Marlene Kurz: Ein osmanischer Almanach für das Jahr 1239/1240 (1824/1825) (= Islamkundliche Untersuchungen; Bd. 276), Berlin: Klaus Schwarz-Verlag 2007, 165 S., ISBN 978-3-87997-339-2, EUR 32,00
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Marlene Kurz, die zur Zeit am Institut für Geschichte der Universität Wien tätig ist, hat hier die erweiterte Fassung eines Vortrages vorgelegt, den sie im Frühjahr 2005 auf dem 24. Österreichischen Archiv- und Historikertag in Innsbruck gehalten hat. Herausgekommen ist die wirklich bemerkenswerte Übersetzung und Kommentierung eines astrologischen Tabellenalmanachs aus osmanischer Zeit für das Hidschrajahr 1239/1240 (1824/1825) auf der Grundlage einer in der Staatsbibliothek Berlin befindlichen Handschrift. In diesen Almanachen wurden in der Regel solare Kalendersysteme, wie Frau Kurz schreibt, "mit den Ergebnissen der Natur- und Wetterbeobachtung, die zum Teil weit in vorislamische Zeit zurückreichten und aus verschiedenen Kulturkreisen stammten, in Verbindung gebracht" (9).
Der berühmte Universalgelehrte al-Biruni (gestorben ca. 1050) beschreibt in einem seiner Bücher den idealtypischen Aufbaus eines solchen Werkes: Man könne mit Daten zu den Propheten und besonders bemerkenswerten Herrschern beginnen. Dann sollte ein Horoskop mit Angaben zur Stellung der Planeten in den zwölf Häusern und mit den daraus resultierenden Prognostiken für das Jahr folgen. Nun schließe sich möglichst der tabellarische Teil an. Folgende Spaltenaufteilung böte sich an: 1. Spalte auf der rechten Seite: Wochentage; 2. Spalte: die Tage der arabischen Monate; 3. Spalte: die Tage der griechischen Monate; 4. Spalte: die Tage der persischen Monate; 5. Spalte: die Namen der persischen Tage; 6. Spalte: die Ephemeriden der Planeten; 7. Spalte: der aufsteigende Mondknoten; 8. Spalte: die Länge des Tages in Stunden und Minuten; 9. Spalte: die Höhe der Sonne am Mittag. In weiteren Spalten bzw. in Randbemerkungen könnte darüber hinaus Auskunft gegeben werden über den Stand des Mondes in den bzw. den Eintritt der Sonne in die Tierkreiszeichen, die Feiertage und Feste der verschiedenen Völker oder über astrologisch bedeutsame Angaben wie Konjunktionen und Oppositionen der Planeten. Am Schluss habe der Autor die Möglichkeit, Sonnen- und Mondfinsternisse, die in dem Jahr anfallen, näher zu bestimmen.
Auch der von Marlene Kurz erschlossene Almanach lehnt sich eng an dieses Schema an: Den Kalenderblättern sind ausführliche astrologische Prognostiken zum Schicksal des Sultans, seiner Würdenträger und der breiten Bevölkerung im anbrechenden Jahr vorangestellt. Den Kern bilden seitenartige Tabellen, je eine für einen Monat von 30 Tagen, beginnend mit dem Frühjahrsäquinoktium des Hidschrajahres 1239, d.h. dem 21. März 1824 nach dem gregorianischen Kalender. Auf einem Folgeblatt berichtet der Verfasser über die in diesem Schaltjahr fälligen sechs Zusatztage und fügt noch einige astronomische Bemerkungen und astrologische Prognostiken bezüglich einer partiellen Sonnenfinsternis an. Das Ende stellt dann zwei Horoskope - eines nach der üblichen arabisch-osmanischen Astrologie, eines nach den Vorgaben der chinesisch-zentralasiatischen Sternenkunde - dar.
Da ein solcher Almanach, der sich eher an ein gebildetes Publikum richtete, natürlich für den nicht eingeweihten heutigen Leser nur schwer verständlich ist, präsentiert Frau Kurz in einer ausführlichen Einleitung einige notwendige Hintergrundinformationen und geht auf wichtige Punkte des Genres ein. Auf einen Abriss der Geschichte der Astronomie im Osmanischen Reich bis zur Regierungszeit Mahmuds II. (11-16), eine Beschreibung der verschiedenen Ären und Kalendersysteme (26-35) und der christlichen und muslimischen Feste (36-43) folgt eine Zusammenfassung der muslimischen Meteorologie (44-51). Im Almanach finden sich nämlich neben Ratschlägen für die Gesundheit und Angaben zu Tulpen, Störchen, Rosen und Nachtigallen auch eine Reihe von Ausführungen zum Nil, zu Wetterperioden und zu den Mondstationen, die in den muslimischen Regionen für gewöhnlich mit meteorologischen Erscheinungen in Verbindung gebracht werden. Interessant und hilfreich sind schließlich auch die Ausführungen zur Astrologie (52-64). Astrologen genossen an den Höfen des Osmanischen Reichs ein hohes Ansehen, und kaum ein Sultan tat einen Schritt, ohne vorher einen Experten konsultiert zu haben. Wichtig waren etwa die beiden Mondknoten, also die Punkte, an denen die Mondbahn die Ekliptik schneidet. Für genauso bedeutsam hielt man das Verhältnis der Planeten zueinander, wobei der Konjunktion, also dem Moment, in dem zwei Planeten einen Abstand von 0° zueinander haben, wie auch der Opposition (bei 180°) größte Bedeutung zugemessen wurde.
Die Übersetzung (68-126) ist, soweit ich sehen kann, ganz ausgezeichnet. Bibliographie (127-132), Faksimiles (135-159) und Register (160-165) schließen dieses erhellende und lesenswerte Buch ab. Wenn doch nur alle Vorträge in eine solche Monographie münden könnten!
Stephan Conermann