James Allan Evans: The Emperor Justinian and the Byzantine Empire (= Greenwood Guides to Historic Events of the Ancient World), Westport, CT / London: Greenwood Press 2005, xxxvi + 178 S., ISBN 978-0-313-32582-3, GBP 25,99
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James Allan Evans ist mit einer Reihe prominenter Arbeiten zur Geschichte des Oströmischen Reiches im 6. Jahrhundert hervorgetreten, darunter zwei Monografien zu Justinian und Theodora. [1] Das hier anzuzeigende Buch soll als Einführung für Studenten dienen und folgt als Einzelband der Reihe "Greenwood guides to historic events of the ancient world" einem festgelegten Aufbauschema, über dessen Eignung man streiten kann.
Es ging dem Verfasser bewusst nicht darum, erneut eine Gesamtdarstellung des so genannten Zeitalters Justinians vorzulegen; vielmehr versucht er in sechs Kapiteln einige Schlaglichter auf den Gegenstand zu werfen, die allerdings als repräsentativ verstanden werden sollen. Vorgeschaltet sind diesem Überblick eine Zeittafel (XVII-XXII) und ein mutiger "Historical Overview" über "The World of Late Antiquity" auf weniger als 15 Seiten (XXIII-XXXVI).
Ausgesprochen gelungen ist das erste Hauptkapitel über "The Shape of the Empire in Late Antiquity" (1-13), das in der Tat wichtige für die Zeit grundlegende Aspekte benennt und kurz skizziert (Städtewesen, Bischöfe, Palast- und Provinzialverwaltung, Heerwesen, Klerus, Nachbarn des Reiches) - für Examens- oder Klausurvorbereitungen ein glänzendes Arbeitsinstrument! Demgegenüber fällt das zweite Kapitel ab, das dem Nika-Aufstand als "most serious challenge" (15) gewidmet ist ("The Nika Revolt of 532", 15-20) und diesen offenbar als für die Signatur der 'Epoche' charakteristisches Element versteht, insofern Evans hier die Differenzen zwischen Justinian und Mitgliedern der traditionellen Senatoren-Elite in ihrer äußersten Zuspitzung aufscheinen sieht; ob man das Verhalten Justinians in diesem Kontext allerdings wirklich als "paranoia" verstehen darf (19), erscheint mir zweifelhaft.
Wiederum hervorragend geeignet, um sich angesichts bevorstehender Prüfungen einen raschen Überblick zu verschaffen, ist das Kapitel über "The Legal Achievement of Justinian" (21-32), das - angefangen mit einer Beschreibung des großen Rechtskodifikations-Unternehmens - die Reformpolitik Justinians in den Blick nimmt, soweit sie aus den Gesetzestexten rekonstruiert werden kann. Freilich wertet der Verfasser Justinians Bemühungen um eine Verbesserung der Situation von Frauen allzu sehr aus einer moralischen und 'sozialstaatlichen' Perspektive, ohne dabei das kaiserliche Selbstverständnis als christlicher Herrscher und Schutzpatron der Reichsbevölkerung in Betracht zu ziehen. Dass die von Anastasios eingesetzten vindices prinzipiell "seem to have made matters worse" (30), ist im Übrigen keineswegs so unumstritten, wie Evans suggeriert. [2] Wichtig ist demgegenüber sein Hinweis auf die grundsätzliche Frage, wie effektiv auch die ausgefeilteste Gesetzgebung überhaupt sein kann, wenn ein entsprechender staatlicher Umsetzungs- bzw. Erzwingungsapparat nicht existiert (31).
