Barbara Beaucamp-Markowsky: Frankenthaler Porzellan. Bd. 1: Die Plastik. Aufnahmen von Jean Christen, München: Hirmer 2008, 644 S., ISBN 978-3-7774-3065-2, EUR 98,00
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Die Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim besitzen heute neben dem Kurpfälzischen Museum in Heidelberg und dem Bayerischen Nationalmuseum München die weltweit größte Sammlung an Porzellanen der kurpfälzischen Manufaktur Frankenthal (1755-1799). Die rund eintausend Porzellane der Sammlung repräsentieren beispielhaft das gesamte Schaffen der mit nur 44 Produktionsjahren kurzlebigsten deutschen Porzellanmanufaktur des 18. Jahrhunderts.
Mit der Unterstützung der CERAMICA-STIFTUNG Basel konnten die Mannheimer Bestände an Frankenthaler Porzellan in einem mehrjährigen Forschungsprojekt (1998-2005) umfassend untersucht und in einer insgesamt drei Bände umfassenden Publikation - unterteilt in die Bereiche "Plastik", "Geschirr" und "Archivalien" - veröffentlicht werden. Wie der Leitende Direktor der Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim, Alfried Wieczorek, im Vorwort betont, sollte das entstandene Werk "nicht nur den 'Catalogue raisonné' der Mannheimer Sammlung, sondern auch eine neue Monografie der Porzellanmanufaktur Frankenthal zum Ziel haben" (6).
Gleich der erste Band, ein großformatiges, ziegeldickes und in purpurfarbenes Leinen gebundenes Werk, macht deutlich, dass dieses hochgesteckte Ziel mit Bravour erreicht werden konnte. Einer ausgewiesenen Expertin für Porzellan des 18. Jahrhunderts anvertraut, präsentiert es, wissenschaftlich fundiert und mit glänzenden Abbildungen versehen, die figürliche Plastik Frankenthals.
Die kurpfälzische Porzellanmanufaktur Frankenthal, die 1755 von dem Straßburger Fayencefabrikanten Paul Anton Hannong gegründet und 1762 von Kurfürst Carl Theodor übernommen wurde, verdankt ihr Renommée insbesondere dem figürlichen Porzellan. Bereits 1760 betonte Hannongs Sohn und Nachfolger Joseph Adam, dass sich die Frankenthaler Manufaktur "ganz besonders in den Figuren" auszeichne und "darin einen Grad von Perfektion erreicht [habe] wie diejenigen in Meißen und Sèvres" (63). Geradezu uferlos erscheint die Fülle an originellen Figuren, die in Frankenthal erfunden, von grafischen Vorlagen inspiriert oder auch von anderen Manufakturen wie z.B. Meißen übernommen wurden, und von denen der Leser in dem vorliegenden Band einen breiten Eindruck gewinnt.
Dem klassischen Aufbau eines Museumskataloges folgend, widmet sich Barbara Beaucamp-Markowsky in den einführenden Kapiteln der Historie der Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim und ihrer Porzellansammlung sowie der kurpfälzischen Porzellanmanufaktur Frankenthal. Sich durch zahllose Zitate eng an die im Archivalienbestand der Frankenthaler Manufaktur und im Landesarchiv Speyer verwahrten zeitgenössischen Dokumente haltend, gelingt ihr eine informative und lebendige Darstellung der Manufakturgeschichte. Ein Überblick über die namentlich bekannten Modelleure, Bossierer und Maler leitet zum Katalogteil über. Die 336 Katalognummern zugeordneten Figuren gliedert die Autorin nach Modelleuren. Es folgen Abformungen, Neuausformungen, Nachbildungen und Fälschungen von Frankenthaler Porzellanen. Übersichtlich und einem einheitlichen Konzept folgend, bietet Barbara Beaucamp-Markowsky umfassende Informationen zu den Objekten, die weit über die Standardinformationen der meisten Bestandskataloge hinausgehen und unter anderem auch Gewicht, Glasur und Ergänzungen behandeln. Nach einer auf das Wesentliche reduzierten Kurzbeschreibung widmet sie sich Vergleichsstücken sowie Angaben zur weiterführenden Literatur.
Besonders wertvoll sind Barbara Beaucamp-Markowskys interessant aufgearbeitete Hintergrundinformationen, die sie zu einem Großteil der Porzellane bietet. Durch die Abbildung von Vorlagen, die den Modelleuren in der Manufaktur für die Produktion einzelner Figurinen vorgelegen haben müssen, ermöglicht sie es dem Leser, die technische Umsetzung einer zweidimensionalen Vorlage in eine dreidimensionale Plastik nachzuvollziehen. Außergewöhnliche Porzellane, die beispielsweise ikonografische Besonderheiten veranschaulichen, Skulpturen aus Antike und Renaissance zitieren oder auf zeitgenössische Bauwerke verweisen, bespricht Beaucamp-Markowsky besonders ausführlich. Typische Eigenheiten Frankenthaler Figurinen wie Sockelformen oder Staffierungen legt sie dem Leser ebenso dar wie Modellvarianten oder die Figuren betreffende Zitate aus den erhaltenen Manufaktur- und Preisverzeichnissen. Auch ungewöhnliche, spannend erläuterte Details können in dem Katalog entdeckt werden.
Eine besondere Freude ist die reiche Ausstattung des Buches mit hochwertigen Farbaufnahmen. Trotz der Fülle der Porzellane wurde bei der Realisierung des Katalogs nicht an ganzseitigen Abbildungen gespart. Die Fotografien unterschiedlicher Seitenansichten von figurenreichen Gruppen lassen ebenso wie reizvolle Detailaufnahmen die hohe Qualität der Frankenthaler Porzellanplastik erkennen. Dass auch auf die optische Gestaltung der Publikation großer Wert gelegt wurde, macht die mitunter vertauschte Abfolge von Aufnahmen deutlich, die sich nach der formalen Ausrichtung der abgebildeten Figuren richtet.
Fotografisch dokumentierte Marken und Ritzzeichen runden das Werk ab. Ein eingefügtes Register sowie ein kurzes Glossar am Ende des Buches erleichtern die Nutzbarkeit dieses umfangreichen Katalogs erheblich.
Barbara Beaucamp-Markowsky entlässt den Leser dieses ersten Bandes über Frankenthaler Porzellan in den Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim wunschlos glücklich. Ihrer Erfahrung auf dem Gebiet der Katalogerstellung [1] sowie ihrem lebendigen Schreibstil ist es zu verdanken, dass dieser 644 Seiten starke Katalog in bewährter Aufmachung nicht nur als Nachschlagewerk, sondern auch zur unterhaltsamen Lektüre empfohlen werden kann. Knapp einhundert Jahre nach dem Erscheinen von Friedrich Hermann Hofmanns Standardwerk zum Frankenthaler Porzellan [2] liegt damit eine umfassende Publikation vor, die - ganz der anfangs zitierten Vision Alfried Wieczoreks folgend - von nun an zweifellos eine der maßgeblichen Veröffentlichungen zur kurpfälzischen Porzellanmanufaktur Frankenthals bilden wird.
Anmerkungen:
[1] Barbara Beaucamp-Markowsky verfasste unter anderem den Bestandskatalog der Porzellansammlung des heutigen Kölner Museums für Angewandte Kunst (Barbara Beaucamp-Markowsky: Europäisches Porzellan und ostasiatisches Exportporzellan, Geschirr und Ziergerät (= Kataloge des Kunstgewerbemuseums Köln; Bd. 4), Köln 1980).
[2] Friedrich Hermann Hofmann: Frankenthaler Porzellan, 2 Bde., München 1911.
Xenia Ressos