Rezension über:

Lisa Mayerhofer: Zwischen Freund und Feind. Deutsche Besatzung in Rumänien 1916-1918, München: Martin Meidenbauer 2010, 412 S., ISBN 978-3-89975-715-6, EUR 59,90
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Rezension von:
Franz Sz. Horváth
Koblenz
Redaktionelle Betreuung:
Andreas Fahrmeir
Empfohlene Zitierweise:
Franz Sz. Horváth: Rezension von: Lisa Mayerhofer: Zwischen Freund und Feind. Deutsche Besatzung in Rumänien 1916-1918, München: Martin Meidenbauer 2010, in: sehepunkte 11 (2011), Nr. 7/8 [15.07.2011], URL: https://www.sehepunkte.de
/2011/07/18982.html


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Lisa Mayerhofer: Zwischen Freund und Feind

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Lisa Mayerhofers Monographie, die im Wintersemester 2008/2009 von der Ludwig-Maximilians-Universität in München als Dissertation angenommen wurde, widmet sich dem von der Forschung bislang weitgehend vernachlässigten Aspekt des deutschen Besatzung Rumäniens im Ersten Weltkrieg. Dazu wertete die Verfasserin neben der Memorialistik in beiden Sprachen vor allem die Akten der deutschen Militärverwaltung, rumänische Archivalia und Periodika aus.

Zu der deutschen Besatzung in Rumänien kam es infolge eines Feldzuges als Antwort auf den Kriegseintritt Rumäniens im Sommer 1916. Die völlig überraschte österreichisch-ungarische Armee konnte damals die in Siebenbürgen eindringenden rumänischen Truppen nur mit deutscher Unterstützung zurückschlagen. In der Gegenoffensive brachten die Mittelmächte weite Teile Rumäniens in ihren Besitz. In dem Frieden von Bukarest (Mai 1918) diktierten sie Rumänien sehr harte Friedensbedingungen, die den Mittelmächten u.a. das erste Zugriffsrecht auf die rumänische Ölförderung und die landwirtschaftlichen Erzeugnisse sicherten.

Im Zentrum von Mayerhofers Interesse steht das Miteinander zwischen Okkupanten und Okkupierten. Bestechend ist dabei ihre sorgfältige Differenzierung, indem sie zum einen die einheimische Bevölkerung in ihrer Vielfalt einer kooperierenden und einer auf Abstand zu den Besatzern gehenden Elite zeigt (Kap. 2) und zum anderen die Gegensätze unter den Besatzungsmächten (Deutsches Reich und Österreich-Ungarn) herausarbeitet (Kap. 3). Die Beziehungen zwischen den Besatzern und der rumänischen Bevölkerung werden in gleich zwei Kapiteln untersucht: Das Kapitel 4 geht auf die Versorgung der Besatzer durch Requisitionen und Beschlagnahme ein und stellt dies anhand der Landwirtschaft und der Industrie separat dar. Im nächsten Kapitel analysiert die Autorin die Ausbeutung der Lokalbevölkerung wie auch der Kriegsgefangenen als Arbeitskräftereservoir und hebt die hohe Sterblichkeitsrate der letzteren hervor. Im sechsten Kapitel wird die gegenseitige Wahrnehmung des Besatzer und Besetzten dargestellt. Diese Thematik behandelt Mayerhofer anhand der vielfältigen Erfahrungen mit den Einquartierungen von Soldaten bei der Bevölkerung, der forcierten Freizeitangebote für die Soldaten zwecks Unterbindung zu enger Kontakte zu der Bevölkerung und von deren Bild in der Besatzungspresse. Auch das Selbstbild der Deutschen als "Kulturbringer" und "Europäisierer" Rumäniens wird erläutert. Die zunehmende Erosion der Autorität und die Auflösung der Besatzungsherrschaft in den letzten Kriegsmonaten beleuchtet die Autorin schließlich im letzten Kapitel der Arbeit.

Die Charakteristika der Besatzung Rumäniens im Vergleich mit der Herrschaft in anderen okkupierten Territorien macht Mayerhofer am Verzicht auf eine Trennung in Zivil- und Militärverwaltung, an der Einbeziehung rumänischer Behörden und Fachleute und an der Anbindung an die Traditionen der rumänischen Verwaltung fest (373). Sie hebt die Kooperation mit den deutschfreundlichen einheimischen Eliten und die anfangs gute Versorgungslage hervor. Da es keine konfliktbeladene Vorgeschichte wie im Falle der Polen gab, boten die Zusammenarbeit und der Alltag wesentlich weniger Reibungsflächen als in anderen besetzten Gebieten. Die Ausbeutung Rumäniens, der Umgang mit den Kriegsgefangenen und die harten Bedingungen des Bukarester Friedens führten aber letztlich zu einem Stimmungsumschwung in der rumänischen Bevölkerung. Diese griff zunehmend zu Mitteln des passiven und aktiven Widerstandes, was den Macht- und Autoritätsverlust der Besatzer beschleunigte und schließlich im November 1918 zum überhasteten Ab- und Rückzug der deutschen Truppen führte, was von Plünderungen begleitet war.

Lisa Mayerhofers Arbeit besticht zunächst durch ihren angenehm lesbaren Stil, den häufigen Perspektivenwechsel zwischen den Sichtweisen der Besatzer und Besetzten sowie die moderne Methodik (Einbeziehung der Methoden der Alltagsgeschichte und der Imagologie). Sie leistet durch die Schwerpunktsetzung auf den Alltag, die Einbeziehung lokaler Eliten und die gegenseitigen Selbst- und Fremdwahrnehmungen der Deutschen wie der Rumänen einen wesentlichen Beitrag zur Erforschung des Ersten Weltkrieges. Die Arbeit schließt damit eine wichtige Lücke in der internationalen Forschung und insbesondere in der Geschichte Rumäniens im Ersten Weltkrieg.

Franz Sz. Horváth