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Ulrich Rasche (Hg.): Quellen zur frühneuzeitlichen Universitätsgeschichte. Typen, Bestände, Forschungsperspektiven, Wiesbaden: Harrassowitz 2011
Udo Fleck (Bearb.): Die Mainzer Voruntersuchungsakten gegen die Schinderhannes-Bande, Trier: Kliomedia 2004
Sudhir Hazareesingh: The Legend of Napoleon, London: Granta Books 2005
Sie gilt bis heute als die "bei weitem wichtigste" Quellensammlung und ist "heute noch nicht nur Ausgangspunkt, sondern Grundlage der Rheinlandhistoriographie" [1]: die vierbändige "Quellen zur Geschichte des Rheinlandes" des ehemaligen Kölner Stadtarchivars Joseph Hansen (1862-1943), die nach ihrem Ersterscheinen in den Jahren 1931-1938 nun in einem Nachdruck vorliegt.
Joseph Hansen stammte aus kleinbürgerlich-katholischen Verhältnissen, legte jedoch beide Prägungen im Laufe seines Lebens ab und entwickelte sich zu einem großbürgerlich-antiklerikalen Liberalen. Er promovierte bei Professor Theodor Lindner in Münster zur Vorgeschichte der Soester Fehde und wurde schließlich 1898 auf den Posten des Kölner Stadtarchivars gewählt. In dieser Rolle und als Vorsitzender der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde gelang es ihm, bedeutende Finanzquellen für die Forschung zu erschließen und damit eine gezielte Wissenschaftsförderung zu betreiben. Sein wichtigstes Werk nahm 1916 seinen Anfang: Die "Rheinischen Briefe und Akten zur Geschichte der politischen Bewegungen 1830-1850" begründeten seinen Ruf als Editor und Wissenschaftler. Seine hier nun im Nachdruck vorliegende Quellenedition zur rheinischen Revolutionsgeschichte tat dies nicht. Dies lag jedoch nicht an einer methodischen oder wissenschaftlichen Schwäche, sondern in den Zeitumständen und der Thematik begründet. Den Anfang der 1930er Jahre prägten die Weltwirtschaftskrise und der Aufstieg der NSDAP mit der Machtübertragung 1933. Unter der NS-Herrschaft wollte man von einem schwachen Deutschland und schon gar nicht von möglichen positiven Entwicklungen unter französischer "Fremdherrschaft", wie sie durch Hansens Quellen nachprüfbar wurden, irgend etwas wissen. Bei ihrem Erscheinen in den 1930er Jahren rief die Publikation höchste Belobigungen hervor. Das Jahrbuch für deutsche Geschichte schrieb über ein "Quellenwerk allererster Ordnung, von dem alle zukünftige Behandlung dieser Epoche ihren Ausgang zu nehmen hat". [2] Wenig später wurde dieses Lob bereits aus politischen Gründen etwas relativiert. [3]
Die vierbändige Quellensammlung umfasst den Zeitraum zwischen 1780 und 1801. Geographisch finden sich ausschließlich Dokumente aus autochthonen rheinischen Herrschaften, nämlich den geistlichen Kurfürstentümern Mainz, Köln und Trier sowie den Reichsstädten Aachen und Köln. Stücke preußischer oder (kur-)pfälzischer Provenienz sucht man vergebens. Hier liegt auch eine der Schwachstellen dieser Sammlung, denn durch diese Beschränkung fehlt beispielsweise das Herzogtum Kleve weitgehend. Diese preußische Nebenprovinz wurde bis zur Departementseinteilung vom Januar 1798 in mancherlei Hinsicht anders behandelt als die übrigen linksrheinischen Territorien, weil nicht sicher war, ob dieses Gebiet nicht wieder an den König von Preußen zurückfallen würde. Auch lassen sich Vorgänge, die oftmals am Beispiel der Reichsstadt Köln exemplifiziert werden, nicht ohne weiteres auf andere rheinische Territorien übertragen. Die vorhandenen Dokumente sind sämtlich rheinischen Archiven und Bibliotheken entnommen und liefern sowohl (überwiegend) deutsche als auch eine Vielzahl französischer Texte. Es erscheint beinahe unglaublich, wie viele Archivalien und Schriftstücke verarbeitet wurden und wie umfangreich der Fußnotenapparat ist.
