Sabine Panzram: Stadtbild und Elite. Tarraco, Corduba und Augusta Emerita zwischen Republik und Spätantike (= Historia. Einzelschriften; Heft 161), Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2002, 388 S., 5 Abb., ISBN 978-3-515-08039-2, EUR 76,00
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Sabine Panzram (ed.): The Power of Cities. The Iberian Peninsula from Late Antiquity to the Early Modern Period, Leiden / Boston: Brill 2019
Vor nunmehr zwanzig Jahren hat Géza Alföldy, einer der besten Kenner des Römischen Hispanien und seiner epigrafischen Überlieferung, in einem wegweisenden Aufsatz den Versuch unternommen, die lokalen Eliten der drei hispanischen Städte Tarraco, Barcino und Saguntum unter diversen sozialhistorischen Kriterien, wie etwa Mobilität, Familienverbindungen, Ämterkarrieren, lokalem Traditionalismus et cetera, zu vergleichen, um Unterschiede und Gemeinsamkeiten kaiserzeitlicher städtisch-provinzialer Elitenbildungen hervortreten zu lassen. [1] In einem viel weiter gespannten Rahmen und mit weit ambitionierterer Zielsetzung schreitet nun Sabine Panzram in der "geringfügig veränderten Fassung" (9) ihrer Münsteraner Dissertation in den von Alföldy gewiesenen Bahnen fort. Auch sie unternimmt den Vergleich dreier hispanischer Städte, und auch sie fokussiert diesen Vergleich auf die lokale Elite dieser Orte. Im Gegensatz zu Alföldy aber vergleicht sie nicht drei in ein und derselben Provinz gelegene Städte - wobei hier insbesondere auch die Frage nach dem Verhältnis von Provinzhauptstadt und den anderen provinzialen Städten an der Peripherie befruchtend gewirkt hatte -, sondern der Gegenstand ihrer vergleichenden Studie sind die drei hispanischen Provinzhauptstädte, also Tarraco (heute Tarragona) in der Provinz Hispania Citerior, Corduba (heute Córdoba) in der Baetica und schließlich Augusta Emerita (heute Mérida) in der Lusitania. Außerordentlich weit und auf jeden Fall sehr viel weiter als in vergleichbaren Untersuchungen spannt die Autorin den zeitlichen Rahmen ihrer Studie, die sich als idealtypische Skizze der Veränderung des städtischen Raums am Beispiel der hispanischen Provinzhauptstädte und ihrer Eliten versteht. Unter dieser Prämisse beabsichtigt Frau Panzram nichts weniger, als eine vergleichende Untersuchung der Geschichte dieser drei Städte von ihrer Gründung bis zum Einfall der Araber am Beginn des 8. Jahrhunderts auf der Basis einer Zusammenschau aller Quellengattungen vorzulegen.
Die thematische Begrenzung soll dabei durch die Fokussierung auf die beiden Begriffe 'Stadtbild' und 'Elite' geleistet werden. Gemeint ist damit das Ensemble an Bauten beziehungsweise der 'Bild-Raum', in dem die gesellschaftliche Elite der Stadt agiert und dessen bewusste Gestaltung durch ihre Repräsentanten als "Konkretisierung gesellschaftlicher Strukturen und kultureller Wertvorstellungen" verstanden wird. Dabei soll insbesondere auch der Frage nachgegangen werden, in welcher Weise die Karrieren von Mitgliedern dieser Elite auf die städtische Repräsentation zurückwirkten (20 f.).
Im Anschluss an die Einleitung, in der neben der gerade skizzierten Abgrenzung des Themas eine Zusammenfassung der Rolle der provinzialen Stadt für die römische Herrschaftspraxis sowie innerhalb der diversen Aspekte von 'Romanisierung' (wie Urbanisierung, Latinisierung, Vereinheitlichung des Lebensstils et cetera) geboten wird, gliedert sich das Buch in drei nahezu gleich umfangreiche, jeweils etwa 100 Seiten umfassende Hauptabschnitte und eine zehnseitige Schlussbetrachtung. Bibliografie und Register beschließen es.
