Sylvia Klötzer: Satire und Macht. Film, Zeitung, Kabarett in der DDR (= Zeithistorische Studien; Bd. 30), Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2006, 261 S., ISBN 978-3-412-15005-1, EUR 34,90
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Wie bereits in früheren Veröffentlichungen stellt Klötzer das problematische und konflikteproduzierende Metier der Satire im DDR-Sozialismus vor. Die Forschungslandschaft ist vielseitig. Und manches war bereits auch bei Klötzer schon so nachzulesen, ähnlich selbst in stilistischer Hinsicht. Greifen wir das von ihr geliebte textordnende Hilfsmittel, die Frage an den Leser, auf und spitzen zu: Was ist das Neue an diesem Buch?
Die Verfasserin wollte nun einen deutlichen politikgeschichtlichen Zugang zum Thema finden, generalisierend die politischen Rahmenbedingungen beschreiben und die Felder präzisieren, auf denen innenpolitische Satire möglich und unter Umständen erfolgreich war (11). Sie fragte nach Wirkungen in der instrumentalisierten Öffentlichkeit (anfangs von ihr "Parteiöffentlichkeit" genannt, dann aber verschwindet der Begriff). Sie schaute auf die widersprüchlichen Intentionen der Machthaber im Umgang mit und in Abwehr von Satire. Machthaber, die sich nicht nur ständig "wachsam" gaben, sondern auch unter "grassierender Humorlosigkeit" (15) litten. Mit nicht überzeugenden Argumenten konzentriert sie ihren Blick auf die frühe (1953-1961) und die späte (1977-1989) DDR, so als würde nicht gerade die Phase dazwischen besonders dazu einladen, den systemischen Charakter in der Beziehung Satire - Macht zu ergründen.
Die Darstellung ist angereichert mit vielen Detailinformationen und hübschen Bildern: Biografien von Satirikern, deren Selbstzeugnissen (u. a. in eigens durchgeführten Interviews), historischen Satire-Texten, Konzepten, Drehbüchern, Kritiken, Zensurprodukten. Zeitungssatire, Kabarettprogramme und filmische Eulenspiegeleien werden inhaltlich, in ihrer Zwecksetzung und Machart vorgestellt. Der Leser bekommt Einblicke in Zensierungs-, Disziplinierungs- und Einschüchterungspraktiken in der DDR. Dies hat dokumentarischen Wert.
Die Analyse ist jedoch von einer ästhetischen Haltung bestimmt, die nicht bis ins Letzte durchdacht scheint. "Couragiert und zielgenau" - wie Klötzer die Satiriker gern haben möchte, ist sie in ihrem politisch-ästhetischen Urteil selbst nicht. Die Auslassungen zum "sozialistischen Realismus" rutschen ins Platte. Zum Anderen sind die politischen Wertungen widersprüchlich formuliert, gleichwohl apodiktisch. Da ist das Genre Satire mit der SED-Medienpolitik inkompatibel (40), denn parteikonforme Satire sei nun einmal keine Satire (52)! Satire und das, was als Satire von der SED gewünscht war, schlössen einander aus (54). Zugleich werden "zumindest uneinheitliche Auffassungen" in "zuständigen Institutionen" belegt (40), waren einzelne satirische Leitbilder inklusive Kritikpotenzial zeitweise doch wieder "kompatibel" mit SED-Intentionen (62), ergaben sich gar "Quantensprünge" im Genre, deutete das Lavieren einiger Kulturpolitiker "dennoch darauf hin, dass Raum für Satire besetzt werden konnte" (223). Jedenfalls hatten die Textkorrekturen, die von Machthabern empfohlen oder durchgedrückt wurden, angeblich alle einen politischen Hintergrund.