Die Bände sind stets gleich gegliedert. Vorneweg steht jeweils eine Einleitung, in der die behandelten Jahre (Band 1: 1780-1791, Band 2: 1792/1793, Band 3: 1794-1797; Band 4: 1797-1801) gleichförmig und somit vergleichbar für folgende Bereiche kurz dargestellt und zusammengefasst werden: 1. Regierungsakten, Gesandtschaftsberichte; 2. Zeitungen und Zeitschriften; 3. Flugschriften und Flugblätter; 4. Chroniken und Tagebücher; 5. Briefe. Die intensive Nutzung der zeitgenössischen Publikationen ist es auch, was Hansens großes Verdienst ausmacht: Er berücksichtigt als einer der ersten Historiker Deutschlands systematisch Zeitungen als Quellen. So erfahren wir, welche Meldungen und Medienberichte die damals lebenden Rheinländer beeinflussten oder überhaupt von ihnen gelesen werden konnten. Gerade für die Kriegsjahre (ab Band 2) erfährt man von so manchem Gerücht, das damals umging und ohne dessen Kenntnis sich manche Reaktionen der Bevölkerung gar nicht verstehen lassen. So ging die Bevölkerung in Köln und Bonn davon aus, dass die Franzosen nach einem neuerlichen Vorstoß der Österreicher sich rasch zurückziehen würden; sogar das Gerücht eines Zusammenbruchs der Rhein-Mosel-Armee kam auf (Bd. 3, 691-694).
Wenngleich Hansen aus einer aufklärerisch-fortschrittlichen Grundhaltung heraus durchaus wertneutral und quellenkritisch bleibt, ist an manchen Stellen im Umgang mit dieser Quellensammlung Vorsicht geboten. Quellen und Beschreibungen sind teilweise miteinander vermischt, so dass auf den ersten Blick gelegentlich nicht eindeutig erkennbar ist, was zeitgenössisches Dokument und was eigene Bemerkungen Hansens sind. Auch bei den ansonsten durchgängig sachlichen Kommentaren muss man eine kritische Aufmerksamkeit walten lassen. Wenn Hansen beispielsweise erklärt, eine Zeitung habe von ihren publizistischen Gegnern die Bezeichnung "Bingener Schandblatt" (Bd. 3, 16*) erhalten und sei in keiner deutschen Bibliothek vorhanden, so ist dies unrichtig. Zum Titel nennt er - ausnahmsweise! - keine Quellenangabe. Eine mithilfe der digitalen Bibliothek durchgeführte Recherche, die Hansen selbstverständlich damals nicht zur Verfügung stand, ergab aber, dass die genannte Zeitung heute noch in Deutschland in mindestens zehn Bibliotheken vorhanden ist. Es sei nochmals herausgestellt, dass solche Äußerungen Hansens sehr rare Ausnahmefälle sind.
Wenn Hansens umfängliche Volumina ohnehin bereits in allen größeren Bibliotheken vorhanden sind, warum dann dieser Nachdruck? Einerseits ist die Erstauflage nur noch antiquarisch zu beziehen. Andererseits weist der Neudruck ein anderes Spezifikum auf. Bislang verfügten nur die Bände 2 und 4 über Orts-, Personen- und Schlagwortregister, die sehr detailliert waren. Ferner gab es bis dato nur ein sehr allgemein gehaltenes, nach groben Gemeinsamkeiten zusammenfassendes Quellenverzeichnis. Stephan Laux, der für den Nachdruck verantwortlich zeichnet, hat nun jedem einzelnen Band ein solches Quellenverzeichnis nach den Regesten, die Hansen den Quellen zugewiesen hatte, beigefügt. Damit beseitigt er die Kritik, die Hansgeorg Molitor bereits 1980 formuliert hat: "Es fehlen zum Beispiel Verzeichnisse der abgedruckten Quellen, die oft in den Anmerkungen versteckt oder nicht der Chronologie gemäß eingeordnet sind". [4] Es ist nunmehr endlich möglich, mittels eines weniger detaillierten Quellenverzeichnisses die einzelnen Quellen, Ereignisse und Daten gezielt herauszusuchen, was bisher nur mit außerordentlichem Aufwand an Zeit und Nachschlagen gelang.
Diese umfangreiche und ergiebige Edition von Archivalien, die zum Teil im Zweiten Weltkrieg unwiederbringlich verloren gegangene Stücke in gedruckter Form enthält, wäre ohne für ein Editionsvorhaben günstige Rahmenbedingungen, die finanzielle Mittel und personelle Ausstattung bereit stellten, nicht möglich gewesen. Es bleibt zu hoffen, dass sich die Konstellation einer engen Verzahnung von Archiv, Universität und außeruniversitären, an der Sache interessierten Finanziers wieder bildet, die es bereits Joseph Hansen ermöglicht hat, eine so hochwertige Quellenedition aufzulegen.
Anmerkungen:
[1] Hansgeorg Molitor: Vom Untertan zum Administré. Studien zur französischen Herrschaft und zum Verhalten der Bevölkerung im Rhein-Mosel-Raum von den Revolutionskriegen bis zum Ende der napoleonischen Zeit (= Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz; Abt. Universalgeschichte, Bd. 99), Wiesbaden 1980, 8.
[2] Jahrbuch für deutsche Geschichte 9/10 (1933/34), 685.
[3] Schon in der nächsten Ausgabe der Jahrbücher nahm die damalige Redaktion jedoch die Lobeshymne zurück und schrieb dann beim dritten Band von der "große[n] Bedeutung" dieses "wichtige[n] Werk[es]", ebd., 1935, 246.
[4] Molitor, Vom Untertan zum Administré (wie Anm. [1]), 8, Anm. 35.
Andreas Becker