Christoph Walther: Jakob Fischbacher und die Bayernpartei. Biografische Studien 1886 bis 1972 (= Geschichtswissenschaften; Bd. 14), München: Utz Verlag 2006, 556 S., ISBN 978-3-8316-0406-7, EUR 44,00
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Wer in den Tagen vor den Kommunalwahlen im März dieses Jahres durch München ging, stieß hier und dort auf Plakate, auf denen das bayerische Wappen abgebildet war oder auf denen zu lesen stand: "Damit München bayrisch bleibt!" Die Botschaft dieser Plakate dürfte bei den meisten Lesern ein kleines Lächeln ausgelöst haben, wirkte sie doch ebenso aus der Zeit gefallen wie die Partei, die damit warb - die Bayernpartei. Es ist heute fast vergessen, dass diese Partei nach dem Zweiten Weltkrieg für knapp zwei Jahrzehnte eine gewichtige Rolle im Freistaat spielte und auch an ihr Führungspersonal erinnert sich kaum noch jemand, obwohl so illustre Figuren darunter waren wie der wortgewaltige Joseph Baumgartner, der knorrige August Geislhöringer oder der schwer berechenbare Ludwig Max Lallinger. Auch Jakob Fischbacher gehörte zu dieser Gruppe, die selten an einem Strang zog und sich oft erbittert befehdete, schließlich aber doch durch ihren glühenden bayerischen Patriotismus zusammengehalten wurde. Über keinen dieser Politiker - vielleicht mit Ausnahme von Joseph Baumgartner - ist viel geschrieben worden; Christoph Walthers 2004 an der Ludwig-Maximilians-Universität als Dissertation eingereichte Studie über Jakob Fischbacher ist daher umso mehr zu begrüßen.
Der Protagonist dieses Buches wurde am 28. Mai 1886 - kurz vor dem Tod Ludwigs II. - in einem kleinen oberbayerischen Dorf bei Wasserburg geboren und wuchs mit zahlreichen Geschwistern auf einem kleinen Bauernhof auf, der seiner Familie ein bescheidenes Auskommen ermöglichte. Dieses bäuerlich-altbayerisch-katholische Milieu, in das Fischbacher hineingeboren wurde, bildete zeitlebens den Wurzelgrund seiner politischen Überzeugungen, wobei sich "bayerischer Patriotismus und Agrarromantik mit religiösen Vorstellungen" und (57) monarchistischen Sehnsüchten in einer Weise verbanden, die für zahlreiche christlich-konservative Politiker seiner Zeit typisch war. Dabei wuchs Fischbacher selbst rasch über das eigentliche bäuerliche Milieu hinaus, als er in München Jura und Volkswirtschaft studierte, nachdem er seine ursprüngliche Absicht, Priester zu werden, aufgegeben hatte. Als politisch formativ erwies sich sein Kontakt mit Georg Heim, jener legendären Führungsfigur des Christlichen Bayerischen Bauernvereins, bei dem Fischbacher seit 1913 als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Bezirkssekretär tätig war. Das Ende des Ersten Weltkriegs, den Sturz der Monarchie und die Wirren der Revolution erlebte Fischbacher in München - Ereignisse, die das konservativ-restaurative Fundament seines Weltbildes weiter festigten. Mit der Weimarer Demokratie konnte der Bauernfunktionär fast schon naturgemäß wenig anfangen, aber auch die braune Bewegung Adolf Hitlers war seine Sache nicht, obwohl sich gewisse Berührungspunkte bei der geradezu mythischen Verklärung des Bauernstands als Lebensquell der Nation nicht leugnen lassen. Doch Fischbacher war letztlich zu katholisch, zu bayerisch und zu stur, um den Nationalsozialisten auf den Leim zu gehen, die ihn zudem 1933 aus allen seinen Ämtern in den bäuerlichen Standesorganisationen entfernten und ihm sogar seine Pensionsansprüche streitig zu machen suchten. Die Jahre von Diktatur und Krieg überstand Fischbacher überwiegend in Rimsting am Chiemsee, wobei er Kontakte zum monarchistischen Widerstand (Walther gebraucht dieses große Wort bisweilen etwas unbedacht) um Adolf von Harnier und Josef Zott pflegte, ohne dass diese über "Gesinnungspflege und Meinungsaustausch" (83) hinausgegangen wären.
