Ruth Scodel / Anja Bettenworth: Whither Quo vadis? Sienkiewicz's Novel in Film and Television, Hoboken, NJ: John Wiley & Sons 2009, X + 292 S., ISBN 978-1-4051-8385-7, GBP 50,00
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Wie sehr das Forschungsgebiet Antike und Film innerhalb der internationalen Altertumswissenschaft boomt, zeigt eine Fülle von unterschiedlichen Publikationen, die in den letzten Jahren nach der Rückkehr des Antikfilmgenres ins Kino entstanden sind. In diese Serie der wertvollen Publikationen reiht sich auch das 2009 publizierte Werk Whither Quo Vadis? des Autorinnenduos Ruth Scodel und Anja Bettenworth, welches eine überaus fruchtbare wissenschaftliche Zusammenarbeit zwischen US-amerikanischer und deutscher Altertumskunde offenbart. Beide Autorinnen haben schon einschlägige Erfahrung im Rezeptionsfach aufzuweisen, wie das gemeinsam initiierte Internetprojekt Roman Movie Page beweist. Dort finden sich fünf Artikel zu unterschiedlichen Aspekten des Themenbereichs Antike und Film, unter anderem zur politischen Implikation der beiden Genreproduktionen The Fall of the Roman Empire (1964) und Imperium: Augustus (2003) oder zur Verwendung und Funktion des Selbstmords im Antikfilm.
In der vorliegenden Publikation beschäftigen sich die beiden Autorinnen mit der Adaption des bekannten historischen Romans von Literaturnobelpreisträger Henryk Sienkiewicz (1846 - 1916) in fünf unterschiedlichen Kino- und Fernsehproduktionen. Die Bandbreite der untersuchten Produktionen reicht von den beiden italienischen Stummfilmfassungen aus den Jahren 1912 und 1925 über die Hollywoodproduktion von 1951 bis zu den beiden für das Fernsehen produzierten Adaptionen, der italienischen TV-Serie von 1985 und der polnischen Version von 2001. Aus nachvollziehbaren Gründen wurde die französische Stummfilmvariante aus dem Jahr 1901, die als verschollen gilt, nicht berücksichtigt.
Das dem Hauptteil vorangestellte erste Kapitel (1-16) setzt sich in einer allgemein angelegten Fragestellung mit der Adaption von literarischen Vorlagen im Antikfilmgenre auseinander und gibt in einem zweiten Schritt eine knappe, aber ausreichende Einführung zur 1895 erschienenen literarischen Vorlage, zum Autor selbst und seinem politischem Umfeld sowie zur Rezeption und zum Nachleben des Romans. Dieser Teilabschnitt nähert sich den von Sienkiewicz behandelten antiken Quellen (Tacitus, Sueton, Juvenal, Martial und Petronius). Ferner zeigen Scodel und Bettenworth die Beeinflussung des Autors durch die zeitgenössischen Vorgängerromane The Last Days of Pompeii (1834) und Ben Hur: A tale of the Christ (1880) sowie durch die Bildwelten der Historienmaler Lawrence Alma-Tadema und Henryk Siemiradzki, die darüber hinaus selbst zur Inspirationsquelle für die unterschiedlichen Genreproduktionen werden.
Im Hauptteil, aufbauend auf den Erkenntnissen des Eröffnungsabschnittes, beschäftigen sich die Autorinnen in Kapitel 2 (16-54) mit der Umsetzung der literarischen Vorlage in den unterschiedlichen Film- und Fernsehadaptionen. Dabei finden der Erzählblickwinkel, die drei entscheidenden Handlungsstränge (Romanze Vinicius - Lygia, Neros Verfolgung der Christen sowie die politische Auseinandersetzung am Kaiserhof) (16f.), die wichtige Figur des Petronius (28-42) und der Haupthandlungsraum Rom (42-54) mit seinen unterschiedlichen Schauplätzen besondere Berücksichtigung.
