Thomas Morlang: Rebellion in der Südsee. Der Aufstand auf Ponape gegen die deutschen Kolonialherren 1910/1911 (= Schlaglichter der Kolonialgeschichte; Bd. 12), Berlin: Ch. Links Verlag 2010, 200 S., ISBN 978-3-86153-604-8, EUR 24,90
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Claire Laux / François-Joseph Ruggiu / Pierre Singaravélou (eds.): Au sommet de l'empire / At the Top of the Empire. Les élites européennes dans les colonies (XVIe-XXe siècle) / European Elites in the Colonies (16th-20th Century), Bruxelles [u.a.]: Peter Lang 2009
Nitin Sinha: Communication and Colonialism in Eastern India. Bihar, 1760s-1880s, London: Anthem Press 2012
Jakob Zollmann: Koloniale Herrschaft und ihre Grenzen. Die Kolonialpolizei in Deutsch-Südwestafrika 1894-1915, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2010
Robin A. Butlin: Geographies of Empire. European Empires and Colonies c.1880-1960, Cambridge: Cambridge University Press 2009
Berthold Riese: Mexiko und das pazifische Asien in der frühen Kolonialzeit, Frankfurt a.M. [u.a.]: Peter Lang 2012
Ulrike Hamann: Prekäre koloniale Ordnung. Rassistische Konjunkturen im Widerspruch. Deutsches Kolonialregime 1884-1914, Bielefeld: transcript 2015
William R. Reynold, Jr.: The Cherokee Struggle to Maintain Identity in the 17th and 18th Centuries, Jefferson, NC: McFarland & Company 2015
Hermann Wellenreuther: Citizens in a Strange Land. A Study of German-American Broadsides and their Meaning for Germans in North America, 1730-1830, University Park, PA: The Pennsylvania State University Press 2013
Das Buch beschäftigt sich mit einem Ereignis der deutschen Kolonialgeschichte, das in Deutschland kaum bekannt ist und das Thomas Morlang anlässlich des 100. Jahrestages einer breiten Öffentlichkeit nahe bringen will. Es handelt sich um den Aufstand der Sokeh auf der Pazifikinsel Ponape (heute Pohnpei) gegen die deutsche Kolonialmacht in den Jahren 1910 und 1911. Der Band bietet einen knappen Überblick über die Vorgeschichte, den Verlauf und die Folgen des Aufstandes.
Der Verfasser beschreibt die Erhebung der Sokeh als Reaktion auf die deutsche Politik auf der Insel. Auf indigenen Widerstand stießen vor allem die deutschen Initiativen zur Abschaffung des auf Ponape bestehenden Lehnswesens und die Umsetzung eines Wegebauprogramms, das die Sokeh zu Abgaben und Arbeitsleistungen verpflichtete, die von den leitenden Kolonialbeamten immer vehementer eingefordert und bei Zuwiderhandeln immer schärfer sanktioniert wurden. Dies führte zu Konflikten, die 1910 eskalierten, als der damalige Bezirksamtmann Gustav Boeder erneut schärfere Strafen einführte.
Um den in der Folge ausbrechenden Aufstand der Sokeh niederzuwerfen, wurden vier Kriegsschiffe herbeigerufen und ein Kontingent von melanesischen Polizeisoldaten aus Deutsch-Neuguinea bereitgestellt. Die deutsche Offensive gestaltete sich zunächst problematisch. Die Marinesoldaten kannten die Insel nicht und waren für den Buschkrieg schlecht ausgebildet. Eine unblutige Episode von "friendly fire" seitens der Marine auf Vertreter der Zivilverwaltung lässt erahnen, dass die Deutschen nicht in allen Phasen der Auseinandersetzung die Herren der Lage waren. Der geplante Rachefeldzug kam zunächst überhaupt nicht voran. Die Sokeh waren im unwegsamen Gelände nicht aufzufinden, und es drohte ein langwieriger Guerillakrieg. Erst als die Deutschen begannen, Häuser und Farmen niederzubrennen, die Ernten zu vernichten und den Sokeh auf diese Weise die Nahrungs- und Existenzgrundlage zu entziehen, gelang es, die Aufständischen zum Aufgeben zu zwingen. Nachdem die Sokeh kapituliert hatten, wurden fünfzehn von ihnen exekutiert, zwölf zu Zwangsarbeit verurteilt und der Rest der Ethnie nach den Palau-Inseln deportiert. Dort starben viele von ihnen an Krankheiten und Unterernährung.
Das Buch ist ganz aus den deutschen Kolonialakten und den Aufzeichnungen der beteiligten Kolonisten herausgearbeitet und reich mit zeitgenössischen Fotografien bebildert worden. Die deutschen Kolonisten, und insbesondere die Marinesoldaten, fotografierten offenbar verhältnismäßig viel. Es finden sich zahlreiche Amateurfotos, in denen vor allem Marinesoldaten und diverse indigene Polizei- und Hilfstruppen abgebildet sind. Selbst bei der Erstürmung der Bergfestung Nankiop blieb offensichtlich genügend Zeit für eine Momentaufnahme. Daneben stehen touristisch anmutende Landschaftsbilder sowie eine unangenehme Sieger- und Herrenmenschenfotografie von gefangenen Sokeh vor ihrer Hinrichtung oder von verbannten ponapesischen Frauen in deutschen Rüschenkleidern.