Nach der Zerschlagung des Dritten Reiches widmete sich Fischbacher zunächst nicht der Politik, sondern dem Aufbau des Bayerischen Bauernverbands, der als überparteiliche und konfessionell neutrale bäuerliche Interessenvertretung eine andere Rolle spielen sollte als der BVP-nahe Christliche Bauernverein vor 1933. Dieser Tätigkeit setzte im Frühjahr 1947 eine Affäre ein jähes Ende, die in deftigen Polemiken Fischbachers ihren Ursprung hatte. Nachdem die Presse berichtet hatte, er habe Verbindungen zwischen bayerischen Bauern und jungen Flüchtlingsfrauen als "Bluatschand" bezeichnet - eine Äußerung, die Fischbacher immer bestritt - verlor er seine Ämter ein zweites Mal. Diese Affäre, die über Bayern hinaus ihr Echo fand, hinterließ tiefe Wunden und führte zu persönlichen Aversionen - nicht zuletzt gegenüber führenden Vertretern des Bauernflügels der CSU. Fischbacher hatte dieser Partei zunächst wohlwollend gegenübergestanden, sich dann aber bald am Kurs des Landesvorsitzenden Josef Müller gestoßen, der ihm zu "reichsorientiert" und zu wenig bayerisch erschien. Die "Bluatschand-Affäre" war nun der Katalysator, der Fischbacher den Weg in die Bayernpartei wies, der er im Sommer 1947 beitrat. Seine Hausmacht in der Partei wurde der Bezirksverband Oberbayern, den er bis 1961 führte. Darüber hinaus bekleidete er wiederholt andere Spitzenämter in der Partei (1952/53 fungierte er sogar kurzzeitig als ihr Vorsitzender), ihrer seit 1950 bestehenden Landtagsfraktion und - von dieser nominiert - im bayerischen Landtag (Vizepräsident 1950-1953).
Über die politischen Aktivitäten, die Fischbacher in diesen Ämtern entfaltete, erfahren wir freilich von Christoph Walther wenig, wie man überhaupt sagen muss, dass seine Biografie zunehmend "ausfranst", je weiter er auf der Zeitachse fortschreitet. Der Protagonist seiner Studie verliert sich zunehmend im Dickicht der Führungs- und Flügelkämpfe, die schon in den frühen fünfziger Jahren an den Lebensnerv der Bayernpartei gingen, und in den ausufernden Schilderungen der "Bayern-Ideologie" mit ihrer spezifischen Deutung von Geschichte und Kultur, die sich auf den Nenner bringen lässt: Bayern war immer dann ein Hort des Friedens, des Wohlstands und der Kunst, wenn es selbständig und frei war; die Eigenstaatlichkeit Bayerns sei daher nicht nur geboten, sondern lebensnotwendig. In diesen Teilen kommt Walther durchaus zu treffenden Einsichten, auch wenn manches (etwa der Ideologiebegriff oder die Verbindungen zwischen den Grundüberzeugungen der Bayernpartei und den Konzepten der Konservativen Revolution Weimarer Prägung) zu diskutieren wäre. Der Rezensent hätte sich hier insgesamt weniger Diskurs und mehr Politik gewünscht, zumal die Jahre zwischen 1949 und 1972 nur als Ausblick abgehandelt werden, obwohl Fischbacher erst in den fünfziger Jahren den Zenit seiner politischen Karriere erreichte.
Fischbacher blieb bis zu seinem Tod im Februar 1972 seiner Partei treu, die für ihn nur als autonome, bayerisch-patriotische Kraft und nicht als Spielball der CSU denkbar war. Während der CSU aber trotz schmerzhafter Geburtswehen und mühsamer Selbstfindungsprozesse der Spagat zwischen Tradition und Moderne gelang, blieb die Bayernpartei einem Koordinatensystem verhaftet, dessen wichtigste Fixpunkte dem späten 19. Jahrhundert entstammten und das sich spätestens mit dem tiefgreifenden politischen, sozialen, ökonomischen und kulturellen Strukturwandel des großen Booms zwischen 1948 und 1973 überlebt hatte. Der alte Fischbacher, der geboren wurde, als Otto von Bismarck die Geschicke des Reiches lenkte und der starb, als Willy Brandt Kanzler war, reagierte auf all diese Veränderungen verbittert. Was von seinem politischen Leben bleibe, schrieb er kurz vor seinem Tod, sei "die Erinnerung an ein Fiasko, vergebliche Opfer und das Ahnen einer hoffnungslosen Zukunft" (453).
Thomas Schlemmer