León Krempel: Georg Petel 1601/02-1634. Bildhauer im Dreißigjährigen Krieg, München / Berlin: Deutscher Kunstverlag 2007, 176 S., ISBN 978-3-422-06706-6, EUR 24,90
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Georg Petel, der als "Michelangelo" seiner Zeit galt und dann in Vergessenheit geriet, wurde seit der grundlegenden Werkmonografie von Karl Feuchtmayr und Alfred Schädler im Jahr 1973 als Forschungsthema gemieden, schien es doch zu dem recht übersichtlichen Werk des jung verstorbenen Bildhauers vorerst nicht Neues zu geben.
León Krempel organisierte dann nach fast 40 Jahren Forschungspause eine Ausstellung von Petels Werk in München. Der Katalog - schlank und als Paperback erschienen - ist ein gelungenes Beispiel, dass Ausstellungskataloge nicht nach Gewicht und Format zu bemessen sind.
Bei den einführenden Kapiteln über die Epoche Petels, seine Herkunft und die Stationen seines Lebens in München, Paris, Italien, Antwerpen und Augsburg nutzt der Autor einen Kunstgriff: Statt mit engem Blick auf Petel zu fokussieren, öffnet er die Perspektive und schildert die Welt, die den Künstler umgab. So wird z.B. dessen Geburtsstadt Weilheim als soziales Umfeld lebendig, indem von der Ausstattung der Schulstube bis hin zum Passionsspiel jene Orte und Ereignisse geschildert werden, die für den jungen Petel wichtig und prägend waren. Der Leser nimmt Ort und Zeit so wahr, wie sie einst Petel wahrgenommen haben könnte. Die Auswahl von Kostproben barocker Dichtung als Reflexe dieser dramatischen Epoche stammt aus Petels Lebensumfeld und könnte auch von ihm gelesen worden sein.
Durch den Katalog gelingt es, das Œuvre Petels zu erweitern: ein signiertes und 1621 datiertes Kruzifix in Privatbesitz (Kat.5) entstand offenbar in Paris auf dem Weg von Antwerpen nach Rom, eine heilige Familie (Kat.24) könnte von einer Schwester des Bildhauers bei ihrem Eintritt ins Kloster mitgebracht worden sein, und die Zeichnung eines Hl. Hieronymus (Kat.29) tauchte im Kunsthandel auf.
Was ist der wissenschaftliche Gewinn? Hier bedarf es eines Blickes auf das Konzept der Ausstellung. Üblicherweise finden im Vorfeld von Ausstellungen häufig Tagungen statt, bei denen die wissenschaftlichen Ergebnisse idealerweise in einem Team erarbeitet werden. Allein für die "Albrecht von Brandenburg - Ausstellung" in Halle 2006 erschienen vorab drei Tagungsbände, gefolgt von einem zweibändigen Ausstellungskatalog. Bei Georg Petel ging man den umgekehrten Weg, die Tagung wurde während der Ausstellung abgehalten und erst 2009 publiziert (Georg Petel: Neue Forschungen. Mit Beiträgen von Sabine Haag, Annette Kranz, León Krempel, Friedrich Obermaier, Achim Riether, Lorenz Seelig, Regina Seelig-Teuwen, Ulrich Söding und Linda Zachmann). Die Teilnehmer der Tagung hatten bei Expertenbegehungen der laufenden Ausstellung die großartige Gelegenheit, die Originale gesammelt und vergleichend vor sich zu sehen. So konnten zwar keine Zu-, aber klare Abschreibungen vorgenommen werden. Ein besonderer Verlust ist sicher der Putto aus Weilheim (Kat.34). Bei dem Wappenschild von Ott Heinrich Fugger (Kat.56) vermutete schon Krempel im Katalog einen anderen Meister, was sich dann auch bestätigen sollte. Eine Zuschreibung, die aus drucktechnischen Gründen nicht mehr im Katalog aufgenommen werden konnte, ist die Zeichnung eines Salvators aus St. Moritz in Augsburg, diese findet sich dann aber im Tagungsband verifiziert.
Das bei Petel praktizierte Konzept - erst die Ausstellung, dann die Tagung - bietet sich gerade bei Meisterausstellungen an. Nur hier hat man die Möglichkeit, jener Originale vergleichend ansichtig zu werden, die sonst über die Welt verteilt sind. Offenbar macht diese Idee Schule, so setzt auch die Ausstellung um den Naumburger Meister, die 2011 an mehreren Orten in und um Naumburg stattfinden wird, die Fachtagung kurz vor das Ausstellungsende im Oktober an.
Kerstin Merkel