Jeder der Abschnitte ist - in der Abfolge: Tarraco, Corduba, Augusta Emerita - einer der drei Städte gewidmet. Alle sind in ihrer der Chronologie der Stadtgeschichte folgenden Binnengliederung ähnlich aufgebaut. Sie beginnen jeweils mit den ersten Kontakten der jeweiligen Stadt mit den Römern, die im Falle Tarracos und Cordubas bereits in republikanischer Zeit stattfanden, wohingegen Augusta Emerita erst eine Koloniegründung des Augustus war. Es folgen Kapitel zur augusteischen Epoche beziehungsweise der iulisch-claudischen Zeit, darauf wird die hohe Kaiserzeit des 2. Jahrhunderts behandelt und anschließend die Epoche zwischen der Herrschaft der Severerdynastie und dem Beginn des 3. Jahrhunderts, also im Wesentlichen die Zeit der so genannten "Krise des 3. Jahrhunderts". Der Zeit vom Beginn des 4. Jahrhunderts bis zur arabischen Eroberung am Beginn des 8. Jahrhunderts ist dann jeweils ein weiteres Kapitel gewidmet, bevor eine Zusammenfassung der Stadtgeschichte den Hauptabschnitt zu jeder der Provinzhauptstädte beendet.
Bei dem Buch handelt es sich, wie schon die so eben skizzierte Disposition des Stoffes zu erkennen gibt, um eine Zusammenstellung dreier Stadtgeschichten. Ihr Schwerpunkt liegt dabei auf der frühen und der hohen Kaiserzeit, wie allein schon die äußerliche Tatsache veranschaulicht, dass die Autorin die insgesamt rund 400 Jahre zwischen dem Beginn des 4. Jahrhunderts und der arabischen Eroberung in Abschnitten behandelt, die innerhalb der einzelnen Stadtkapitel nur 10-15 Seiten umfassen.
Aber dieses Ungleichgewicht ist der Verfasserin kaum anzulasten, sondern vor allem der Quellenlage geschuldet, denn nur für die ersten beiden Jahrhunderte der römischen Kaiserzeit stehen genügend epigrafische und archäologische Zeugnisse zur Verfügung, die Auskunft über das Repräsentationsverhalten der städtischen Elite zu geben vermögen. Es ist daher kaum möglich, die historischen Beziehungen, also etwaige Kontinuitäten oder Brüche, zwischen der in der hohen Kaiserzeit gesellschaftlich tonangebenden Schicht in diesen Städten und der lokalen Elite in der Spätantike zu klären, da für Letztere so gut wie keine Zeugnisse existieren.
Die ungünstige Quellenlage bedingt aber auch, dass der von der Autorin angestrebte Städtevergleich mit dem Fokus auf der jeweiligen lokalen Elite und den Rückwirkungen ihres Repräsentationsverhaltens auf die Gestaltung des städtischen Raums nur sehr schwer zu führen ist, wenn nicht gar größtenteils unmöglich gemacht wird.
Denn im Grunde genommen sind von den drei Städten, die den Gegenstand der Untersuchung Panzrams bilden, nur im Falle der städtischen Elite von Tarraco - und freilich auch dort nur punktuell - tiefere Einblicke möglich, weil das epigrafische Material nur hier reichlicher fließt. Und nur im Falle dieser Provinzmetropole der Hispania Citerior kann der Zusammenhang zwischen einer spezifischen sozialen Elite, den Formen ihrer Selbstdarstellung und der Gestaltung des Stadtbildes wirklich einmal anschaulich vor Augen geführt werden. Gemeint ist hiermit natürlich in erster Linie der große Repräsentationsplatz - in Teilen der Forschung mit einem nicht ganz zutreffenden Ausdruck auch als "Provinzialforum" bezeichnet - auf der mittleren Terrasse der arx von Tarraco, auf dem sich seit der Regierungszeit Vespasians die Oberpriester des provinzialen Kaiserkultes, die flamines provinciae Hispaniae citerioris, nach dem Ablauf ihrer Amtszeit mit einer Statue und einer Ehreninschrift verewigten. Anhand dieses