie und Kultur und mit den Ausstellungstempeln "Grand Palais" und "Petit Palais" hinterließ sie bleibende Spuren in der urbanen Topographie von Paris.
Die am 1. Mai 1896 eröffnete Berliner Gewerbeausstellung, mit der Gepperts Buch beginnt, lag dagegen gleich in zweifacher Hinsicht an der Peripherie: Zum einen war die Reichshauptstadt, anders als London, Paris und später Brüssel, kein klassischer Ausstellungsort; weder vor noch nach der Reichsgründung hatten hier Ausstellungen in größerem Rahmen stattgefunden. Und auch die Ausstellung von 1896 war nur nach langem Zögern und in - verglichen mit den von Geppert untersuchten Vergleichsfällen - bescheidenem Rahmen realisiert worden, ganz bewusst - nicht zuletzt wegen der negativen Intervention Kaiser Wilhelms II. - als eine nationale Gewerbeausstellung, nicht als "Weltausstellung", auch wenn sie, wie Geppert zeigt, in vielerlei Hinsicht ganz ähnlich wie diese funktionierte.
London als dritte europäische Metropole ist in Gepperts Studie mit zwei Ausstellungen vertreten: Die britisch-französische Ausstellung von 1908 konnte einerseits an die legendäre Weltausstellung von 1851, andererseits an diverse kleinere, privat organisierte und finanzierte Unternehmungen der 1880er und 1890er Jahre anknüpfen; auch das originelle Format der bi-nationalen Ausstellung war hier bereits erprobt worden. Die Ausstellung von 1924, für die in Wembley ein neues Ausstellungsgelände erschlossen wurde, war hingegen ein genuin imperiales Unternehmen, eine Leistungsschau des Empire: Ein Element, das insbesondere in den französischen Ausstellungen seit 1867 regelmäßig und kontinuierlich wachsend präsent gewesen war, wurde damit zum "Leitmotiv" der ganzen Ausstellung, nämlich die Welt der Kolonien. Auch in Frankreich selbst bestand nach dem Krieg das Bedürfnis, einerseits die Errungenschaften der "mission civilisatrice" darzustellen und andererseits für eine Fortführung und Intensivierung der Kolonialpolitik zu werben: Es dauerte hier jedoch bis 1931, bis die "Exposition Coloniale Internationale et des Pays d'Outre-Mer" in Paris, mit der Gepperts Studie schließt, eröffnet werden konnte - erstmals nicht auf dem Marsfeld, sondern in Vincennes, also außerhalb der eigentlichen Stadtgrenzen. Der Publikumserfolg war auch hier groß, obwohl schon früh Stimmen laut wurden, die an der Nachhaltigkeit des ganzen Unternehmens zweifelten.
Alle fünf ausgewählten Ausstellungen werden von Geppert in etwa 50-seitigen Porträts vorgestellt. Diese Porträts sind durchweg informativ, gut lesbar, anschaulich, atmosphärisch dicht: Gerade durch die intensive Auswertung der zeitgenössischen Berichte - sowohl von offizieller Seite als auch von nationalen und internationalen Journalisten und natürlich von Besuchern - gelingt es Geppert, etwas von der Faszination wiederzugeben, welche die Ausstellungen bis in die 1930er Jahre ausübten. Aber der begrenzte Umfang dieser Abschnitte setzt der Analyse auch Grenzen: Auf eine Diskussion der Inhalte der Ausstellungen wird weitgehend verzichtet; vielmehr sind es die Form der Ausstellung und damit letztlich die Regeln des Mediums "Ausstellung", die den Autor interessieren. Den Diskussionen um Sinn und Zweck der jeweiligen Ausstellungsprojekte, um den angemessenen Standort (der sowohl den benötigten Raum als auch eine komfortable Verkehrsanbindung bieten muss), um die Verbindung zwischen dem Ausstellungsgelände und der umgebenden Stadt und schließlich um die Konzeption der Ausstellung, d.h. die Anordnung der verschiedenen Funktionsbereiche und der verschiedenen Pavillons, widmet Geppert die größte Aufmerksamkeit. So kann er zeigen, dass trotz des großen, bis in die 1930er Jahre weitgehend ungebrochenen Publikumserfolges die Ausstellungen alles andere als unumstritten waren. Insbesondere ihre zunehmende Kommerzialisierung stieß auf erhebliche Kritik; hatte der Schwerpunkt der ersten Ausstellungen noch deutlich auf Wissenschaft und Industrie gelegen, so gewann nun der Unterhaltungs- und Jahrmarktscharakter immer stärker an Bedeutung. In diesem Zusammenhang ist auch die manchmal verzweifelte Suche der Veranstalter (und auch der Beobachter) nach dem "Clou", dem spektakulären Höhepunkt und Symbol der Ausstellung zu sehen, einem Element, das nach dem Erfolg des Eiffelturms 1889 bei keinem Nachfolgeevent fehlen durfte.
