Peter Barnet / Pete Dandridge (eds.): Lions, Dragons & Other Beasts. Aquamanilia of the Middle Ages, Vessels for Church and Table, New Haven / London: Yale University Press 2006, 256 S., ISBN 978-0-300-11684-7, USD 50,00
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Dank ihrer Lebendigkeit in der Darstellung gehören Aquamanilien zu den Lieblingsexponaten kunst- und kulturhistorischer Ausstellungen. Sie werden dort gern zur Illustration von Rittertum und höfischer Tischzucht eingesetzt oder sie repräsentieren mit Drachen und Löwen, Einhörnern und anderen Mischwesen die mythische Welt des Abenteuerwaldes. Nie zuvor aber gab es eine eigene monografische Ausstellung zu dieser Gattung mittelalterlicher Bronzegefäße. Dass eine solche aber durchaus als Gesamtdarstellung einer in ihrem Potenzial vielfach unterschätzten Gattung Sinn macht, zeigt die New Yorker Ausstellung von 2006, deren Katalog hier vorzustellen ist.
Aquamanile ist ein moderner, von der Kombination von lateinisch "aqua" für Wasser und "manus" für Hand abgeleiteter Verabredungsbegriff. Er bezeichnet vor allem diejenigen mittelalterlichen Gießgefäße aus Bronze oder Keramik, die in tierischen und seltener auch menschlichen Formen, das heißt wie kleine Lebewesen, gebildet sind. Sie dienten der Handwaschung in der Liturgie ebenso wie bei Begrüßung und Gastmahl im Rahmen der höfischen Gastfreundschaft und waren dabei in ein Zeremoniell eingebunden, das auf Reinheit abzielte.
Nicht nur aufgrund ihrer reichen Überlieferung räumte Peter Bloch ihnen eine Sonderstellung unter den liturgischen Geräten ein, indem er sie als "Höhepunkt innerhalb der Gattung mittelalterlicher Bronzegeräte" bezeichnete. [1] Neben Blochs aspektereicher Einführung in diesen Bestand stehen eine erste umfassende Quellen- und Materialsammlung Heinrich Reifferscheids von 1912 und der grundlegende Korpusband der Aquamanilien Otto von Falkes und Erich Meyers von 1935 sowie die Dissertation Michael Hütts von 1993, welche die Frage nach einem übergreifenden Bedeutungsrahmen für die Bilderwelt der Aquamanilien aufwarf. [2] Schließlich ist auf zahlreiche Beiträge von Ursula Mende zu verweisen, die vor allem für Datierungs- und Zuschreibungsfragen grundlegend sind. [3]
Die New Yorker Ausstellung stellte die umfangreiche und in der Streuung der Typen und ihrer Zeitstellung nahezu repräsentative Sammlung des Metropolitan Museum of Art in New York ins Zentrum. Dieser Bestand wurde um wenige ausgewählte Leihgaben ergänzt, sodass insgesamt 30 Katalognummern (verfasst von den Herausgebern) zusammenkamen. In chronologischer Reihenfolge vom 12. bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts angeordnet, ergeben sich naturgemäß Schwerpunkte auf dem zu allen Zeiten stark verbreiteten Löwen. Stark vertreten sind bis in das 14. Jahrhundert die norddeutschen Aquamanilien, ab 1400 aber die Nürnberger, bei denen die zahlreichen Pferde auffallen. Auch die Flügelwesen wie Drachen, Vögel und Greifen, die Reiteraquamanilien sowie Sonderformen wie Büsten oder Kentauren sind fast alle mit zumindest einem Beispiel repräsentiert, darunter auch solche Seltenheiten wie der von Phyllis gerittene Aristoteles (Kat. Nr. 19). Hinzu trat eine Abteilung verbundener Objekte (27 Katalognummern, verfasst von Leslie Bussis Tait). Sie umfasst antike, byzantinische und islamische Hohlgüsse, oft in Tierform, sowie mittelalterliche Bronzen, die in technischer oder motivischer Hinsicht bzw. aufgrund ihrer Funktion als Gefäße mit den Aquamanilien verbunden sind.
Einleitend stellt Peter Barnet (2-17) kurz und prägnant ebenso Definition und Bezeichnung der Aquamanilien vor wie ihre Verwendung im liturgischen und profanen Bereich im Spiegel zeitgenössischer Quellen und Bildzeugnisse. Auch ihre Entstehung vor dem Hintergrund des Imports islamischer Aquamanilien und ihre Bindung an bestimmte hochmittelalterliche Werkstätten in Magdeburg, Braunschweig und Hildesheim werden thematisiert. Ihre Einbindung in die Tierdarstellungen der Zeit und die Kontextabhängigkeit ihrer Bedeutung werden kurz angesprochen. Dabei wird sinnvollerweise das in seiner Anwendung auf alle Aquamanilien sicherlich überdehnte Deutungsangebot Hütts, der die Aquamanilien in toto als Objekte der Selbstdarstellung ihrer Benutzer verstanden wissen will, mit Vorsicht behandelt. Eine echte Alternative hierzu, welche die Verwendung der Gießgefäße in einem Übergangsritual zu beachten hätte, wird allerdings nicht unterbreitet.