Eher traditionellen Charakter hat das vierte Kapitel ("Empress Theodora", 33-47), das, weitgehend auf den problematischen Erzählungen in Prokops Anekdota basierend, ein Porträt der Kaiserin zeichnet und dabei die divergierenden religiösen Haltungen Justinians und Theodoras sowie deren Konsequenzen für die Religions- und Kirchenpolitik (40 ff.) in den Vordergrund stellt. Die wichtigsten Leistungen Justinians in der Baupolitik und deren dauerhaftes Vermächtnis behandelt das nachfolgende Kapitel über "Justinian's Building Program" (49-58). Evans verwechselt hier freilich erneut - wie bereits in seinem älteren Justinian-Buch - die beiden Reiterstatuen Justinians im Hippodrom und auf dem Augustaion miteinander (53); nicht die Augustaion-Statue, sondern diejenige im Hippodrom feierte die frühen Siege gegen Perser und Bulgaren. [3]
Eine abschließende Diskussion der bleibenden Leistungen Justinians bietet das letzte Kapitel ("Conclusion: The Imperial Achievement", 59-68). Die Ambivalenz des 'Zeitalters Justinians' wird zu Recht hervorgehoben, wenngleich Evans die Errungenschaften jener Phase in Architektur (Hagia Sophia) und Literatur als in späteren Zeiten unerreicht ansieht. Für das wichtigste Erbe des 6. Jahrhunderts hält er die später unter dem Namen Corpus Iuris Civilis zusammengefassten Bemühungen um eine Kodifikation und Reform des römischen Rechts ("his greatest legacy to the modern world", 67). Mit gutem Grund wehrt sich der Verfasser im Übrigen gegen den häufig erhobenen Vorwurf, Justinian habe für seine Eroberungskriege im Westen die Ostgrenze allzu sehr vernachlässigt (65 f.; vgl. auch 13) [4] - in diesem Zusammenhang ist auch seine ebenfalls gut begründete Skepsis gegenüber der Existenz eines fest gefügten Restaurationsprogramms schon zum Zeitpunkt der Thronbesteigung Justinians hervorzuheben (66; vgl. auch XXV). [5]
Dem insgesamt doch recht knappen Darstellungsteil schließt sich ein Materialteil an, der zunächst die wichtigsten Protagonisten der Zeit in Kurzbiografien vorstellt, darunter erfreulicherweise auch unbekanntere, jedoch nicht minder wichtige Gestalten wie etwa den Kirchenhistoriker Johannes von Ephesos, der - weil sein Werk in Syrisch verfasst und nur fragmentarisch überliefert ist - noch immer ein Schattendasein in der Forschung führt. Zwanzig Quellendokumente (ausschließlich schriftliche Zeugnisse) in englischer Übersetzung, denen jeweils eine kurze Einführung vorgeschaltet ist, beschließen den inhaltlichen Teil des Bandes, der durch ein Glossar, eine viel zu knappe Bibliografie und ein Register erschlossen wird.
Man wird sicherlich über die Auswahl der Themen für die sechs Kernkapitel diskutieren können; ob statt der sechs Seiten zum Nika-Aufstand nicht vielleicht eher eine Behandlung der schweren Pestepidemie 541/42, die eine deutliche Zäsur innerhalb der Herrschaftszeit Justinians markiert, sinnvoll gewesen wäre oder ein Kapitel zu den religiösen Verhältnissen jenseits der Kirchenpolitik, ist letztlich eine Frage der individuellen Gewichtungen - allerdings hätte man die Kriterien für solche Gewichtungen klarer darlegen können. Der Begrenztheit des zur Verfügung stehenden Raumes ist geschuldet, dass einige Passagen sich vorwiegend als Namedropping lesen, wie etwa der Abschnitt über die Literatur zur Zeit Justinians (60-65). Ärgerlich ist in jedem Fall die souveräne Nichtbeachtung weiter Teile der neueren Forschung.
Trotz allem: Zur Vorbereitung auf Prüfungen über Justinian und das 6. Jahrhundert scheint mir dieses Einführungswerk (trotz des merkwürdigen Fehlens von Karten!) sehr gut geeignet zu sein und sollte als solches auch unbedingt weiter empfohlen werden. Wer dann tiefer einzusteigen gedenkt, dem sei der "Companion to the Age of Justinian", der nahezu gleichzeitig mit Evans' Buch erschienen ist, anempfohlen. [6]
Anmerkungen:
[1] J. A. S. Evans: The Age of Justinian. The Circumstances of Imperial Power, London / New York 1996; ders.: The Empress Theodora. Partner of Justinian, Austin 2002.
[2] Vgl. W. Brandes: Finanzverwaltung in Krisenzeiten. Untersuchungen zur byzantinischen Administration im 6.-9. Jahrhundert, Frankfurt a. M. 2002, 87, Anm. 159; 408.
[3] Vgl. Evans: The Age of Justinian (wie Anm. 1), 25. Dazu s. M. Meier: Das andere Zeitalter Justinians. Kontingenzerfahrung und Kontingenzbewältigung im 6. Jahrhundert n. Chr., Göttingen, 2. Aufl., 2004, 151 f., 599 ff.; s. hierzu auch die Rezension von Volker Lorenz Menze, in: sehepunkte 6 (2006), Nr. 2 [15.02.2006], URL: http://www.sehepunkte.de/2006/02/5735.html.
[4] In Evans' Sinne äußert sich jetzt auch G. Greatrex: Byzantium and the East in the Sixth Century, in: M. Maas (Hg.): The Cambridge Companion to the Age of Justinian, Cambridge 2005, 477-509, hier 503; siehe hierzu die Rezension von Dariusz Brodka, in: sehepunkte 6 (2006), Nr. 1 [15.01.2006], URL: http://www.sehepunkte.de/2006/01/8472.html.
[5] Dazu siehe auch K. L. Noethlichs: Quid possit antiquitas nostris legibus abrogare? Politische Propaganda und praktische Politik bei Justinian I. im Lichte der kaiserlichen Gesetzgebung und der antiken Historiographie, in: Zeitschrift für antikes Christentum 4 (2000), 116-132.
[6 ] M. Maas (Hg.): The Cambridge Companion to the Age of Justinian, Cambridge 2005.
Mischa Meier