Die von Geppert getroffene Auswahl, die bewusst einige der bekanntesten, aber auch einige der einflussreichsten, das Genre prägenden Ausstellungen ausklammert, hat unverkennbare Vorteile: Tatsächlich zeigen die fünf Beispielfälle, wie breit das Spektrum der großen, internationalen Ausstellungen war. Und ohne die Beschränkung wäre das angestrebte "close reading" der einzelnen Ausstellungen und die intensive Quellenrecherche gar nicht durchführbar gewesen. Das Verfahren jedoch, die fünf Ausstellungen jeweils quasi monographisch zu behandeln, kann nicht recht überzeugen. Um zu einem wirklichen Vergleich zu kommen, fehlt es der Arbeit an einem systematisch angelegten Analyseraster, das zu einer strengeren Symmetrie zwischen den einzelnen Kapiteln hätte führen können. Die Roger Chartier entlehnte "conceptual triad of 'presentation', 'representation' and 'perception'" (15) reicht nicht aus, um ihr ein tragfähiges Gerüst zu liefern. So bietet die Studie zwar viel Material und zahlreiche Anregungen für einen Vergleich - die eigentliche vergleichende Arbeit bleibt aber letztlich dem Leser überlassen.
Nicht nur in dieser Hinsicht hinterlässt Gepperts Buch einen gewissen Eindruck des Unfertigen. Exemplarisch sei der umfangreiche Personenanhang genannt: Auf knapp 20 Seiten werden hier biographische Daten der Protagonisten (in der Diktion des Autors: "dramatis personae") der internationalen Ausstellungsszene tabellarisch aufbereitet; eine echte Fleißarbeit, deren Auswertung im Text allerdings fehlt. So wird das transnationale "Netzwerk" der Ausstellungsmacher und -beobachter zwar in den einzelnen Kapiteln immer wieder en passant erwähnt, aber nirgendwo einer systematischen Analyse unterzogen. Leider verzichtet Geppert auch in dem - für sich wieder unbedingt lesenswerten - Schlusskapitel darauf, die in den einzelnen Kapiteln ausgelegten Fäden zusammenzuführen. Stattdessen wirft er hier die Frage auf, ob sich das Medium der großen, internationalen Ausstellung 80 Jahre nach dem spektakulären Auftakt im Londoner Kristallpalast nicht überlebt hat: Tatsächlich kann er zeigen, dass bereits im Fin de Siècle das Wort von der "Ausstellungsmüdigkeit" umging. Bis zum Ende des Untersuchungszeitraums sollten die Stimmen, welche die großen Ausstellungen für nicht mehr zeitgemäß erklärten und ihnen ein baldiges Ende prophezeiten, nicht verstummen. Das Publikumsinteresse blieb hingegen ungebrochen: Die "Ausstellungsmüdigkeit" war einerseits eine Kopfgeburt von Journalisten und Intellektuellen und andererseits ein spezifisch deutsches Phänomen. Zwar lassen sich auch in Frankreich und Großbritannien Echos der in Deutschland geführten Debatte wahrnehmen (die in den 1920er Jahren zu dem Versuch einer internationalen Reglementierung des Ausstellungswesens führen sollten), ein vergleichbarer Pessimismus hinsichtlich der Zukunftsfähigkeit des Mediums herrschte hier jedoch nie.
Fazit: Geppert sind fünf lesenswerte, brillante Essays zu fünf "späten" Großausstellungen in den europäischen Metropolen gelungen, die auf einer souveränen Kenntnis der Quellen sowie der (inzwischen ausufernden) Sekundärliteratur beruhen. Das transnationale Gesamtphänomen der "Imperial Exhibitions" - es ist bezeichnend, dass der Begriff nirgendwo erklärt wird - bleibt hingegen blass.
Daniel Mollenhauer