Ein Beitrag von Ursula Mende präsentiert die spätgotischen Aquamanilien Nürnberger Produktion (18-33), die anfangs nach norddeutschen Modellen entstanden und von Mende selbst seit 1974 erschlossen wurden. [4] Sie unterscheiden sich von den hochmittelalterlichen Stücken etwa durch die zumeist im Brustbereich der Tiere eingelassenen Wasserhähne, die wohl eine Erfindung der Nürnberger rotschmiede darstellten. Dementsprechend dienten diese Aquamanilien wohl zumeist als Tischaufsätze. Mende gelingt es dabei, die Verwendung von Holzmodellen für die Herstellung beliebter Typen wahrscheinlich zu machen.
Diese Ansicht unterstützt auch Pete Dandridge in seinem Beitrag (34-56). Er kann besonderes Interesse beanspruchen, da die Ausführungen zur kunsttechnologischen Seite der Herstellung der Aquamanilien, dem Hohlguss mit verlorener Form, auf gründliche Untersuchungen und Röntgenaufnahmen fast aller ausgestellten Aquamanilien gestützt sind. Wichtige Detailbeobachtungen gelingen auf diesem Wege, wie etwa zur Einfügung von Armaturen in komplizierter geformte Tonkerne. Dandridge weist zudem auf die zentrale Rolle der Aquamanilien bei der Wiederentdeckung des seit der Spätantike verlorenen Hohlgusses im Hochmittelalter hin. Man vermisst hier lediglich einen Hinweis auf die Rahmen der beiden karolingischen Brüstungsgitter der Aachener Pfalzkapelle im Osten und Westen des Umgangs, die ebenfalls im Hohlguss entstanden. [5] Die bei Dandridge referierten Materialanalysen für die meisten der ausgestellten Aquamanilien bieten ebenso wie diejenigen Richard Newmans zu Resten des Tonkerns und -mantels (57-63) Hinweise auf mögliche Entstehungsorte und Werkstattzusammenhänge. Sie können darüber hinaus zusammen mit Details der Gusstechnik zur Identifizierung von Nachschöpfungen und Fälschungen des 19. und 20. Jahrhunderts beitragen. Diese bildeten eine eigene kleine Abteilung in der Ausstellung (Kat. Nr. 27-30), darunter auch der sitzende Löwe (Kat. Nr. 28), der bisher als mittelalterliches Pendant zu demjenigen im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe galt.
Ein Film auf beiliegender DVD bietet neben etwas esoterisch angehauchten Betrachtungen zum Stellenwert von Metallurgie und Metallverarbeitung im Zusammenhang mit alchemistischen Vorstellungen, die mit mehr oder weniger passenden Buchmalereien und Grafiken optisch unterlegt wurden, eine besonders sehenswerte Sequenz. Sie zeigt die Entstehung eines frühen Löwen-Aquamaniles (Kat. Nr. 1) mit mittelalterlichen Materialien und Techniken. Hierbei werden alle Arbeitsschritte auf eine Art und Weise anschaulich, die durch Beschreibungen oder einzelne Schemazeichnungen unerreichbar wäre. Darüber hinaus wird auch jeweils die Gewinnung der Materialien vorgeführt, sei es der Ton für die Formen, das Wachs oder die Kupferlegierung. Man wünschte sich die prägnantesten Stationen dieses Vorgangs als "Film Stills" im Katalog, der ansonsten hervorragend mit zahlreichen großformatigen und zumeist farbigen Gesamt- und Detailansichten illustriert ist.
Einige weiterführende Fragen finden im Katalog keine Erwähnung: So wurde etwa der Zusammenhang der Aquamanilien mit der Wiedergeburt der Großskulptur im Hochmittelalter nicht diskutiert. Es unterblieb auch eine eigene Behandlung der von Hütt zu Recht aufgeworfenen Frage nach übergeordneten Bedeutungskategorien der Aquamanilien. Ebenso hätten die keramischen Beispiele mit ihrer eigenen Gewichtung der Typen in der Gesamtüberlieferung in die Ausstellung integriert werden können. Dennoch ist der Katalog deutlich mehr als ein Handbuch für den reichen New Yorker Bestand an Aquamanilien. Er bildet darüber hinaus die moderne Einführung in diesen Bereich mittelalterlicher Plastik und setzt vor allem auf dem Gebiet der Kunsttechnologie und ihrer Präsentation Maßstäbe.
Anmerkungen:
[1] Peter Bloch: Aquamanilien. Mittelalterliche Bronzen für sakralen und profanen Gebrauch, Mailand / Genf 1981, 1.
[2] Heinrich Reifferscheid: Über figürliche Gießgefäße des Mittelalters, in: Mitteilungen aus dem Germanischen Nationalmuseum (1912), 3-93; Otto von Falke / Erich Meyer: Romanische Leuchter und Gefäße. Gießgefäße der Gotik. Bronzegeräte des Mittelalters, Berlin 1935, Reprint 1983; Michael Hütt: "Quem lavat unda foris ..." Aquamanilien. Gebrauch und Form, Mainz 1993.
[3] Eine 19 Titel umfassende Aufstellung der Arbeiten Mendes bietet die grundlegende Bibliografie des New Yorker Kataloges.
[4] Ursula Mende: Nürnberger Aquamanilien und verwandte Gußarbeiten um 1400, in: Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums (1974), 8-25.
[5] Vgl. Katharina Pawelec: Aachener Bronzegitter. Studien zur Karolingischen Ornamentik um 800 (= Bonner Beiträge zur Kunstwissenschaft, 12), Köln / Bonn 1990, 15.
Harald Wolter-von dem Knesebeck