Der folgende Abschnitt (55-87) widmet sich Fragestellungen aus dem Themenbereich Gender und Ethnizität und versucht diese anhand der sich wandelnden Rollenbilder der wichtigen Beziehungspaare Marcus - Lygia und Petronius - Eunice in den unterschiedlichen Produktionen zu behandeln. Von der Dominanz der männlichen Figuren ausgehend, zeigen die Autorinnen die positive Wandlung der Figur der Lygia (63-69) von den Stummfilmen bis zur Version von 1951 und räumen in ihrer Untersuchung den beiden TV-Produktionen von 1985 (70-79) und 2001 (80-87) besonderen Spielraum ein.
Kapitel 4 (88-138) beschäftigt sich mit dem politischen Umfeld der unterschiedlichen Genreproduktionen und spürt dabei den zeitgenössischen Subtexten der einzelnen Adaptionen nach, welche von nationalistischer (1912) und faschistischer Vereinnahmung (1925) über die Auseinandersetzung mit Faschismus, Holocaust und dem neuen politischen Gleichgewicht nach dem Zweiten Weltkrieg (1951) bis zur Verarbeitung der italienischen Innenpolitik der 1980er-Jahre (1985) oder der Befreiung vom Kommunismus (2001) reichen.
Im anschließenden Abschnitt (139-172) setzt sich das Autorenpaar mit der Frage auseinander, wie die stadtrömische Bevölkerung in den einzelnen Adaptionen dargestellt wird, eine Gruppe, die in den sonstigen Publikationen zum Themenbereich Antike und Film meist wenig Beachtung findet, in den hier behandelten Produktionen aber eine handlungsimmanente Rolle spielt. Während Fragen der Ethnizität hier wieder berücksichtigt werden, konzentriert sich die Untersuchung der stadtrömischen Bevölkerung auf ihren Einsatz bei den Massenszenen sowie ihre Funktion als Zuschauer bei den diversen Arena-Sequenzen.
Abgeschlossen wird der Hauptteil durch eine Auseinandersetzung mit den religiösen Aspekten der literarischen Vorlage und der Filmadaptionen (173-218). Neben der Betrachtung der antiken paganen Religion (173-178) und des Judentums (178-184) bilden die Darstellung des Frühchristentums in der literarischen Vorlage (185-188), die Rolle der Liturgie in Film und Roman (188-194) sowie die Darstellung von Radikalität (194-200) und Konsens in den Figuren des Simon Petrus und Paulus von Tarsus (200-211) die Kernpunkte des Teilabschnitts.
Dem Hauptteil folgt ein abschließendes Kapitel mit einer allgemeinen Zusammenfassung (219-222) sowie einem knappen Exkurs zu den unterschiedlichen deutschen Übersetzungen der literarischen Vorlage (223-226). Abgerundet wird die Darstellung durch Inhaltsangaben der einzelnen Filmadaptionen (227ff.) sowie eine tabellarische Gegenüberstellung von Romaninhalt und Filmhandlungen (230-265). Eine umfangreiche Bibliografie (266-274) und Indizes zu den zitierten antiken Stellen (275-278), erwähnten Personen (279-284), Dingen und Orten (285-292) beschließen die Publikation.
Die unterschiedlichen Themenbereiche werden anhand der einzelnen Produktionen überaus anschaulich und gewissenhaft abgehandelt. Jedes Einzelkapitel wird durch eine etwas knappe Zusammenfassung abgeschlossen. Dabei stellt die Auseinandersetzung mit der stadtrömischen Bevölkerung im Antikfilm eine überaus positive Erweiterung des Forschungsbereichs Antike und Film dar. Die Betrachtung der einzelnen Filmadaptionen selbst bleibt stark auf den Dialog fixiert. Eine stärkere Bezugnahme auf die unterschiedlichen Bildeinstellungen hätte die homogene Darstellung noch stringenter gemacht. Ausgehend von einer wichtigen literarischen Vorlage des Antikfilmgenres haben die beiden Autorinnen eine überaus gelungene Betrachtung erarbeitet, die neue Sichtweisen auf die unterschiedlichen Filmadaptionen eröffnet, und gerade durch die Behandlung der im deutschsprachigen Raum relativ unbekannten polnischen Version von 2001 bereichert wird.
Alexander Juraske