Das Buch ist, um das Fazit vorwegzunehmen, wirklich gut gemacht und spannend zu lesen. Sein Ziel, bei einem breiten Publikum Interesse für das Thema zu wecken, wird der Verfasser sicherlich erreichen. Für den Fachhistoriker bleiben allerdings einige Fragen offen. Um die Ereignisse in ihrer Bedeutung werten zu können, wäre eine eingehendere Kontextualisierung sowohl mit dem deutschen Vorgehen bei der Bekämpfung indigener Erhebungen in Afrika als auch mit der Niederwerfung autochthoner Aufstände in anderen europäischen Kolonialreichen nötig gewesen. So erwähnt der Verfasser zwar immer wieder, dass die beiden leitenden Kolonialbeamten, die auf Ponape einen besonders harten Kurs verfolgten, zuvor in den afrikanischen Kolonien im Einsatz gewesen waren und von anderen Kolonialbeamten deshalb als besonders gewaltbereit eingestuft wurden. Man hätte allerdings gerne mehr darüber erfahren, was diese "alten Afrikaner" bezüglich der Bekämpfung indigener Erhebungen im einzelnen in Afrika getan und erlebt hatten und wie sich dies konkret auf ihr Verhalten auf Ponape auswirkte.
Es bleibt unklar, welche Qualität man der Niederschlagung des Aufstands im Vergleich mit den Kolonialkriegen in Afrika beimessen muss. Morlang vermeidet die Auseinandersetzung mit der gegenwärtig im Zentrum deutscher Diskussionen stehenden These vom "kolonialen Genozid", der von reisenden Gewaltexperten durchgeführt worden sei, die zuerst in Afrika und Asien ihrem genozidären Treiben frönten, um ihre Erfahrungen danach in den Dienst des nationalsozialistischen Völkermords zu stellen. Morlang geht auf dieses Interpretament nicht ein, obwohl sein Anliegen darin besteht, das Geschehen auf Ponape in seiner Bedeutung aufzuwerten und auf die Grausamkeit des deutschen Handelns hinzuweisen. Er hebt hervor, dass der Aufstand mit brutaler Härte niedergeschlagen wurde, die anschließende Deportation die Bevölkerungszahl der Sokeh drastisch reduzierte und die deutschen Verantwortlichen immer wieder forderten "es dürfe keine Schonung geben" (92), es müsse "reiner Tisch gemacht" (97) und "mit harter Faust durchgegriffen" (97) werden. Morlang geht jedoch nicht so weit, die Militäraktion gegen die Sokeh explizit mit den Kolonialkriegen in Afrika gleichzustellen.
In der Tat wird bei der Lektüre des Buches der Eindruck vermittelt, dass das deutsche Vorgehen zwar viel Leid über die Sokeh brachte, die zitierten Äußerungen der Kolonialbeamten sich jedoch von der harten Vernichtungsrethorik, wie man sie aus dem Zusammenhang mit dem Krieg gegen die Nama und die Herero in Deutsch-Südwestafrika kennt, graduell unterschieden. Auf Ponape wurde den Marinesoldaten zu Beginn der Strafexpedition sogar der ausdrückliche Befehl gegeben, nicht auf Frauen und Kinder zu schießen, nach Möglichkeit auch nicht auf Unbewaffnete (104). Dies steht im deutlichen Gegensatz zu dem von Lothar von Trotha erlassenen Vernichtungsbefehl. Auch im Hinblick auf eventuelle personelle Kontinuitäten zur NS-Zeit ergibt sich für die in den Krieg gegen die Sokeh involvierten deutschen Kolonialbeamten nichts. Morlang lässt offen, ob man das deutsche Vorgehen in eine Reihe mit den Kolonialkriegen in Afrika einordnen muss oder die Ereignisse auf Ponape nicht vielmehr davon abgrenzen sollte.
Nicht zuletzt wäre die Quellenproblematik anzusprechen. Da für die Arbeit ausschließlich deutsche Quellen herangezogen wurden, blickt der Leser durch die deutsche Brille auf die Sokeh. Zur Beurteilung des Aufstandes wäre es allerdings wichtig, die inneren Verhältnisse bei den Sokeh besser zu erforschen. So müsste man mehr über das sogenannte "Lehensystem" wissen, das den Deutschen ein Dorn im Auge war. Auch über die verschiedenen sozialen und politischen Interessengruppen unter den Sokeh, über deren Politik gegenüber den Deutschen und die Art und Weise, wie sie deutsche Missionare und Kolonialbeamte instrumentalisierten, um ihre eigenen Ziele durchzusetzen, sollte sich noch mehr herausfinden lassen. Dass die Rekonstruktion indigener Perspektiven nicht unmöglich ist, hat Hermann J. Hiery bereits in mehreren Arbeiten bewiesen.
Eine eingehende Untersuchung der genannten Punkte würde den Rahmen der vorliegenden Überblicksdarstellung sprengen. Das Thema bedarf einer weit über den knapp gehaltenen Einführungsband hinausreichenden Analyse.
Ulrike Kirchberger