Dabei geht es nicht ohne Banalitäten ab: So erfahren wir, dass die SED Satire immer stärker gegen den Klassenfeind als gegen Unzulänglichkeiten im eigenen Machtbereich eingesetzt wissen wollte. Klötzer zitiert auch die Satiriker selbst, die sich wiederholt, wie Günter Kunert 1955, die Frage stellten: "Schade ich damit [mit meiner Kritik - E.S.] nicht vielleicht unserer Sache?" Der Eine gab früh, der Andere später, ein Dritter nie die "Sache" auf. Klötzer lässt sich auf diesen inneren Zwiespalt kaum ein. Hätte sie die in ihren Quellen artikulierten Haltungen DDR-verbundener Satiriker wirklich gelten lassen, dann hätte sie Zugang gefunden zu Satire als einer ständigen intellektuellen und charakterlichen Herausforderung für unorthodoxe Sozialisten in der DDR. Sie hätte Opportunismus ergründen können - bei Satirikern, Kultur- und Ideologiefunktionären, bei Leserschaft und Publikum. Letzten Endes behandelt Klötzer weder Satire noch Macht als politische und sich politisch verstehende Instanzen. Und eine Prämisse stellt ihr immer wieder Knüppel ins Räderwerk: Satire sei nicht Satire, wenn Kritikwürdiges als ein im Rahmen des Systems behebbarer Defekt angezeigt wird. Man fragt sich, ob das generell gelten soll.
Leider gelingt auch das neue Vorhaben nicht. Gierig sucht der Leser nach politischen Erklärungen für Zäsuren und Wandlungen. Aber er liest immer nur von "Notlagen" der SED, wobei die als Erklärung einmal für Konzessionen der Staatspartei an die Satire und für Liberalisierung im Kulturbetrieb, ein andermal für mehr Zensur, radikale Eingriffe in Programme und Verfolgung von Satirikern herhalten müssen. Weder für die Scharfmacherei noch für die Entspannung im "notorischen Jahr 1953" gibt es eine überzeugende Ursachendarstellung, stattdessen Spekulationen über einen sowjetischen "Linienumschwung". Für keines der Schlüsseldaten wird der Versuch unternommen, einen deutschlandpolitischen Hintergrund zu erschließen, dabei zeigte sich doch in keinem anderen Bereich der Öffentlichkeitspolitik so klar wie in den Vorgaben für politische Satire, wie die SED-Führung die nationale Frage gestellt wissen wollte. Für den geforderten kritischen Blick auf die Bundesrepublik waren doch weder 1954 noch 1958 primär die Wahlen zur Volkskammer verantwortlich! "Tauwetter" scheint für die Liberalisierung ab1955 keine Rolle gespielt zu haben. Die Reaktion der Machthaber ("in bewährtem Muster") auf den Vorstoß des Eulenspiegel-Chefredakteurs im Mai 1956 belegt Klötzer mit einem MfS-Dokument aus dem Jahr 1958. Weshalb im Oktober 1956 der Horizont für die Personenkult-Debatte verstellt wurde, was zwischen 1961 und 1963 in der DDR-Kulturpolitik passierte, weshalb 1964 das Experiment mit dem Satirefilm endete, interessiert nicht. Dass zu Anfang bis Mitte der Siebzigerjahre "noch eine relativ weite innenpolitische Kritik" (168) möglich war, wird an Beispielen vorgeführt, aber nicht politisch erklärt. Für 1980/81 fanden sich Beweise für "angewachsenen Handlungsdruck", die Ursachen werden nicht einmal angedeutet. Beim Aufbau des Buches sah die Verfasserin von streng chronologischen Gesichtspunkten ab, was der Klärung politischer Sachverhalte abträglich war.
Das Buch ist - dem Gegenstand entsprechend - durchaus spannend und informativ. Es ist zu empfehlen. Ein besseres Lektorat (Interpunktion, Zeitformen, Redundanzen) hätte es auch verdient. Und vielleicht wäre durch ein solches auch die Unart eliminiert worden, im Anschluss an fast jedes Zitat seinen Inhalt noch einmal zu referieren. Gewiss - worauf in den Pointen angespielt wurde, auf wen die spitze Bemerkung in einem Artikel zielt und "wo die Provokation liegt", das muss einem Leser hin und wieder mit zeithistorischem Bezug erläutert werden. Doch was in einem dargebotenen Zitat "zur Sprache kommt" oder sich in ihm "erschließt", was eine ausführlich vorgestellte Erinnerung "zeigt", das will nicht jeder Leser vorgekaut bekommen.
Elke Scherstjanoi