Komplexes, zu dem noch eine Reihe von Repräsentationsbauten gehörten, wird eindrucksvoll erfahrbar, welche geradezu kollektiv vereinheitlichten Repräsentationsformen (betrachtet man etwa die uniforme Gestaltung der Statuenbasen) ein Ausschnitt der provinzialen Elite entwickeln konnte, dessen Mitglieder in ihrer Ämterlaufbahn den engeren Rahmen der eigenen Stadt schon verlassen hatten und die Géza Alföldy deshalb auch zu recht als "Elite der Elite" apostrophiert hat. [2] Zugleich wird hier geradezu handgreiflich vor Augen geführt, welches enorme Potenzial an Repräsentationsmöglichkeiten der Kaiserkult für die lokalen Eliten bereithielt, wie vor allem die religiöse Kaiserverehrung zu einer Sakralisierung und Monumentalisierung des städtischen Bild-Raumes beitrug und somit das Aussehen der provinzialen Städte der Kaiserzeit veränderte. Im Falle Tarracos und seines "Provinzialforums" trifft man mithin sehr gute Bedingungen für eine dem Untersuchungsziel der Arbeit dienliche Korrelation archäologischer und epigrafischer Befunde an. Es bedarf deshalb natürlich keiner Rechtfertigung, dass Panzram dem Kaiserkult in der Tarraconensis ein längeres Kapitel widmet (43-67). Zugleich zeigt der Repräsentationsplatz des provinzialen Kaiserkultes in Tarraco, wie wichtig für die Einschätzung des Zusammenhangs zwischen einer spezifischen sozialen Elitenstruktur und ihrem Repräsentationsverhalten und dem Aussehen des Stadtbildes eine Kenntnis des Aufstellungskontextes der von der städtischen Oberschicht hinterlassenen Inschriften ist.
Dieser ist jedoch auch im Falle Tarracos nur selten zu ermitteln, in demjenigen Cordubas, wo es ohnehin nur sehr wenige inschriftliche Denkmäler der städtischen Oberschicht gibt, so gut wie gar nicht, und im Falle Augusta Emeritas besitzt man zwar eindrucksvolle archäologische Befunde über die frühkaiserzeitliche Repräsentationsarchitektur und die Gestaltung des Forums mit deutlichen Anklängen an das Bildprogramm des Augustusforums in Rom. Wer indessen die Auftraggeber dieser beeindruckenden Bauten waren, ist nicht zu erfahren, weil aus Augusta Emerita nur eine Hand voll Inschriften von Mitgliedern der lokalen Elite zu Tage getreten sind. So bleiben die in diesem, des Öfteren aber auch im Falle der anderen beiden Städte von der Autorin mit einer bewundernswerten Akribie ausgebreiteten archäologischen Befunde zwar gewiss nicht stumm, sondern erzählen sicherlich, gerade auch im Falle Emeritas, von dem Selbstverständnis der Stadt und einigen von den Mitgliedern ihrer Elite geteilten Wertvorstellungen. Diese, wie auch viele ihrer architektonischen Manifestationen finden sich jedoch zu jener Zeit auch vielerorts anderswo in den Provinzen des Reiches. Infolge des Mangels entsprechender Quellen ist die Individualisierbarkeit dieser Befunde im Bezug auf gerade diese bestimmte hispanische Stadt und ihre gesellschaftliche Elite jedoch ein nur sehr schwer zu lösendes Problem.
Aufgrund dieser Probleme der Quellenlage wird mithin der Vergleich der drei Städte untereinander zu einem schwierigen Unterfangen, da eine Schärfung des individuellen Profils der einzelnen Stadt im Gegenüber zu den beiden anderen nicht recht gelingen und dem Leser nicht recht deutlich werden will, worin sich denn beispielsweise die städtische Oberschicht Cordubas von der Tarracos und Emeritas unterscheidet beziehungsweise worin denn das allen diesen drei Städten gemeinsame Element einer (zu postulierenden?) gewissermaßen römischen "Hispanidad" liegen könnte.
Wohl auch aufgrund dieser in den Quellen begründeten Aporie neigt die Autorin zuweilen zu weit ausgreifenden Exkursen beziehungsweise Parenthesen, die zwar alle zweifellos Zutreffendes und Interessantes enthalten, deren Funktionalität im Rahmen der Untersuchung dem Leser indes nicht recht einleuchten will. So findet sich etwa im Hauptabschnitt zu Tarraco, und dort innerhalb des Kapitels über den Kaiserkult in der Hispania Citerior, unmittelbar nach einem Absatz über diverse Inschriften städtischer Honoratioren (62) die damit beim besten Willen nicht in einen kohärenten Zusammenhang zu bringende Information, dass zur Topografie Tarracos auch diverse Gärten gehörten, was dann wiederum zum Anlass für ein Referat des Berichtes in der Historia Augusta genutzt wird, wonach einmal ein wahnsinnig gewordener Sklave versucht hatte, den Kaiser Hadrian in einer Tarraconenser Gartenanlage zu töten [3], worauf dann verwirrender Weise von der Restauration des Augustus-Tempels durch denselben Kaiser die Rede ist (63). Und im Rahmen des Kapitels zum spätantiken Tarraco nimmt Panzram, um ein letztes Beispiel zu nennen, die sekundäre Errichtung einer christlichen Basilika im Amphitheater am Ende des 6. Jahrhunderts, wo der Bischof Fructuosus und seine Gefährten im Jahre 259 nach Christus das Martyrium erlitten hatten, und worüber die Märtyrerakten berichten, zum Anlass für einen Exkurs zum Problem der topischen Gestaltung derartiger Märtyrerberichte und zur Diskussion der These von D. Potter über "Martyrdom as Spectacle" [4], um schließlich bei der Information zu enden, dass die Reliquien des Heiligen Fructuosus nach Italien transferiert worden waren und noch heute in Portofino verehrt werden (111 ff.). Der Autorin hier zu folgen fällt dem Leser schwer, der dergleichen an dieser Stelle nicht erwartet und sich fragt, was es mit dem Ziel der Untersuchung zu tun haben könnte.
Bei derlei vermeint man deutlich, die Schwierigkeiten zu spüren, die die Verfasserin mit ihrem Thema hatte und die sie zweifellos nicht zu verantworten hat, da sie in der insuffizienten Quellenlage begründet sind. Aber man fragt sich bisweilen doch, ob der stupende Fleiß und die große Akribie, die die Verfasserin durchweg an den Tag legt, sowie ihr Talent zu einer angenehmen sprachlichen Gestaltung komplexer Zusammenhänge - was heutigentags kaum genügend gelobt werden kann - nicht besser zur Geltung gekommen wäre, wenn die Untersuchung nicht den Vergleich der drei hispanischen Provinzhauptstädte, sondern etwa den Tarracos mit einer epigrafisch ähnlich gut bezeugten Metropole in einem anderen Teil des Reiches zum Gegenstand gehabt hätte.
Das Buch ist unbeschadet dessen eine äußerst solide Zusammenstellung der Geschichte der drei hispanischen Provinzhauptstädte zwischen Republik und Spätantike, für die die Autorin mit großer Sachkenntnis das relevante Material aller Quellengattungen herangezogen hat. Dabei ist gerade die Einbeziehung der zum Teil sehr disparaten archäologischen Befunde eine kaum hoch genug einzuschätzende Leistung, hält man sich vor Augen, an welch entlegenen Orten diese zum Teil publiziert sind. Vor der Akribie mit der Panzram, der dabei ihre profunden Sprachkenntnisse zugute kamen, hier ephemere katalanisch-sprachige Grabungspublikationen aufgespürt hat, kann man nur ehrfürchtig das Haupt neigen, und die 45 Seiten und knapp 1000 Titel umfassende Bibliografie legt davon ein beredtes Zeugnis ab.
Jeder der sich in Zukunft mit der Geschichte des römischen Hispanien und seiner drei Provinzmetropolen befassen möchte, wird gut daran tun, zu Sabine Panzrams Buch zu greifen.
Anmerkungen:
[1] Géza Alföldy: Drei städtische Eliten im römischen Hispanien, in: Gérion 2 (1984), 193-238.
[2] Géza Alföldy: Drei städtische Eliten, 201 (siehe oben Anmerkung 1).
[3] Historia Augusta, Vita Hadriani 12,5.
[4] In: Ruth Scodel (Hg.): Theater and Society in the Classical World, Ann Arbor, Mi. 1993, 53-88.
Thomas Kruse